"Das ist Geschichtsverfälschung"

Andreas LehnerThomas Gaber
13. April 201613:34
Pep Guardiola strebt mit dem FC Bayern München seinen dritten Champions-League-Titel angetty
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Der FC Bayern tanzt weiter auf drei Hochzeiten. Heute abend können die Münchner bei SL Benfica (20.45 Uhr im LIVETICKER) ihr fünftes Champions-League-Halbfinale in Folge erreichen. Doch ist die Mannschaft von Pep Guardiola auch bereit fürs Triple? Zwei Redakteure diskutieren Pro und Contra im SPOX-Kopfballpendel.

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Von Andreas Lehner

Sieben Punkte Vorsprung in der Liga, ein Pokalhalbfinale zuhause gegen Werder Bremen und ein 1:0-Hinspielsieg vor dem Rückspiel in Lissabon: die Ausgangslage fürs Triple ist auf jeden Fall günstig. Ob es soweit kommt, hängt in den K.o.-Spielen von Kleinigkeiten ab. Aber Bayern kann für mich jede Mannschaft schlagen, also sind auch alle drei Titel möglich.

Natürlich ging die Spiele der letzten Wochen nicht ganz einfach von der Hand, aber trotzdem die Siege einzufahren und Borussia Dortmund in der Liga so auf Abstand zu halten, ist ebenso eine Qualität.

Matthias Sammer hat ja ein, zwei fehlende Prozent ausgemacht, die absolute Begeisterung habe gefehlt. Ich finde, dass die Bayern mit dem negativen Druck gespielt haben, etwas verlieren zu können. Sie müssen wieder dahin kommen, mit dem positiven Druck, etwas gewinnen zu können aufzutreten.

Der letzte Spieltag in der Bundesliga könnte dabei zum Schlüssel werden. Der größere Vorsprung gibt etwas Sicherheit, die Meisterschaft winkt - und damit auch das intern größte selbstgesteckte Ziel. Mit diesem in Reichweite lassen sich die restlichen Aufgaben leichter angehen.

Bayern wird in Lissabon weiterkommen, keine Zweifel. Auch gegen Bremen sichern sich die Münchner das Finalticket für Berlin und dann braucht es die Tagesform, gesundes Personal und die Mentalität in den entscheidenden Spielen. Wenn Boateng und Robben bis dahin fit sind, stehen die Bayern blendend da. Und man darf auch nicht vergessen, dass die Konkurrenten aus Madrid, Barcelona oder Dortmund auch nicht gerade am Maximum spielen. Warum sollte Bayern als das Triple nicht zuzutrauen sein?

Pep Guardiola und sein Team müssen ja immer den Vergleich mit der Triple-Mannschaft Jupp Heynckes' aushalten. Aber wer meint, die Bayern wären in der Saison 2012/13 nur so durchgerauscht, betreibt Geschichtsverfälschung. Im Achtelfinale gegen Arsenal wäre trotz eines 3:1-Hinspielsiegs fast Schluss gewesen. Auch das Finale war ein Spiel auf Spitz und Knopf.

Und in der Liga gab es neben der üblichen Watschn für den HSV (9:2) auch sehr zähe Angelegenheit wie ein kurz vor Schluss durch Boateng gesicherter 3:2-Heimsieg gegen Fortuna Düsseldorf, 1:0 in Hoffenheim oder das 1:0 in Frankfurt, das schließlich den frühesten Titel der Bundesligageschichte bedeutete.

Es gibt also durchaus Parallelen zwischen beiden Spielzeiten. Das muss nichts heißen, die etwas verhalteneren letzten Wochen sollten aber auch kein Ausschlusskriterium sein. Denn wie hat Jürgen Klopp so schön gesagt: "It's not a wish concert!"

Von Thomas Gaber

Das 3:1 beim VfB Stuttgart erlebte Philipp Lahm von der Bank aus. Schonung für die zu erwartende Hölle von Lissabon. So konnte sich der Kapitän von außen einen Eindruck machen vom aktuellen Leistungsvermögen des FC Bayern. Und der war nicht gerade positiv. "Wir müssen ins in mehreren Bereichen schnellstens verbessern", sagte Lahm dem kicker.

Lahm sprach die Probleme der Bayern in den letzten Wochen offen an: mangelnde Präzision im Passspiel, fehlende mentale Frische, zu wenig Galligkeit beim Gegenpressing. Lahm stellte gleichzeitig klar, dass das Jammern auf hohem Niveau sei. Angesichts der Ausgangslage in allen drei Wettbewerben kan es darüber auch keine zwei Meinungen geben.

Allerdings fehlt dem FC Bayern seit der Heimniederlage gegen Mainz 05 Anfang März jegliche Leichtigkeit im Spiel. Abgesehen vom 5:0 gegen Werder Bremen war kein überzeugender Auftritt mehr dabei. Die Bayern dominieren ihre Gegner immer mal wieder phasenweise, doch die Souveränität und Konstanz über 90 Minuten kann ich nicht erkennen.

In Turin spielten die Münchner die vielleicht beste erste Halbzeit in der Guardiola-Ära. Am Ende stand dennoch nur ein 2:2 infolge vermeidbarer individueller Fehler. Im Rückspiel wirkten die Bayern lange Zeit wie gelähmt; die ersten 65,70 Minuten waren mit das Schlechteste, was ich vom FC Bayern in K.o.-Spielen der Champions League jemals gesehen habe.

Und gegen Benfica konnten sie einen perfekten Start nicht zu einem Ergebnis ausbauen, das aus der Reise nach Lissabon einen gemütlichen Betriebsausflug gemacht hätte. Im Gegenteil: Ein offensiv biederes Benfica ließ zwei hundertprozentige Chancen aus, resultierend abermals aus individuellen Fehlern im Münchner Abwehrverbund.

In meinen Augen haben einige Spieler, die sonst zuverlässige Leistungen in Serie abliefern, keine Topform: David Alaba, Thiago, Thomas Müller, um nur ein paar zu nennen. Das kann sich ein Triple-Anwärter in den entscheidenden sechs Wochen nicht erlauben. Zudem fehlen mit Jerome Boateng und Arjen Robben zwei eminent wichtige Säulen wohl noch mindestens ein, zwei Wochen.

Weder Real Madrid noch Manchester City haben mich Dienstagabend vom Hocker gerissen. Doch für mich bleibt der FC Barcelona der große Favorit auf den Champions-League-Titel. Daran ändern die letzten zwei, drei schwächeren Spiele nichts. Barca leistet sich halt eine kleine Schwächeperiode, die der Bayern dauert dagegen schon ein paar Wochen an.

Natürlich kann der Turnaround noch kommen, dafür ist in allen Bereichen zu viel Qualität vorhanden. Aber ich traue es Pep Guardiola nicht zu, die Mannschaft so hinzubekommen, dass er den Heynckes macht und sich sich mit dem Triple Richtung Manchester verabschiedet. Die von Lahm angesprochenen Probleme sind zusammen mit den Formschwankungen wichtiger Spieler und der Ungewissheit über den Genesungsprozess von Boateng und Robben für mich ein paar Baustellen zu viel.

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