Am 15. August 2011 stöhnte die Fußballwelt auf. Der FC Barcelona, der in den vergangenen Jahren international dominiert und unter Pep Guardiola zwei der letzten drei Champions-League-Titel geholt hatte, landete einen weiteren Coup. Cesc Fabregas, mit 24 Jahren bereits Kapitän beim FC Arsenal und von nahezu jedem Großverein umworben, hatte sich zur Rückkehr nach Katalonien entschieden. Zurück in die Heimat.
"Dieser Transfer macht Barcelona quasi unschlagbar", titelte die "Welt" damals und bezeichnete ihn als "vielleicht besten Mittelfeldspieler, der noch nicht bei Barca spielte." Auch sein damaliger Coach Arsene Wenger attestierte dem jungen Spanier "die Übersicht von Michel Platini" - das ultimative Lob aus dem Mund eines Franzosen.
Es schien die perfekte Situation: Barcas einzige Schwäche war damals der bisweilen etwas dünne Kader und mittelfristig würde man den damals 31-jährigen Lenker Xavi ersetzen müssen. Fabregas schien die perfekte Lösung dafür zu sein. Damit nicht genug: Fabregas hatte für seine Ablöse sogar fünf Millionen Euro von seinem eigenen Gehalt geopfert. Eine bessere Demonstration des damaligen Sonderstatus der Blaugrana kann man sich kaum vorstellen.
Erfolge satt
Heute liest sich Fabregas' Bilanz sehr gut. Er hat mit Barca die Klub-WM, den spanischen Pokal, die Primera Division, die spanische Supercopa sowie den europäischen Supercup gewonnen. Mit seinen gerade einmal 26 Jahren hat er zudem bereits zwei Europameister- und einen Weltmeisterpokal in den Himmel gereckt. Abgesehen von der Champions League fehlt seinem Briefkopf nicht mehr allzu viel.
Seine persönliche Bilanz bei Barca ist auch nicht eben zu verachten: In 141 Pflichtspielen für die Katalanen seit 2011 kommt er auf 42 Tore, 56 weitere hat er zudem direkt vorbereitet. Und doch ist Fabregas' Zeit im neuen alten Verein bisher keine reine Erfolgsgeschichte, denn so richtig scheint er seine Rolle weder in Barcelona noch in der Nationalmannschaft bisher gefunden zu haben.
In dieser Saison wechselt er üblicherweise zwischen zentralem Mittelfeld und der Rolle als Mittelstürmer hin und her, zuvor musste er auch schon öfter mal als Außenstürmer ran. Egal, ob Guardiola, Tito Vilanova oder Tata Martino an der Seitenlinie stehen - für einen Spieler von seinem Format muss Fabregas ziemlich viele Kompromisse eingehen.
Die Leistungsdaten von Cesc Fabregas in der laufenden Champions-League-Saison
In der Nationalmannschaft Spaniens bietet sich ein ähnliches Bild: Bei der EM 2012 lief er sechsmal als verkappter Mittelstürmer auf, dreimal davon wurde er sogar nur eingewechselt. Bei der WM 2010 bereitete er das Siegtor im Finale vor, nachdem er zuvor 87 Minuten auf der Bank geschmort und im Halbfinale nicht einmal gespielt hatte. Auch in der Qualifikation für die kommende WM pendelte er munter zwischen Sturm, offensivem und zentralem Mittelfeld.
Vom Leitwolf zum Mitläufer
Natürlich ist die Konkurrenz im Kader brutal. An Spielern wie Xavi, Xabi Alonso, Sergio Busquets oder Andres Iniesta muss man erst einmal vorbeikommen, auch Javi Martinez, Thiago oder Koke haben ihre Ansprüche. Allerdings schien Fabregas eben prädestiniert dafür, in Verein und Nationalmannschaft den Schritt zur zentralen Figur zu machen.
