Der Titan hatte nur ein Wort für ihn übrig. "Weltklasse!", lautete das Urteil von Oliver Kahn. Diego Simeone eröffnete sogar sein Fazit nach der Pleite der Rojoblancos gegen Leverkusen mit Bernd Leno. "Leverkusen hat einen sehr starken Torwart", sagte Atleticos Trainer. "Er hat unsere Stürmer zur Verzweiflung gebracht."
"Zum Glück durfte ich mich ein paar Mal auszeichnen", sagte der Held des Abends selbst, der gegen den spanischen Meister den Bayer-Sieg nicht nur mit seiner irren Parade gegen den verdeckten Seitfallzieher von Tiago kurz vor der Pause festhielt. "Das tut gut nach den Gegentoren, die wir in den letzten Wochen bekommen haben."
Neun Mal hatte Leno vor dem Atletico-Spiel in drei Liga-Spielen hinter sich greifen müssen. Doch seitdem ist das Leverkusener Tor wie vernagelt. Über 450 Minuten, wettbewerbsübergreifend. "Eine gute Mannschaft zeichnet sich immer dann aus, wenn es schlecht läuft. Und die wenigen schlechten Phasen dieser Saison haben wir sehr gut gemeistert", sagt Leno.
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Doch ist die jüngste Erfolgswelle nicht nur das Verdienst der ganzen Mannschaft, die wieder zum gnadenlosen Spiel gegen den Ball gefunden hat. Es ist auch das von Leno, der Gallionsfigur des Leverkusener Aufschwungs.
"Dann reicht mein Standing nicht"
Die furiosen letzten Auftritte gilt es jetzt zu bestätigen. Denn: Im Vicente Calderon wird es wohl nicht weniger als ein Meisterstück des 23-Jährigen brauchen, um den größten internationalen Erfolg der Werkself seit der Jahrtausendwende zu erreichen.
Der amtierende Meister der Primera Division hat sich mit drei Remis in Folge endgültig aus dem Titelrennen verabschiedet - in der Königsklasse wird die Truppe um Mario Mandzukic und Antoine Griezmann alles daran setzen, nicht den nächsten Nackenschlag zu erleben.
Sollte der den Leverkusenern aber gelingen, könnte es auch Leno persönlich ein Stück näher an ein großes Ziel bringen. Ende Oktober habe es das letzte Mal Kontakt mit dem DFB-Team und Torwarttrainer Andi Köpke gegeben, so der Schlussmann: "Er hat gesagt, ich soll weiter Gas geben und dranbleiben."
Freilich ist Bernd Leno als festes Mitglied der U-Nationalmannschaften auf dem Zettel von Löw und seinem Trainerstab. Eine echte Lobby scheint der Keeper aber nicht zu haben. "Da reicht mein Standing nicht", sagt Leno über den Konkurrenzkampf um die Positionen hinter Manuel Neuer, in der er seinen Konkurrenten kollektiv überlegen ist, aber nicht die gleiche Beachtung findet.
Zahlen sprechen deutlich für Leno
Gegentore, Zu-Null-Spiele, Paraden. Leno sticht seine Widersacher Roman Weidenfeller, Marc-Andre ter Stegen und Ron-Robert Zieler sowohl in der Liga, als auch in der Königsklasse in fast allen Punkten aus. 69,1 Prozent gehaltene Bälle auf nationalem Parkett, sowie 66,7 Prozent in der Champions League sind bei den potenziellen Nationaltorhütern Bestmarken - hinter der Nummer eins.
"Neuer ist momentan unantastbar", sagte Leno bei Sport1 über den Münchner Schlussmann. "Ich persönlich versuche, mir mehr abzuschauen, als ihn als Konkurrenten zu sehen." Dahinter ist jedoch alles offen. "Unter den Torhütern in Deutschland bin ich vorne mit dabei", resümiert der 23-Jährige. Er brauche sich "nicht wirklich vor den anderen zu verstecken".
Es steckt viel Reife und Realismus in den Aussagen des Schlussmanns der Werkself. Doch ist Leno vielleicht zu realistisch - zu leise? Sollte er vielleicht einmal eine größere Klappe riskieren? "Es ist nicht meine Art, irgendetwas einzufordern", sagt Leno über sich selbst. "Unnötige Show" war noch nie Bestandteil des "ruhigen und sachlichen" Bernd Leno. Weder auf dem Platz, noch im Privatleben.
Verbiegen lassen will sich Leno deshalb nicht. "Durch Quatscherei kommt man auch nicht weiter." Wann dann endlich die Einladung kommt? "Weiß ich auch nicht. Was mir übrig bleibt ist, meine Leistung zu bringen."
"Machen uns international wieder zum Affen"
Wenn's nach den Leverkusenern geht, am besten schon am Dienstag in der Königsklasse. "Ich habe", weiß Leno, "wie nicht alle Torhüter in Deutschland, die Chance, Champions League zu spielen." Eine Bühne, auf der man nicht nur den Titan oder Diego Simeone nachhaltig beeindrucken kann.
Zwar kommt Leverkusen immer noch als leichter Außenseiter, aber nicht zuletzt dank Leno mit einer formidablen Ausgangsposition ans Ufer des Manzanares. "Wir fahren mit dem nötigen Respekt, aber auch mit breiter Brust nach Madrid".
Viele, so sagt Leno, "dachten doch, wir verlieren bereits das Hinspiel 0:3, machen uns international wieder zum Affen wie im Vorjahr beim 0:4 gegen Paris."
Doch da hatten die Leute die Rechnung ohne den Mann gemacht, der Atletios Stürmer zur Verzweiflung bringt.
Bernd Leno im Steckbrief