"Ich stehe Statistiken etwas skeptisch gegenüber", sagte einst Franklin D. Roosevelt. "Denn laut Statistik haben ein Millionär und ein armer Kerl jeder eine halbe Million." Der frühere Präsident der Vereinigten Staaten hat insbesondere in der Sport-Welt nicht wenige Fürsprecher.
Statistiken sind oft verpönt, viele Trainer lassen die Argumentation ihrer Gegenüber, die auf Zahlen und Fakten beruht, nicht gelten, weil sie diese oder jene Situation anders wahrgenommen haben.
Pavel Vrba, Trainer des Champions-League-Teilnehmers Viktoria Pilsen, hat das 0:5 beim FC Bayern dagegen genauso düster wahrgenommen, wie es die Statistiken aussagten: "Ich weiß gar nicht, ob ich das Spiel bewerten sollte. Das sollte vielleicht nur Guardiola tun", sagte der sichtlich überrollte Tscheche in der Allianz Arena.
Mit Gerd Müller fing es an
35:0-Torschüsse, 5:0-Tore, 12:2-Ecken, 70:30-Ballbesitz - da wollte Vrba auch nicht mehr groß erklären, warum und weshalb seine Jungs verloren haben. Der FC Bayern gehört zu den besten Teams der Welt und da darf man auch mal 0:5 verloren, ohne sich schämen zu müssen.
Nun, vielleicht lag es aber auch an der Vergangenheit. Am Verderben im Zeitraffer.
Denn gegen den FC Bayern verlor Pilsen, das damals noch knallig TJ Skoda Pilsen hieß, schon einmal mit fünf Toren Unterschied. 1:6 in der Saison 1971/72, als man sich im Pokal der Pokalsieger gegenüberstand.
Gerd Müller, freilich zwei Mal, Wilhelm Hoffmann, auch zwei Mal, Frank Krauthausen und Franz Roth fegten vor 6.000 Zuschauern im Grünwalder-Stadion die Tschechoslowaken vom Platz. Das Hinspiel gewannen die Bayern 1:0 dank Wolfgang Sühnholz' Treffer in der 76. Minute.
An Pep Guardiola hat Pilsen auch keine sonderlich guten Erinnerungen: 4:0 und 2:0 hießen die Endergebnisse der Aufeinandertreffen in der Champions League, als Pep in Barcelona noch tiki-takern ließ.
Reihenweise Niederlagen
Wem das nicht reicht, hilft die UEFA auf die Sprünge. Sie hat in ihrer Informationsmappe für die Medien - so penibel wie sie arbeitet - jeden aktuellen Pilsen-Spieler aufgelistet, der mal gegen eine deutsche Mannschaft oder einen Bayern-Akteur spielte und in den meisten Fällen verlor.
Da ist Milan Petrzela, der als Augsburger Spieler bei einem 0:2 gegen Bayern München eingewechselt wurde.
Marek Bakos stand mal auf dem Platz, als die Slowakei ein Testspiel gegen die Niederlande, verstärkt durch Arjen Robben, mit 0:2 vergeigte.
Radim Reznik, der im Hinspiel die sonderbare Aufgabe hatte, Franck Ribery aus dem Spiel zu nehmen, holte immerhin ein 1:1 gegen Deutschlands U 21 bei der EM 2011. Mario Götze und Mitspieler Tomas Horava waren auch vor Ort.
Marian Cisovsky schied in einem 0:2-Gesamtergebnis gegen den VfB Stuttgart aus, als er noch für den rumänischen Klub FC Timisoara spielte.
Roman, bleib' zu Hause
Selbst Tschechiens Erfolgsgarant in Person, Pavel Horvath, hat in 15 Jahren Profifußball nur ein einziges Mal gegen eine deutsche Mannschaft gewonnen. Ob ihn Bastian Schweinsteiger jüngst deswegen mit Lothar Matthäus verglich? Man weiß es nicht.
Trainer Vrba, dem immerhin eine rosige Zukunft vorausgesagt wird, war mal Co-Trainer der Slowakei und als solcher trat er 2008 auf Deutschland, das u.a. durch Philipp Lahm vertreten wurde. Das DFB-Team gewann 2:1. Klar.
Wenn Vrba ein bisschen abergläubisch ist und den Statistiken mehr Glauben schenkt als Trainerkollegen und früheren US-Präsidenten, dann lässt er seinen Abwehrchef Roman Hubnik zu Hause. Der gute Mann stand nicht nur im Hinspiel beim 0:5 auf dem Platz, sondern auch als Spieler von Hertha BSC, das 0:4 und 0:6 gegen den FC Bayern verlor.
Was spricht für Pilsen?
Roman ist schuld, könnte man meinen, dass man in Pilsen jetzt schon wieder keine Lust mehr auf das Aufeinandertreffen mit den Bayern hat.
Wer glaubt, dass es doch irgendetwas geben müsste, das auch mal den tapferen Jungs von Viktoria Pilsen Hoffnung macht, muss tief in der Statistik-Kiste wühlen.
Lässt man mal die Faktenlage außen vor, dass Bayern Europas beste Auswärtsmannschaft ist und mit acht Siegen drauf und dran ist, Barcelonas Rekord von neun Erfolgen in Folge aus dem Jahr 2002/2003 einzustellen, darf man festhalten, dass sie zu Hause eine Macht sind.
Pilsen gewann zehn der letzten elf Europapokal-Heimspiele - darunter alle CL-Qualifikationsspiele der aktuellen Saison. Die eine Niederlage war gegen Manchester City, das 3:0 gewann. Und wer es wissen will: Ja, mit Martin Demichelis steht dort ein Ex-Bayern-Spieler unter Vertrag.
Viktoria Pilsen im Steckbrief