Paris Saint-Germain ohne Neymar gegen Real: Panik vor der kleinen Apokalypse

David Kreisl
07. März 201809:19
Neymar wird Paris Saint-Germain bis zu drei Monate fehlengetty
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Schon wieder droht das Beinahe-Milliarden-Projekt Paris Saint-Germain zu scheitern: In der Champions League muss PSG einen 1:3-Rückstand gegen Real Madrid aufholen (20.45 Uhr im LIVETICKER). Und das ohne Neymar, der auf der Mission Königsklasse der Heilsbringer für das neue Paris hätte sein sollen - seinen neuen Klub aber ins Chaos gestürzt hat.

Neymar fällt lange aus. Neymar entscheidet sich für eine Operation. Neymar ist in Brasilien zur Operation eingetroffen. Neymar wurde erfolgreich operiert.

Ach ja: Neymars geheimer Vertrag mit Nike ist aufgetaucht.

Als Paris Saint-Germain und Besitzer Nasser Al-Khelaifi im Sommer des vergangenen Jahres diesen mit-spektakulärsten Transfer der Geschichte tätigten, da war es durchaus eingeplant, ja sogar erwünscht, dass die Welt redet. Dass sie nach Frankreich blickt, nach Paris, wo der teuerste Fußballer der Welt PSG endlich zu den Erfolgen verhelfen sollte, die dem Selbstverständnis der Pariser auch entsprechen.

Jetzt, da Paris schon wieder vor dem frühen Aus in der Champions League steht und ein Unruheherd nach dem anderen mit dem Namen Neymar darauf ausbricht, müssen sie in Paris die hässliche Seit der heraufbeschworenen Manie über sich ergehen lassen. Und das vor dem wichtigsten Spiel des Jahres

Paris St-Germains einziges Ziel ist die Champions League

Beinahe eine Milliarde Euro hat Al-Khelaifi seit 2011 in den Klub aus der Seine-Metropole investiert. Meisterschaften und Cup-Siege sind in einem großteils konkurrenzlosen Umfeld seitdem ein selbstverständliches Futter für den Briefkopf. Das große Ziel aber ist der Henkelpott.

Dafür hat der Geschäftsmann aus Katar neben Neymar auch noch Kylian Mbappe vom Rivalen AS Monaco gekauft. 400 Millionen Euro für zwei Spieler in einem Sommer. Doch erhob sich PSG nach einem fast schon perfekten Start in die Saison nicht zur neuen Macht im europäischen Fußball; aus dem neuen Favoriten in der Königsklasse wurde schnell nur der Neymar-Klub.

Das ist freilich nicht so schlecht, wenn der Brasilianer auf dem Platz steht, wie bislang 30 Mal in allen Wettbewerben in dieser Saison, in denen ihm herausragende 29 Tore und 19 Assists gelangen. Für dieses Spektakel haben sie ihn schließlich zum teuersten Kicker der Welt gemacht. Anders sieht es aber aus, wenn es nicht seine Zauberdribblings sind, die die Berichterstattung dominieren.

Die PSG-Bilanz seit 2011

SaisonLigue 1PokalLigapokalAbschneiden im Europacup
2011/20122.ViertelfinaleAchtelfinaleGruppenphase Europa League
2012/2013MeisterViertelfinaleViertelfinaleViertelfinale Champions League
2013/2014MeisterSechzehntelfinaleSiegerViertelfinale Champions League
2014/2015MeisterSiegerSiegerViertelfinale Champions League
2015/2016MeisterSiegerSiegerViertelfinale Champions League
2016/20172.SiegerSiegerAchtelfinale Champions League
2017/2018???Halbfinale gegen Caen (18.4.)Finalist gegen Monaco (31.3.)Achtelfinale Champions League

Neymar will angeblich weg - psychologische Kriegsführung aus Spanien?

Seit längerem nervt die Pariser das Gerücht, dass Neymar wieder wegwolle von PSG - zu Real Madrid. Ein Gerücht, dass sich hartnäckig hält, trotz aller Beteuerungen, dass "Neymar mit uns in die neue Saison gehen wird" (Sportdirektor Antero Henrique), und zwar "nicht hundert-, sondern zweitausendprozentig" (Al-Khelaifi).

