Persischer Funke im Galopp

Serdar Azmoun ist der Star bei Bayern-Gruppengegner Rostov
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Auch wenn Bayern-Gegner FK Rostov in der Champions League keine Chancen mehr aufs Weiterkommen hat (18 Uhr im LIVETICKER), weiß ein Spieler bei den Russen durchaus zu gefallen: Sardar Azmoun. Der 21-jährige Iraner wird seit Jahren als legitimer Nachfolger von Ali Daei gehandelt und soll dem Fußball in der Heimat aus der Sackgasse helfen. SPOX stellt den begeisterten Pferdezüchter vor, der als Zukunft des asiatischen Fußballs gilt.

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75 Millionen Einwohner, die zweitstärkste Fußball-Liga des asiatischen Kontinents, drei Asienmeisterschaften, vier WM-Teilnahmen und eine Futsal-Nationalmannschaft, die bei der letzten Weltmeisterschaft sogar Brasilien und Portugal besiegen konnte.

Und während der nationale Rekordchampion Persepolis FC bei jedem Heimspiel rund 60.000 Fans ins Stadion lockt, blicken Ali Daei, Mehdi Mahdavikia sowie Vahid Hashemian auf erfolgreiche Bundesliga-Karrieren zurück. Kurzum: Auf den ersten Blick wirkt der Iran nicht unbedingt wie ein Fußball-Entwicklungsland.

Iran in der Sackgasse

In Europa denken allerdings nur wenige Fußballfans an den Iran, wenn es um eine asiatische Fußballnation geht. Es gibt Japan und Südkorea, seit einigen Jahren noch die Australier. Der Iran? Irgendwie verloren zwischen den Erfolgen der 1970er, drei Asienmeisterschaften und vier WM-Teilnahmen.

Trotz der großen Fußballbegeisterung im Land befindet sich 'Team Melli' (persisch: Das Nationalteam) in einer internationalen Grauzone: Der Iran ist weder Fußball-Zwerg noch ein kommender Riese - seit Jahren wartet das Land auf einen internationalen Titel. Spätestens nach der Ära 'Ali Daei' gerieten die Kicker vom Persischen Golf in eine sportliche Sackgasse.

Und dann kam Azmoun

Die Gründe für diese Stagnation sind tiefgreifend. Junge Talente kommen in der Persian Gulf Pro League traditionell nur selten zum Zug, während hohe Gehälter das Fernweh lindern und somit den Export von talentierten Kickern zumeist verhindern. Darüber hinaus erschwert die politische Isolation seit fast 40 Jahren den Wissenstransfer mit der übrigen Fußballwelt.

Lange suchte der Iranische Fußball nach einem Ausweg aus der Stagnation, nach einem neuen Anschub, einem Funken, er suchte nach Sardar Azmoun.

Es war 2012, als der turkmenische Fußballfunktionär Ivan Daniliant auf einen knapp 1,80 Meter großen Teenager aufmerksam wurde, der gegnerische Abwehrspieler reihenweise schwindelig spielte. Azmoun, selbst einer turkmenischen Minderheit im Iran angehörig, brillierte zu diesem Zeitpunkt als 17-Jähriger im U20-Team des Iran und durfte bereits zahlreiche Auszeichnungen des Iranischen und Asiatischen Fußballverbands in den Händen halten.

Ein turkmenischer Pferdenarr

Daniliants arbeitete damals für Rubin Kazan und berichtete Trainer und Landsmann Kurban Berdiyev von seiner Entdeckung. Die gemeinsame Sprache, der gemeinsame kulturelle Background und das Versprechen auf Einsatzzeit überzeugten den introvertierten Teenager 2013 schließlich von einem Wechsel. Allerdings fast genauso wichtig war die Möglichkeit, weiterhin seinem liebsten Hobby nachgehen zu können: dem Pferdesport.

"Azmoun ist ein großer Freund des Pferderennsports und besitzt selbst sechs Tiere. Auch einige Preise haben seine Pferde bereits gewonnen. In der tatarischen Hauptstadt fand er dadurch sofort Anschluss", erklärt Masoud Hossein im Gespräch mit SPOX, der Azmouns Weg für die Tehran Times von Anfang an begleitete. In der turkmenischen Kultur spielen Pferde eine ebenso zentrale Rolle wie in der tatarischen.

Berdiyev der Ziehvater

Auch auf dem Platz hatte der Iraner in der russischen Millionenstadt keine Eingewöhnungsprobleme. Rasch ging es für das Talent über die zweite Mannschaft in den Profikader. In der zweiten Hälfte der Saison 2013/14 war der Angreifer der ersten Elf bereits ganz nah. Hauptverantwortlich dafür: Coach Berdiyev, der Kazan 2008 und 2009 zur Meisterschaft führte.

Der strenggläubige Muslim, der immer mit Gebetskette auf der Trainerbank sitzt, gilt als großer Förderer junger Talente und übernahm mit der Zeit eine fast väterliche Rolle für den aufstrebenden Youngster: "Er steht mir sehr nahe. Gleichzeitig bin ich zu ihm strenger als zu den anderen Jungs. Sein Vater hat mir diese Erlaubnis höchst persönlich erteilt. Er besitzt großes Potenzial, hat aber noch nichts erreicht. Dass er jetzt schon so hoch gelobt wird, ist nicht förderlich für ihn. "

Fußballverrückte Heimat

Aus diesem Grund folgte Azmoun seinem Ziehvater auch nach Rostov - als dieser eine neue Herausforderung in der südrussischen Provinz annahm und dort sogleich eine schlagkräftige Truppe zusammenstellte, die letzte Saison nur knapp die russische Meisterschaft verpasste. Durch den Wechsel konnte Sardar seiner Familie wieder ganz nah sein, die aus der nordiranischen Stadt Gonbad-e Kavus nach Russland zog. In Gonbad-e Kavus war Papa und Berater Khalil - selbst ein erfolgreicher Sportler - zuvor jahrelang als Volleyball-Trainer tätig gewesen.

