Jung, unerfahren, Königsklasse

SPOX
13. September 201615:15
Benfica, Celtic und Olympique Lyon haben heiße Talente im Teamspox
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Talentförderung in der Königsklasse? Eigentlich nicht das erste Ziel in der Champions League, doch mancher Youngster zwingt seinen Trainer förmlich zu Einsatzminuten. SPOX stellt acht Spieler mit großem Potenzial vor.

Sardar Azmoun (FK Rostov, Mittelstürmer, Iran, Jahrgang 1995)

Wer ist er denn nun? Der iranische Messi oder doch eher der neue Ali Daei? Wenn es nach Sardar Azmoun geht, ist er einfach nur Sardar Azmoun. Wobei 'einfach nur' hier schnell gesagt ist, ist er doch mit 21 Jahren schon Champions-League-Spieler, Nationalspieler und vor allem Hoffnungsträger einer ganzen Nation.

15 Tore hat er in 20 Länderspielen schon erzielt, womit die Frage nach den Fähigkeiten des Stürmers schon beantwortet wäre. Azmoun hat einen selten dagewesenen Torriecher, ein gutes Stellungsspiel und auch unter Druck einen eiskalten Abschluss. "Er hat alles, um auf höchstem Level erfolgreich zu sein", lobte ihn Nationaltrainer Carlos Queiroz 2015 und wird sich freuen, seinen Schützling nun in der Champions League beobachten zu dürfen.

Dort hinterließ Azmoun in der Quali direkt ein Statement und netzte sowohl gegen den RSC Anderlecht als auch gegen Ajax Amsterdam. Kein Wunder also, dass mancher Verein Scouts auf den Iraner angesetzt hat. Liverpool, Schalke, Leverkusen und Marseille sollen unter anderem Informationen sammeln.

Einfacher dürfte das durch die Spiele in der Königsklasse nur bedingt fallen. Rostov ist klarer Underdog, viele Torchancen werden die Russen sich nicht erarbeiten. Doch gerade dann sind die Qualitäten Azmouns gefragt - und eine bessere Selbstbeherrschung. Gegen Ural sah er am 2. Spieltag der Premier Liga Rot, nachdem er sich zu einer Tätlichkeit hatte hinreißen lassen.

Maxwel Cornet (Olympique Lyon, Linksaußen, Frankreich, Jahrgang 1996)

Mitten im heißen Transfersommer vermeldete Olympique Lyon die Vertragsverlängerung mit Maxwel Cornet bis 2021 wie ein Statement an die Konkurrenz. Für keine Million im Januar 2015 vom FC Metz gekommen, hat sich der schnelle Linksaußen inzwischen zu einem der größten Talente Frankreichs gemausert.

39 Einsätze sammelte er in der abgelaufenen Saison und erzielte dabei acht Tore. Blitzschnell kommt er von der rechten Seite aus nach innen und sucht meist selbst den Abschluss. Dabei überzeugt Cornet mit einem sehr guten ersten Kontakt, der ihm meist schon einige Meter Vorsprung einbringt.

Als Linksfuß ändert er seine Spielweise auf der linken Seite etwas, flankt mehr oder kommt erst nach Doppelpässen in den Abschlussbereich. So oder so: Cornet ist ein Spieler, der gerne mit etwas Platz aus der Tiefe kommt und seinen Gegner mit Tempo überrumpelt. Das sollte mit Lyon in der Champions League gut klappen.

Ex-Trainer Nicolas Gonfalone zog gegenüber Goal.com Parallelen zu Ousmane Dembele. Mit einem feinen Unterschied: "Maxwel ist kräftiger. Er ist stark genug, in Tempoläufen nicht aus der Balance gebracht zu werden, wenn er berührt wird."

Amadou Diawara (SSC Neapel, Def. Mittelfeld, Guinea, Jahrgang 1997)

Keine 20 Jahre alt und schon 15 Millionen Euro wert. Amadou Diawara lernte, etwas untypisch, in San Marino das Kicken, ehe es ihn nach Bologna zog. Dort überzeugte der defensive Mittelfeldspieler und wurde trotz junger Jahre zum Stammspieler in der Serie A.

34 Einsätze in der Saison 15/16 reichten Neapel als Bewerbungsschreiben aus, um 14,5 Millionen Euro zu bieten und damit den Zuschlag zu erhalten. Der fünfte U20-Spieler, der im Transfersommer 2016 die 10-Millionen-Marke sprengte und das völlig zurecht, wie Ex-Trainer Roberto Donadoni meint: "Wenn man so gut ist, dann ist das Alter nicht wichtig."

