Wie spielt man gegen eine Alte Dame?

Andreas LehnerFatih DemireliThomas GaberBenedikt Treuer
22. Februar 201610:12
Bereit für Juventus?! Die Bayern-Spieler Kimmich, Lewandowski, Thiago und Costa (v.l.)getty
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Mit dem Champions-League-Duell bei Juventus Turin (Di., 20.45 Uhr im LIVETICKER) beginnt für den FC Bayern München die Jagd nach dem Triple. Das Hinspiel wirft bei Bayern eine Reihe personeller Fragezeichen auf. Vier SPOX-Redakteure stellen ihre Elf für Turin auf.

Von Andreas Lehner

Pogba, Barzagli, Bonucci, Khedira, Mandzukic, Morata. Pep Guardiola hat einige Hirten aufgezählt bei Juventus, die dem FC Bayern im Kopfballspiel weh tun könnten. Ohne Jerome Boateng, Holger Badstuber und Javi Martinez hat Bayern in der Defensive an körperlicher Größe eingebüßt.

Natürlich wird Bayern in Turin nicht tief in der eigenen Hälfte, sondern wie gewohnt nach vorne verteidigen, aber vor allem im Juventus Stadium wird es zu einigen kniffligen Szenen im Bayern-Strafraum kommen. Sei es aus dem Spiel heraus oder nach Standards. Trotzdem glaube ich, dass Guardiola an seinem neuen Verteidigerduo Alaba/Kimmich festhalten wird.

Benatia ist nach seiner Verletzung zwar wieder im Training, war aber gegen Darmstadt nicht mal im Kader. Dann gleich gegen Juve in die Startelf? Ich denke nicht. Auch Tasci ist noch nicht bei 100 Prozent und hat gerade mal ein Spiel für Bayern bestritten. Dann gleich gegen Juve in die Startelf? Ich denke nicht.

Wenn Mandzukic fit wäre, hätte ich aufgrund seiner körperlichen Spielweise Bedenken. Aber die intelligenten, spielstarken sowie schnellen Alaba und Kimmich passen zum Turiner Sturmduo Morata/Dybala.

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Den Platz auf links übernimmt Bernat, auf rechts ist Lahm ohnehin unantastbar, wenn er nicht gerade im Mittelfeld gebraucht wird. Aber mit Alonso und Thiago hat Guardiola zwei Spieler fit, die das Spiel kontrollieren und mit ihren Pässen lenken können. Deshalb wird Lahm wohl rechts hinten bleiben. Die Frage, die für mich über allem steht ist: Wie viel Risiko will Guardiola gehen?

Seine Auswärtsbilanz in der Champions League ist durchwachsen, sehr oft hat er in erster Linie versucht, das Spiel des Gegners und dessen Konter zu kontrollieren. Die eigene offensive Durchschlagskraft hat dadurch etwas gelitten. Ich würde es daher nicht ausschließen, dass er in Turin auf einem zusätzlichen Mittelfeldspieler setzt. Hier käme Vidal ins Spiel, ansonsten muss er gegen seinen Ex-Klub auf die Bank.

Zumal man sich eigentlich nicht vorstellen kann, dass Guardiola Müller aktuell nicht in die erste Elf beruft, wobei er auch in Leverkusen zuerst zuschauen musste. Aber auch auf Robben wird Guardiola in einem solchen Spiel nicht verzichten wollen. Er hätte mit Costa dann schließlich zwei Spieler für das Eins-gegen-eins auf beiden Seiten. Und im Sturm führt derzeit an Robert Lewandowski ohnehin kein Weg vorbei.

Von Fatih Demireli

Ich habe Juventus zuletzt ein paar Mal spielen sehen. Es ist definitiv kein Gegner, um irgendwelchen Experimenten nachzugehen oder in Abenteuer zu flüchten. Dafür ist Juventus individuell, aber auch vor allem auch in der Gesamtheit viel zu stark. Aber das wird jetzt die wenigsten überraschen.

