Viele Zuschauer waren sich nach dem Abpfiff einig: Diese Mannschaft des FC Barcelona ist nicht von dieser Welt und man stellte sich die Frage, wer dieses Starensemble überhaupt aufhalten solle. Soeben hatten die Katalanen mit der AS Roma den ärgsten Widersacher in der Gruppe E mit 6:1 aus dem Camp Nou geschossen.
Eine Demütigung für den stolzen Klub. "Eine Nacht zum Vergessen", wie die Giallorossi selbst auf ihrer Vereinshomepage mitteilten. Dabei war nicht die Höhe des Barca-Sieges entscheidend, sondern die Art und Weise, wie dieser zustande gekommen war.
Das bezeugten auch die Aussagen der Roma-Akteure nach dem Spiel. Im Normalfall sind die Reaktionen seitens der Verlierer nach einer derartigen Vorführung über 90 Minuten meist geprägt von Selbstvorwürfen und beißender Kritik an der eigenen Herangehensweise.
FC Barcelona gegen AS Rom: "Es war lächerlich, wie gut sie waren."
Doch anstatt sich über die eigene Leistung zu echauffieren, überschütteten Spieler und Trainer der Roma den Gegner mit Lob und es wirkte fast so, als wollte man sich für die erteilte Lehrstunde gar noch bedanken. "Es war lächerlich, wie gut sie waren. So traurig es auch ist, mit 1:6 zu verlieren, aber das war einfach wundervoll anzuschauen", sagte mit Roms Torhüter Wojciech Szczesny ausgerechnet der Mann, der unter dem 90-minütigen Spielrausch von Messi, Suarez und Neymar am meisten zu leiden hatte.
"Lächerlich gut." Kaum eine Formulierung bringt das, was der FC Barcelona an diesem 24. November 2015 gegen die Roma auf dem Rasen fabrizierte, besser auf den Punkt. Die Katalanen spielten entfesselt und die Roma phasenweise schwindelig. Es war die Wiederauferstehung von "MSN", nachdem Lionel Messi nach Verletzungspause das "trio infernale" mit Suarez und Neymar wieder komplettiert hatte.
Alle drei ließen Fußball an diesem Tag so einfach aussehen wie Essen, Schlafen oder Trinken. Sinnbildlich dafür steht das erste Tor von Messi: Ein Doppelpass zwischen Neymar und Messi, Messi lässt zu Suarez klatschen, ein Heber über die Abwehr, ein Heber über Szczesny und schon steht es 2:0. So einfach und schön kann Fußball sein. Auch die Tatsache, dass selbst Abwehrchef Gerard Pique und Ergänzungsspieler Adriano Tore erzielten, spricht Bände.
FC Barcelona und der Nimbus der Unbesiegbarkeit: Wie Pep, nur besser
Auf der Pressekonferenz nach dem Spiel wirkte Roms damaliger Trainer Rudi Garcia erstaunlich gefasst. Kritik an der eigenen Mannschaft ließ er nicht durchgehen: "Wir haben heute alles versucht, aber es war einfach unmöglich." Stattdessen rief er den anwesenden Journalisten ins Gedächtnis, gegen welchen Gegner man da gerade gespielt hatte, schließlich sei der FC Barcelona "eine unbesiegbare Armee. Ein gigantisches Team mit großartigen Meistern."
Die "gigantischen Meister" wurden jedoch im Viertelfinale von Atletico Madrid entzaubert und die Sache mit der Unbesiegbarkeit wieder dahin.
Doch ausgerechnet vor dem erneuten Aufeinandertreffen mit der Roma (20.45 Uhr im LIVETICKER) genießen die Katalanen wieder den Ruf, unschlagbar zu sein. Und das ohne Neymar und mit einem Trainer, der aufgrund seiner weniger eleganten Spielweise schon mit seinem Amtsantritt in der Kritik stand.
Doch mittlerweile ist Ernesto Valverde bei den Katalanen über jeden Zweifel erhaben. Das ballorientierte Pressing, die taktische Flexibilität und das Verlangen nach absoluter Spielkontrolle, das er seiner Mannschaft eingeimpft hat, erinnert in Teilen an das Barca von 2011 unter Pep Guardiola. Nur sind die Katalanen unter Valverde eben noch effizienter und erfolgreicher. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Luis Enrique hat Valverde Barca in der Defensive stabilisiert.
Statistik | 2016/17 | 2017/18 |
Tore pro CL-Spiel | 2,6 | 1,63 |
Gegentore pro CL-Spiel | 1,2 | 0,25 |
Anteile Zu-Null-Spiele | 50 Prozent | 75 Prozent |
Pässe pro CL-Spiel | 661 | 728 |
Passquote | 87,4 Prozent | 88,8 Prozent |
AS Rom und die Taktik gegen Barca: Ohne Beton und Manndeckung
Und das zahlt sich aus: Die Blaugrana ist seit 37 Spielen in der Liga ungeschlagen und auch in der Champions League musste Valverdes Team noch keine Pleite hinnehmen. Am vergangenen Wochenende sah es kurzzeitig so aus, als würde die beeindruckende Serie gegen den FC Sevilla reißen, doch selbst ein 0:2-Rückstand zwei Minuten vor dem Ende kann dem FC Barcelona dieser Tage offensichtlich nichts anhaben.
Gegen Sevilla bewahrte der erst spät eingewechselte Messi Barca vor einer Niederlage. Roma-Trainer Eusebio Di Francesco hat jedoch nicht vor, "La Pulga" einen eigenen Bewacher zur Seite zu stellen: "Wir konzentrieren uns nicht darauf, nur Messi zu stoppen. Manndeckung existiert meiner Meinung nach nicht. Wir müssen Barcelona als Ganzes stoppen."
Wie er das schaffen will, ließ Di Francesco ebenso offen, wie die Frage nach seiner Aufstellung für das Viertelfinal-Hinspiel. Schließlich brauche Barcelona nicht noch irgendwelche Vorteile. Eines stellte er jedoch klar: Obwohl die Roma der klare Außenseiter ist, wird Di Francesco seine Mannschaft nicht ultra-defensiv einstellen: "Ich denke, dass ich für einen derartigen Spielstil die falsche Einstellung habe."