Man denkt unweigerlich an Julian Weigl, wenn man Diawara spielen sieht. Er hält sich zentral vor der Abwehr, hilft dabei, das Spiel zu verlagern, ist nahezu immer anspielbar und kann dem Mittelfeld im Alleingang zu einer brauchbaren Struktur verhelfen.

Die Qualität als Balleroberer kommt dabei dank starker Physis und Spielintelligenz nicht zu kurz, womit er trotz wechselnder Trainern immer einen Platz in der ersten Elf fand.

Was dann aber so gar nicht zum Vergleich mit Dortmunds Weigl passt, sind die doch recht häufigen technischen Unsauberkeiten - und dass er seinen Wechsel erzwang, indem er das Training in Bologna ausfallen ließ.

Goncalo Guedes (SL Benfica, Stürmer, Portugal, Jahrgang 1996)

Einen Wechsel erzwingen? Nichts würde Goncalo Guedes wohl weniger liegen als das. Noch nie hat der 19-Jährige für ein anderes Team als Benfica seine Schuhe geschnürt, seit er sich dazu entschied, es als Profi zu versuchen. Sein Weg führte ihn von der Jugend in die U17, in die U19, in das B-Team und 2015 schließlich in die erste Mannschaft der Portugiesen.

Der unterschriebene Profivertrag definierte direkt die Wertschätzung, die er sich verdient hat. 60 Millionen Euro und keinen Cent weniger will Benfica sehen, wenn ein Verein in Verhandlungen mit Guedes treten will. Vertrauen, das er in 36 Spielen der vergangenen Saison zurückzahlen konnte.

Guedes agiert als Stürmer sehr beweglich, sucht stets nach freien Räumen und ist so weniger vor dem Tor zu finden als manch anderer Spieler auf seiner Position. Durch Schnelligkeit und Fertigkeit am Ball wurden schnell Vergleiche zu CR7 laut, die aber nur bedingt zutreffen.

Definitv vergleichbar ist allerdings der große Ehrgeiz. Guedes ließ sich in Jugendzeiten jeden Tag von seinen Eltern 200 Kilometer zum Training und zurück fahren. Sein Vater scherzt: "Wir haben drei oder vier Autos in dieser Zeit gehabt. Wir sind fast 60.000 Kilometer im Jahr gefahren. Dafür wollte er aber sonst immer nur einen Ball zum Spielen."

Thomas Lemar (AS Monaco, Off. Mittelfeld, Frankreich, Jahrgang 1995)

Einfach hat man es als werdender Profi bestimmt nicht. Aus der Flut von Talenten hervorzustechen, gelingt entweder mit herausragenden Qualitäten oder oft über hohe Flexibilität, die einem zumindest einen Kaderplatz einbringt, von dem aus Einsätze gesammelt werden können.

Thomas Lemar hat beides. "Er kann alles spielen, vom Mittelstürmer mal abgesehen", schwärmte Ex-Monaco-Verteidiger Eric Di Meco. Tatsächlich sammelte Lemar in seiner ersten Saison im Fürstentum Erfahrung auf nahezu allen offensiven Positionen im Mittelfeld. Egal ob zentral, links oder rechts, der junge Franzose lieferte ab.

So verwunderte es nicht weiter, dass sich bald Gerüchte um den FC Bayern rankten. Im Sommer bestätigten sich diese noch nicht. Vielleicht auch aufgrund der großen Schwäche des 20-Jährigen. "Er muss lernen, dass Talent nicht alles ist", forderte Xavier Gravelaine, Präsident von Ex-Klub SM Caen.

Dann aber könne er "so gut sein, wie er" wolle. Und mancher Mitspieler ist sich jetzt schon sicher, dass er durchaus etwas auf dem Kasten hat. "Sein linker Fuß ist der Wahnsinn. Er ist wie eine Hand, er bekommt den Ball genau da hin, wo er ihn hin haben möchte."

Gelson Martins (Sporting Club, Rechtsaußen, Portugal, Jahrgang 1995)

Was Guedes für Benfica ist, ist Gelson Martins für Sporting. Ein Eigengewächs, ausgezeichnet mit großer Explosivität, technisch beschlagen und mit einer Ausstiegsklausel von 60 Millionen Euro an den Klub gebunden. Doch wo bei Guedes noch nicht viele Vergleiche zu Ronaldo zu ziehen waren, sieht das bei Martins schon anders aus.

Der 21-Jährige sucht aus vielen Positionen mit einem satten Distanzschuss das Tor, setzt seinen Körper nur selten ein, sondern geht eher mit Tempo an der Seitenlinie entlang, um dann plötzlich abzubremsen, Täuschungen und Richtungswechsel einzubauen und wieder zu beschleunigen.