In Frankreich vermuten sie die gezielte Streuung von Lügen, aus der Stadt, deren königlicher Fußballklub gerade so verwundbar ist wie lange nicht. Psychologische Kriegsführung vom größten Klub der Welt gegen den, der es gerne wäre. "Ich würde mich freuen, wenn Neymar nach Spanien zurückkehren würde", sagte Javier Tebas, Chef der spanischen Liga, ganz unverbindlich. "In unserer Liga müssen die Besten spielen, und Neymar gehört dazu."

Inwiefern die Gerüchte über Neymars Unzufriedenheit nun stimmen, darf genauso angezweifelt werden, wie weit sich der Trubel auf Paris' Fußball ausgewirkt hat. Fakt ist, dass ein zunächst starkes PSG im Hinspiel der Königsklasse in der Schlussphase das Spiel weggeworfen und damit - wieder einmal - die Saison und das ganze Konstrukt in Frage gestellt hat.

Und schon da, in dieser Nacht von Madrid, merkte man, wie sich Ernüchterung breitmachte. Ernüchterung und ein bisschen Panik vor dem Scheitern, was nicht das Ende aller Tage für die Blauroten wäre, angesichts der Investitionen und Erwartungen aber schon zumindest eine kleine Apokalypse. "Er", keifte Al Khelaifi danach Richtung Schiedsrichter Gianluca Rocchi, "hat Madrid geholfen".

Angel Di Maria soll Neymar gegen Real Madrid ersetzen

Die Aufgabe, das 1:3 gegen die Königlichen zu drehen, wäre ohnehin monumental genug. Jetzt muss diese ohne Neymar angegangen werden, der zwei bis drei Monate ausfallen wird und sich in Belo Horizonte an seinem Mittelfuß operieren ließ. In einem Krankenhaus, das zu einem Hochsicherheitstrakt mutierte; ein ganzer Flügel wurde gesperrt, Mitarbeiter durften keine Handys mit zur Arbeit bringen. Fast 9000 Kilometer liegen zwischen Paris und Belo Horizonte - und doch ist wieder Neymar, über den geschrieben und gesprochen wird.

"Schon wieder Neymar? Neymar hier, Neymar da, Neymar überall!", schimpfte deshalb Abwehrspieler Presnel Kimpembe kürzlich im Le Parisien. Der Rummel um den Brasilianer scheint auch die Mannschaft zu belasten, die, so behaupten französische Medien, ohnehin in Grüppchen aufgeteilt und keine wirkliche Einheit sei. "Ich weiß nicht mehr, was ich dazu sagen soll. Wenn er nicht spielt, dann spielt er halt nicht. Der Trainer wird andere Spieler aufstellen."

Dieser Trainer, Unai Emery, und seine ungewisse Zukunft sind selbst seit Monaten ein Unruhefaktor in Paris. Dass der Coach, dessen Rauswurf bei einem Ausscheiden spätestens im Sommer als klar gilt, Neymar gar noch für seine Operation kritisierte, milderte das Chaos bei PSG nicht. "Goncalo Guedes zum Beispiel", hatte Emery gesagt, "hat mit dieser Art der Verletzung gespielt, bevor er operiert wurde. Es war eine schwierige Situation, da eine Chance von zehn Prozent bestand, dass er gegen Real Madrid spielen kann".

Das Wichtigste sei jetzt eben "das Herz", gab sich der 46-Jährige am Tag vor dem Spiel pathetisch. Ersetzen soll Neymar Angel Di Maria, der als ehemaliger Madrilene mit "gefletschten Zähnen" in das Spiel gehen werde. Di Maria, der vor drei Jahren für 63 Millionen Euro nach Paris wechselte, als das noch viel Geld war.

"Mit der Verpflichtung von Angel die Maria", hatte Al-Khelaifi damals gesagt, "zeigt Paris Saint-Germain wieder einmal die Ambitionen des Klubs, den Gipfel des europäischen Fußballs zu erreichen".