Mit sechs Punkten aus zwei Spielen liest sich der Bundesligastart von Bayer Leverkusen perfekt. Platz drei, lediglich der FC Bayern und Borussia Dortmund liegen vor der Werkself. Was irgendwie auch dem Anspruch von Bayer entspricht. Mit zwei knappen Siegen zum Auftakt haben Roger Schmidt und sein Team nach durchwachsener Vorbereitung bereits gezeigt, dass mit Bayer auch in dieser Saison zu rechnen sein kann.
Die Mannschaft hinterließ in den ersten Spielen einen reifen Eindruck. Das 2:1 am 1. Spieltag gegen Hoffenheim und der 1:0-Sieg bei Hannover 96 am vergangenen Wochenende zeigen, dass die Werkself gut drauf ist. Zwar gab es zwischendrin die unglückliche Hinspiel-Niederlage in Rom, doch in Leverkusen ist niemand Angst und Bange. Ganz im Gegenteil. "Die Entschlossenheit des Teams ist spürbar", sagt Geschäftsführer Michael Schade, der ein klares Ziel vorgibt: "Wir wollen unseren Bundesliga-Platz vier aus der vergangenen Saison vergolden."
Selbst die mangelnde Chancenverwertung wird vor dem Rückspiel nicht groß gewichtet. "Mehr Sorgen würde ich mir machen, wenn wir keine Torchancen hätten. Aber ich weiß auch, dass wir es verpasst haben, gegen Hannover und Hoffenheim die Spiele vorzeitig zu entscheiden", sagte Schmidt. "Ich bin überzeugt davon, dass wir vor eigenem Publikum das Ergebnis drehen und wieder in die Champions League einziehen", so der Coach weiter, der selbst ein Gegentor nicht fürchtet und einen eigenen Angriffswirbel seiner Mannschaft ankündigt: "Wenn Lazio ein Tor schießt, müssen wir halt drei machen. Wir wollen von der ersten Sekunde an torgefährliche Situationen kreieren."
Wo drückt denn jetzt der Schuh?
Wenn man die Verantwortlichen hört, gibt es tatsächlich keinen Zweifel am Weiterkommen. Man ist von der eigenen Stärke absolut überzeugt. Dabei hat man personelle Probleme, ist der Kader - vor allem in der Innenverteidigung - derzeit noch auf Kante genäht. Die Verletzungen von Charles Aranguriz, Tin Jedvaj und Ömer Toprak könnte im weiteren Saisonverlauf noch eine entscheidende Rolle spielen. Mit dem jungen Jonathan Tah, dem verletzungsanfälligen Kyriakos Papadopoulos und mit Abstrichen Neuzugang Andre Ramalho hat Bayer derzeit nur drei Innenverteidiger im Kader.
Allerdings sehen die Bayer-Bosse nach dem Aranguiz-Ausfall im Mittelfeld akutere Probleme. Sebastian Rode, Pierre-Emil Höjbjerg und tatsächlich Gonzalo Castro wurden in den letzten Tagen gehandelt. Schmidt wollte am Dienstag keine Namen nennen: "Wir haben in allen Mannschaftsteilen noch eventuell Optimierungsbedarf, aber nicht zwingend. Wir halten die Augen offen. Nach dem Ausfall von Aranguiz ist im defensiven Mittelfeld erhöhter Handlungsbedarf."
Doch wenn es ganz dumm läuft, muss Bayer auch noch in der Offensive aktiv werden. Am Mittwoch war aus England zu hören, dass sich Tottenham Hotspur um Heung-Min Son bemüht und der Südkoreaner bereits auf dem Weg nach London zum Medizincheck sei. Die Spurs würden 30 Millionen für den Stürmer zahlen.
Sollte Son Bayer tatsächlich noch in Richtung Insel verlassen, hätte man mit Julian Brandt zwar einen mehr als adäquaten Ersatzmann. Allerdings stellt sich ähnlich wie bei Tah die Frage, ob ein 19-Jähriger bereits den Anforderungen der Champions League als Stammspieler gewachsen ist. Vielleicht kommt das für die beiden hochtalentierten Youngsters noch einen Tick zu früh.
Schmidts Philosophie braucht Zeit
Will Bayer neben dem angestrebten defensiven Mittelfeldspieler auch noch einen Offensivmann verpflichten, so muss Schmidt zwei weitere Neuzugänge in kürzester Zeit in sein System integrieren - kein einfaches Unterfangen. Bereits in der letzten Saison zeigte sich, dass die Mannschaft länger brauchte, um dessen Spielphilosophie zu verinnerlichen.
Zwar sollte der Prozess inzwischen abgeschlossen sein, doch die neuen Spieler bräuchten durchaus ihre Zeit. Knapp eine Woche hat man in Leverkusen noch Zeit, um auf die kleineren Schwachstellen im Kader zu reagieren. Die anschließende Länderspielpause Anfang September kommt da zu keinem allzu schlechten Zeitpunkt.
Vor dem Lazio-Spiel verschwendet aber kein Spieler in der Mannschaft auch nur einen Gedanken an etwaige Neuzugänge, man ist total auf die Königsklasse fokussiert. Stefan Kießling will ebenso wie seine Kollegen mit aller Macht in die Champions League und nicht in die ungeliebte Europa League und verspricht: "Wir werden Vollgas geben und noch mal eine Schippe drauflegen." Das hofft auch die Klubführung, die natürlich auch in die Beletage Europas will. "Wir verlieren lieber in Barcelona, als am Ural zu gewinnen", so Bayer-Boss Schade.
"Auf Biegen und Brechen weiterkommen"
Deshalb wird das Ausscheiden gar nicht erst thematisiert: "Daran denke ich gar nicht. Wir wollen gegen Lazio auf Biegen und Brechen weiterkommen. Ich vertraue darauf, dass unsere Fans das Stadion zu einem Hexenkessel machen." Das hofft auch Kapitän Lars Bender: "Wir wollen aus unserer Arena wieder eine Festung machen. Ich bin aber zuversichtlich, wir gehen mit Vorfreude und voller Tatendrang die Aufgabe an."
Dass sich deutsche Teams traditionell immer schwer taten gegen Teams aus Italien, davon will Bender allerdings nichts wissen. "Dann müssen wir die Tradition halt brechen. Was in der Vergangenheit war, interessiert uns nicht. Morgen ist entscheidend, dass wir mit aller Macht weiter kommen", sagte der Kapitän auf der Pressekonferenz. Außerdem stand Bayer bereits vier Mal in den CL-Playoffs, vier Mal zog man auch in die Gruppenphase ein.
Auch Schmidt ist vor dem Rückspiel trotz der Personalsituation sehr optimistisch: "Wir haben in der letzten Saison auch international sehr viel Selbstvertrauen mitgenommen und wissen, dass wir unser Spiel durchdrücken können." Sollte sich Bayer durchsetzen, winken zudem weitere Millionen, die man in den Kader investieren wird. Außerdem verändert so eine fixe Champions-League-Teilnahme sicher auch die Verhandlungsposition bei angestrebten Transfers noch einmal grundlegend. Und wer weiß, welche Möglichkeiten sich dann ergeben.
Bayer Leverkusen in der Übersicht