Daher bin ich dafür, möglichst jeden Akteur auf seiner Stammposition spielen zu lassen. Das gilt vor allem für die Abwehrreihe, bei der ich mich für eine Viererkette mit zwei gelernten Innenverteidigern entscheiden würde. Natürlich muss abgewartet werden, inwiefern der Fitnesszustand von Medhi Benatia und Serdar Tasci ausreicht, um auf Champions-League-Niveau - und gerade gegen eine intakte Mannschaft wie Juventus - zu bestehen.

Aber Pep war noch nie ein Verfechter langer Anläufe für seine Rückkehrer. Warum also jetzt anders agieren? Zudem sind beide Spieler im Kopfballspiel außerordentlich wichtig, was gegen Juventus das Zünglein an der Waage sein könnte. Das spricht dann auch gegen Joshua Kimmich.

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Im Mittelfeld gibt es für mich zwei Figuren, die auf jeden Fall nicht fehlen dürfen. Das ist zum einen Xabi Alonso, den Pep als Dreh- und Angelpunkt gegen das Prunkstück des Gegners braucht. Juventus hat massive Qualität im Zentrum. Um dagegenhalten zu können, ist die Übersicht, die Gabe, wichtige Entscheidungen zu treffen und den Takt vorzugeben, eines Xabi Alonso unabdingbar. Deshalb ist auch Thiago gesetzt. Mit seiner Ball- und Passsicherheit wird er eine wichtige Rolle einnehmen, um in Personalunion mit seinen Kollegen Juventus im Zentrum zu dechiffrieren.

Es mag überraschend sein, dass ich daneben Thomas Müller nominiert habe. Aber Müller ist bekanntermaßen der Raumdeuter, er versteht es wie kein anderer sich im offensiven Raum zu bewegen und in Gefahrensituationen zu gelangen. Müller kennt die Position, hat sie in dieser Saison schon ein paar Mal gespielt. Auf den Außenpositionen sowie im Sturm dürfte es keine Überraschungen geben, auch wenn Franck Ribery und Mario Götze wieder im Kader stehen werden.

Ich sehe die Bayern gerne im 4-1-4-1 und für mich ist es die ideale Formation, um gegen Juventus zu bestehen. Der Italiener sind zu schlagen, wenn man sie im Zentrum erwischt. Gelingt dies nicht, könnte den Bayern eine böse Überraschung drohen.

Von Thomas Gaber

Die große Gefahr für den FC Bayern besteht auf der rechten Abwehrseite. Juves linke Seite mit Patrice Evra, Paul Pogba und Alvaro Morata, der gerne auf den Flügel ausweicht, um dort Diagonalbälle festzumachen, ist schwer zu verteidigen. Diesbezüglich würde eine Viererkette Sinn machen, weil die Alte Dame generell gerne über die Außenpositionen angreift.

Dennoch plädiere ich für eine Dreierkette. Zum einen passt sie besser zur erwarteten Doppelspitze Morata/Dybala, zum anderen verspricht sie durch den zusätzlichen Mann im Mittelfeld noch mehr Spielkontrolle. Die Bayern sollten Juve früh den Zahn ziehen, indem sie das Zentrum beherrschen und totale Ballkontrolle ausüben.

Gegen Juve ist die Präsenz eines echten Innenverteidigers eigentlich unabdingbar. Doch es ist schlicht und ergreifend keiner richtig fit. Es ist schwer vorstellbar, dass Pep Guardiola Medhi Benatia ins kalte Wasser werfen wird. Der Marokkaner stand gegen Darmstadt nicht im Kader. Serdar Tasci konnte bei seinem Bayern-Debüt nicht überzeugen, er sprach selbst von fehlender Spielpraxis.

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Die Lösung könnte Arturo Vidal heißen. Der Chilene brennt auf den Einsatz gegen seine Ex-Kollegen, egal auf welcher Position. Vidal ist enorm kopfballstark und körperlich robust. Für die Bayern spielte Vidal in der Hinrunde in Hoffenheim bereits einmal in der Dreierkette. David Alaba ist ohnehin gesetzt, dazu kommt Joshua Kimmich, der sich in den letzten Bundesligaspielen bewährt hat und wichtig ist durch seine Sicherheit im Aufbauspiel.

