Es ist Pep Guardiola einfach so rausgerutscht, das "böse" Wort. Mitten im Redefluss über seine Bestimmung. Aber es war deutlich zu hören. "Scheiße". Mit besonders weichem s. Gefolgt von einem kurzen Lächeln als eine Art Entschuldigung für die Wortwahl. Aber selbst Guardiola kann sich schwer zügeln, wenn er on fire ist.
Die Frage des Journalisten zielte auf seinen Nimbus als "bester Trainer der Welt" ab. Ob dieser gebrochen sei, sollte der FC Bayern auch das Rückspiel im Champions-League-Halbfinale gegen den FC Barcelona verlieren und nach dem Aus gegen Real Madrid in der letzten Saison das Finale erneut deutlich verpassen.
Seit seinem Amtsantritt beim FC Bayern im Juni 2013 versucht Guardiola bei offiziellen Presseterminen immer wieder zu verdeutlichen, dass er seinen Job nicht ausführt, um sein Ego zu befriedigen.
Dass es nie sein Ziel war oder ist, in eine bestimmte Kategorie eingeordnet zu werden. Schlechter Trainer, guter Trainer, bester Trainer - Guardiola gibt darauf , das hat er diesmal mit Nachdruck klargemacht, einen Scheiß.
"...dann tut es mir leid"
"Ich bin nicht hier, um der beste Trainer der Welt zu sein. Das ist scheiße. Ich habe schon in Barcelona 1000 Millionen Mal gesagt, dass ich alles gewonnen habe, weil ich so überragende Spieler hatte. Ich will als Trainer mein Bestes geben. Für den Verein, für den Präsidenten, für die Spieler, für die Fans. Das habe ich in Barcelona getan und das versuche ich hier. Von Anfang an war das mein Ziel. Wenn damit alle zufrieden sind - ok. Wenn nicht, tut es mir leid. Aber mein Leben ist nicht besser, wenn wir gewinnen. Ich bin auch so glücklich", sagte Guardiola am Montagmittag auf der Pressekonferenz vor dem Rückspiel gegen seinen Ex-Verein.
Es war der emotionale Höhepunkt einer Veranstaltung, auf der Guardiola nicht zum ersten Mal ein paar Dinge ins rechte Licht rücken wollte.
Aber nie zuvor in seinen 22 Monaten als Trainer des FC Bayern wurde es so offensichtlich, dass sich Guardiola in einigen Punkten missverstanden fühlt. Dass er auch nach fast zwei Jahren erklären muss, wie seiner Meinung nach erfolgreicher Fußball gespielt wird. Und dass er womöglich gar nicht zur deutschen Fußballkultur passt.
Welle von Rechtfertigungen
"Die Leute in Deutschland sehen lieber ein 4:3 oder ein 4:4. Das habe ich schon nach meinem ersten Bundesligaspiel gegen Mönchengladbach gemerkt. Aber ich bin anders als das, was die Leute in Deutschland wollen. Ich will die Kontrolle über das Spiel. Ich habe meine Erfolge als Trainer gefeiert, weil meine Mannschaften die Spiele kontrolliert haben", sagte Guardiola.
Der Coach stieß eine Welle von Rechtfertigungen an. Es sei ja verständlich, dass die Fans im Rückspiel gegen Barcelona am liebsten zwei frühe Tore des FC Bayern sehen würden. Aber so tendierten die Erfolgsaussichten gegen Null.
"Ich würde auch gerne drei Tore schießen in den ersten fünf Minuten. Ball nach vorne - Tor. Ball nach vorne - Tor. Ball nach vorne - Tor. Nach vorne, nach hinten. Nach vorne, nach hinten. Wenn wir es so machen, verlieren wir immer: Madrid, Wolfsburg, Barcelona. Ich bin ein komplett anderer Trainer", so Guardiola.
Verrat an der Spielidee ständiger Begleiter
Der Verrat an seiner Spielidee, den er selbst nach dem 0:4 gegen Real als unverzeihlichen Fehler bewertet hat, verfolgt Guardiola bis heute. Er ist zu oft Kompromisse eingegangen, hat sich zu oft von außen beeinflussen lassen. Barcelona sei nur zu bezwingen, wenn seine Mannschaft seine Philosophie auf dem Platz umsetzen werde.
"Wir haben die Bundesliga letztes Jahr zum bisher frühesten Zeitpunkt gewonnen, weil wir die Kontrolle in den Spielen hatten. Wir haben sie dieses Jahr aus dem gleichen Grund gewonnen. Und den Pokal letzte Saison. Wir brauchen gegen Barcelona unbedingt die Spielkontrolle. Barcelona ist die beste Mannschaft der letzten 15, 20 Jahre. Unsere Fehler werden sofort bestraft. Sie sind so stark im Kontern, sie können dich auch in 15 Minuten mit drei Toren bestrafen. Wir können am Dienstag nicht bedingungslos angreifen, wir brauchen viel Geduld", appellierte Guardiola.
Er schlug den deutschen TV-Sendern vor, sich um die Rechte der Primera Division zu bemühen, "damit die Leute jeden Spieltag sehen können, welche Qualität Real Madrid oder Barcelona haben. Dann können die Leute sehen, dass man gegen Barcelona nicht bedingungslos angreifen kann."
Kein Wechsel zu ManCity
Guardiola verbietet den Fußball mit Herz nicht. Aber er verlangt von seinen Spielern, dass er in erster Linie mit Hirn gespielt wird. "Wir gewinnen kein Spiel, weil ich Pep bin oder wir Bayern München sind. Leidenschaft ist ok, aber wir brauchen vor allem einen starken Kopf." Und der muss wissen, dass es nur funktionieren kann, wenn man sich auf die eigene Spielweise fokussiert.
"Wir werden es mit unserer Art des Fußballs probieren. Wir brauchen Kontrolle und müssen zuallererst gut verteidigen. Wir wollen den Ball länger haben als Barcelona. Dann werden wir sehen. Ich kann nicht sagen, was passieren wird. Vielleicht schießen wir ein Tor und die Zuschauer sind da. Wir bereiten uns vor, damit wir gewinnen können. Aber das Spiel wird für sich alleine sprechen", sagte Guardiola.
Sollte das Wunder ausbleiben und Guardiola in seinem sechsten Champions-League-Halbfinale zum dritten Mal scheitern, wird er in München in der kommenden Saison einen neuen Anlauf starten. Den in arabischen und englischen Medien kolportierten bevorstehenden Wechsel zu Manchester City nach dieser Saison erteilte Guardiola eine klare Absage.
"Jungs, ich habe schon 1000 Millionen Mal gesagt, dass ich noch ein Vertrag in München habe. Ich bin nächstes Jahr hier." Eine weitere klare Botschaft in Guardiolas Stunde der Selbstverteidigung.
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