Und nicht nur im Norden des Landes schwärmen alle von ihrem neuen Fußballhelden: "Die Iraner sind extrem fußballverrückt und verfolgen seit Jahren jedes seiner Spiele. Jeder hofft, dass Sardar eines Tages in die Fußstapfen von Ali Daei tritt", beschreibt Hossein die Hoffnungen der iranischen Fußballfans.

Der Nachfolger des Kopfballungeheuers?

Als Spielertyp ist Azmoun jedoch nur bedingt mit dem legendären Kopfballungeheuer zu vergleichen. Trotz seiner 1,86 Meter verfügt der 21-Jährige über eine extrem enge Ballführung, liebt das Eins-gegen-Eins und lässt sich inzwischen vermehrt bis ins Mittelfeld fallen, um Angriffe mit einzuleiten.

Vor allem von Vorbild Zlatan Ibrahimovic scheint er sich dabei einiges abgeschaut zu haben. Größtes Defizit ist derzeit noch sein Gewicht. Weniger als 80 Kilogramm bringt der beidfüßige Stürmer auf die Waage, weshalb er im Sprintduell mit physisch starken Abwehrspielern häufig das Nachsehen hat.

Für die fehlenden Kilo quält sich Azmoun regelmäßig im Fitnessraum, um seinem großen Ziel ein Stück näher zu kommen: "Sardar wird bald den nächsten Schritt gehen. Gerne würde er in die Premier League wechseln", weiß Hossein: "Bereits in der letzten Saison war Arsenal an ihm dran und zahlreiche Zeitungen auf der Insel schwärmten vom 'Iranischen Messi'."

In Europa der 'Iranische Messi', heißt Azmoun im Iran aufgrund seiner leichtgewichtigen Erscheinung und seines Wuschelkopfs, die an einen jungen Straßendieb erinnern soll, schlicht 'Ali Baba'.

Gezieltes Minuten-Management

Spätestens nach seinen starken Auftritten in der diesjährigen Champions-League-Runde ist 'Ali Baba' die gewünschte Aufmerksamkeit der europäischen Eliteklubs sicher. In der russischen Liga ist Azmoun unter Entdecker Ivan Danilianţ, der kurioserweise Kumpel Kurban Berdiyev als Trainer ablöste, damit dieser ins Management wechseln konnte, dagegen nicht immer erste Wahl.

Das ist jedoch weniger ein Zeichen von fehlendem Vertrauen. Viel mehr will man das große Talent behutsam weiterentwickeln. Diese Maßnahme griff bereits in der vergangenen Saison: Mit fast der Hälfte an Spielminuten gegenüber der Konkurrenz landete Azmoun mit neun Treffern und drei Vorlagen auf Platz fünf bei der Wahl zum Spieler des Jahres in der russischen Premier Liga.

Wechseltheater im Sommer

Sein Standing im Team belegt alleine das Wechseltheater, auf das sich Rostov im Sommer einließ. Bis zu dieser Saison war Azmoun von Rubin Kazan nur ausgeliehen und sollte nach seiner starken Saison nach Kasan zurückkehren. Rostov zog - auch auf Bitten des Spielers - die verhältnismäßig günstige Kaufoption von nur 2,3 Millionen Euro, der sich Kazan jedoch widersetzte.

Es zog sich ein erbitterter Rechtsstreit durch den Sommer, der beide Parteien über die FIFA bis vor den Internationalen Sportgerichtshof (CAS) führte. Um zumindest für diese Saison für Klarheit zu sorgen, entschied der CAS zu Gunsten von Rostov, wobei eine finale Entscheidung erst kommenden Sommer erwartet wird.

Das Ziel: Tore für den Iran

Bis dahin sollte dann auch die WM-Endrunde für den Iran stehen, die für Azmoun von besonderem Wert ist: "Mein wichtigstes Ziel ist es, dem Iran zur WM-Teilnahme zu verhelfen und unsere Fans glücklich zu machen. Ich bin besonders stolz darauf, Tore für mein Land zu schießen", schwärmt der neue Heilsbringer, der eine völlig neue Fußballeuphorie in seinem Heimatland entfacht hat.

Acht Treffer (insgesamt: 22 Länderspiele/16 Tore) erzielte Azmoun in der WM-Qualifikation bisher und rangiert mit 'Team Melli' aktuell auf Platz eins der asiatischen Gruppe 2, noch vor Konkurrent Südkorea. Iran-Coach Carlos Queiroz, der als Entdecker von Luis Figo und Rui Costa gilt, prophezeit Azmoun nicht nur deshalb eine große Zukunft: "Er entwickelt sich stets weiter und ist unglaublich wissbegierig. Behält er seinen Arbeitseifer bei, könnte er bald nicht nur ein Aushängeschild des iranischen, sondern auch des asiatischen Fußballs werden. Er könnte der erste echte Fußball-Star aus Asien werden."

Sardar Azmoun in der Übersicht

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