Es ehrt ihn, dass er sich immer komplett in den Dienst der Mannschaft stellt und nicht murrt, auch wenn er häufig nicht auf seiner Lieblingsposition spielen darf. Nicht wenige hätten (und haben) sich in vergleichbaren Situationen schon lautstark beschwert. Fabregas nimmt alle Aufgaben an und versucht, das Beste daraus zu machen.
Über seine Situation bei Barca sagt Fabregas selbst: "In meinem Kopf gab es nur den Gedanken, mit Barcelona erfolgreich zu sein. Als ich hierher kam, wusste ich, dass es andere Orte gibt, wo ich mehr spielen könnte." In einem Sommer 2013 voller Gerüchte bezeichnete er alle Spekulationen, er wolle Barcelona verlassen, als "absurd."
Es ist dennoch ein leicht seltsamer Werdegang. Bei Arsenal gab er schon mit 21 Jahren den Ton an und brillierte als prägender Spieler seines Teams. Mit 26 ordnet er sich nun unter. Zwar ist er auch heute ein grandioser Spieler, die von vielen erwartete Entwicklung zum Chef auf dem Feld blieb bisher jedoch aus.
Wunschlos glücklich?
In den wichtigen Spielen besetzen auch heute Xavi, Iniesta und Busquets das zentrale Mittelfeld bei Barca, in der Nationalmannschaft rückt Alleskönner Iniesta meist auf die Flügel, während Xabi im Zentrum aufläuft. Fabregas wird in diesen Partien entweder anderweitig eingesetzt oder er schaut erstmal von draußen zu.
Die Fahndung nach einem Nachfolger für den mittlerweile 34-jährigen Xavi läuft derweil weiter: Angeblich denkt Barca unter anderem über Ilkay Gündogan, Toni Kroos, Jack Wilshere und Marcelo Diaz nach, auch eine interne Lösung mit Eigengewächs Sergi Roberto scheint denkbar.
Der Name Fabregas fällt in diesem Zusammenhang dagegen immer seltener, obwohl er doch eigentlich genau für diese Rolle vorgesehen war. Was ist seitdem passiert? Ist der Verein enttäuscht von seiner Entwicklung und traut ihm den Schritt letztlich doch nicht zu? Wird ihm vielleicht seine Vielseitigkeit zum Nachteil? Ist er am Ende sogar zu früh zurückgekehrt? Oder halten die Katalanen Fabregas als Allzweckwaffe auf dem Feld für wertvoller?
Die Antworten auf diese Fragen sind vielfältig. Zumal die Nummer 4 immer noch Zeit hat und die Konkurrenz eben immer noch brilliert, wenn es darauf ankommt. Sein Status im Verein steht außer Frage: Barca-Präsident Josip Maria Bartomeu hat im letzten Sommer, als sich Manchester United um ihn bemühte, klargemacht, dass man ihn niemals abgeben würde: "Was auch immer United bietet, egal wie viel, wir werden 'Nein' sagen. Cesc bleibt ein Spieler des FC Barcelona."
Barca bis zum Ende
Der Angesprochene selbst verdeutlicht bei jeder Gelegenheit, dass er Barca nicht einmal im Traum verlassen würde. Er weiß, dass er bei nahezu jedem anderen Verein auf der Welt eine noch größere Rolle spielen könnte. Das interessiert ihn aber nicht. Er spielt bei seiner großen Liebe und ist dafür auch bereit, Opfer zu bringen.
Fabregas kam in Arenys de Mar in Katalonien zur Welt und durchlief alle Jugendmannschaften des Vereins, bevor er in die große weite Welt auszog. An seiner Zuneigung für den Klub hat das nie etwas geändert. Das Motto "mes que un club" ist für ihn keine Floskel.
"Ich habe immer gesagt, dass ich überglücklich bei Barca bin. Wer immer sagt, dass ich weg will, der kennt mich nicht und hat nie mit mir gesprochen", sagt Fabregas. Wenn es nach ihm geht, bleibt er den Rest seiner Karriere bei den Katalanen - zur Not auch als Mitläufer.
Cesc Fabregas im Steckbrief