"Ich bin bereit, zu arbeiten und das Maximum zu geben", freute er sich erst kürzlich über Lob von Trainer Jorge Jesus. Hoch verdientes Lob, das Martins sonst nur selten erhält. Im Sporting-Kader stehen andere Spieler, die momentan für mehr Aufsehen sorgen, renovierte der Klub doch im Sommer die gesamte Offensive.

Es spielt und trifft allerdings immer noch Martins. So etwa beim 2:1-Sieg über den FC Porto am 3. Spieltag. Da sieht man auch über die rechte Eindimensionalität in seinem Angriffsspiel hinweg. Ein Spieler für enge Räume wird aus Martins wohl trotz aller Arbeit nicht mehr.

Bart Ramselaar (PSV Eindhoven, Off. Mittelfeld, Niederlande, Jahrgang 1996)

Der klassische Zehner ist ja angeblich tot. Beweismittel #1: Bart Ramselaar. Der Niederländer spielte beim FC Utrecht zwar hinter der einzigen Spitze, interpretierte diese Rolle aber so gänzlich anders als seine positionellen Vorfahren.

Kein Spiel gestalten, keine kreativen Bälle durch die gestaffelte Defensive, vielmehr ist Ramselaar selbst sehr umtriebig, viel im und um den Strafraum zu finden, startet Läufe aus dem Mittelfeld heraus und geht weite Wege mit Ball am Fuß. "Isco ist mein Vorbild", beschrieb er sich selbst.

Die PSV schlug in diesem Sommer für gut sechs Millionen Euro zu, nachdem man am ersten Spieltag selbst 73 Minuten lang die offensiven Qualitäten des 20-Jährigen zu spüren bekam und mit 1:2 verlor.

Beim Meister wird Ramselaar wohl noch einige Zeit brauchen, um sich einzufinden, dann ist er aber eine Waffe, die, wenn richtig eingesetzt, ihren Beitrag zum nächsten Titel leisten kann. Allerdings wohl nicht auf der Zehn, sondern eher auf dem Flügel. Dort sind die Fähigkeiten des U-Nationalspielers nicht minder gut aufgehoben.

Mit Einsätzen in der Champions League könnte es dann vielleicht auch endlich etwas werden mit der Nationalmannschaft. In diese wurde er im Mai 2016 zum ersten Mal eingeladen, verletzungsbedingt ist es aber bis heute noch zu keinem Einsatz gekommen.

Patrick Roberts (Celtic Glasgow, Rechtsaußen, England, Jahrgang 1997)

"Er ist der beste Spieler am Ball, aber der schlechteste im Training", witzelte Kristoffer Ajer kürzlich über Celtic-Neuzugang Patrick Roberts. Der junge Engländer wurde von Manchester City ausgeliehen und auch wenn Ajer wohl nicht vorhatte, ihn öffentlich anzuprangern, dürfte sich doch mancher Citizen seine Worte genau gemerkt haben.

Roberts ist unglaublich talentiert. Da ist sich bisher jeder einig, der mit ihm zusammengearbeitet hat. Egal ob Pep Guardiola, Manuel Pellegrini oder gar Luis Enrique, der ihn nur wenige Minuten in einem Testspiel gegen den FC Barcelona beobachtete. "Eine große Zukunft", sieht der Asturier nicht als einziger kommen.

Im Februar 2016 zog es Roberts für die nächsten 18 Monate nach Glasgow: "Ich habe hier einen Job zu erledigen." Primär dürfte das aus City-Sicht das Dazulernen sein. Roberts brachte sich aber auch gleich mit sechs Toren ein und lieferte in der diesjährigen CL-Quali drei Torbeteiligungen.

Nun geht es in der Königsklasse gegen seinen eigentlichen Verein. "Als ich hierher kam, stellte mein Vater eine Bedingung: Wenn Celtic gegen City spielen sollte, dann spiele ich. Sie haben das abgenickt", freut sich Roberts. Der Rechtsaußen dürfte seinen baldigen Trainer Guardiola vor manche Aufgabe stellen, ist er doch extrem dribbelstark über den Flügel.

Mit vielen kleinen, schnellen Ballberührungen, einem niedrigen Körperschwerpunkt und inverser Spielweise auf den starken linken Fuß wirkt er tatsächlich etwas wie Lionel Messi. Allerdings gehen ihm zum Argentinier noch die spielmacherischen Fähigkeiten ab - abspielen zählt nicht zu den Stärken des jungen Engländers.