Der zusätzliche Mann im Mittelfeld heißt Philipp Lahm. Er soll zusammen mit Xabi Alonso und Thiago das Zentrum beherrschen. Arturo Vidal sehe ich körperlich noch nicht auf dem Niveau, um gegen seine Ex-Kollegen voll dagegen halten zu können. Alonso kann sich situationsbedingt auch als zusätzlicher Innenverteidiger nach hinten fallen lassen.

Auf den offensiven Positionen gibt es für mich keinen großen personellen Spielraum. Müller und Lewandowski sind klar gesetzt. Douglas Costa ist mit seinen Dribblings in der Lage, Barzagli, Bonucci und Chiellini mit seinen Dribblings gehörig auf die Nerven zu gehen. Zudem ziehe ich Arjen Robben Kingsley Coman vor. Robben ist physisch wieder nahe 100 Prozent und kommt immer besser in Schwung. Er kann im Eins-gegen-Eins ebenfalls punkten und hat auf diesem Niveau deutlich mehr Erfahrung als Coman. Mit Franck Ribery hat Guardiola eine weitere Waffe als Joker auf der Hand.

Von Benedikt Treuer

Egal ob Dreier- oder Viererkette, seit dem Boateng-Ausfall gab es genau zwei Spieler, die in jedem Bayern-Pflichtspiel von Beginn an in der Abwehrreihe standen: Joshua Kimmich und David Alaba. Und da diese beiden Spieler stets zu den Besten gehörten und Zeit hatten, sich auf die aktuellen Gegebenheiten einzustellen, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Guardiola irgendwas daran ändert.

Mit Juve kommt auf die FCB-Defensive eine große Durchschlagskraft und auch eine gewisse Härte zu, diese Physis unterscheidet den italienischen Meister aber nicht grundlegend von den letzten Bundesliga-Gegnern. Denn auch Darmstadt, Augsburg oder Leverkusen verfügen über stämmige, großgewachsene Kopfballspieler - und wirkliche Probleme hatte Bayern damit nicht, da man bei aller personeller Veränderung weiterhin hoch und offensiv verteidigte und den Gegner somit nur selten in Tornähe kommen ließ.

Juves Offensiv-Gefahr gründet mittlerweile vielmehr auf der spielerischen Klasse, Agilität und technischen Beschlagenheit von Dybala, Pogba, Cuadrado oder eines Alex Sandro. Gegen sie sehe ich es nicht einmal als Nachteil an, die wendigen Kimmich, Alaba und auf Außen Bernat und Lahm aufbieten zu können. Im Eins-gegen-eins am Boden beziehungsweise bei Kontersituationen sind sie durch ihre Dynamik sogar die deutlich undankbareren Gegenspieler.

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Eine mindestens genauso wichtige Rolle kommt im Bayern-Spiel aber der Mittelfeld-Zentrale zu. Denn hier wird entschieden, wie viele Bälle letzten Endes wirklich bei Morata landen. Marchisio und Khedira sind die Schlüsselspieler, denen der FCB gegen den Ball auf dem Fuß stehen muss. Und Vidal wird bei seiner Rückkehr an die alte Wirkungsstätte darauf brennen, genau das zu tun. Die Kombination mit Alonso könnte allein durch die Erfahrung und das Spielverständnis gewinnbringend sein - wenn Vidal nicht überdreht. SPOX

Das fordert ein Opfer in der Offensive - und trotz all des Hypes vom Wochenende könnte das überraschend Thomas Müller sein. Costa und Robben sind auf den Außen gesetzt und durch ihre Dribbel-Stärke und Torgefahr ganz wichtige Spieler, Lewandowski steht ohnehin nicht zur Disposition. Bleibt nur die Position hinter dem Polen und für die hat Pep Thiago. Kein Spieler im Bayern-Kader hat eine so sichere Ballbehandlung wie der Spanier, Pep wird ihm wohl auch gegen Juve die Rolle des kreativen Verteilers zukommen lassen.

In einem Spiel, in dem es lange 0:0 stehen könnte, hat Pep damit noch brutale Asse im Ärmel. Müller und Ribery von der Bank bringen zu können, ist mehr als nur Luxus - und könnte in der Schlussphase für den Lucky Punch sorgen.