Außerdem erklärt er, warum er sich im Kampf gegen Rassismus engagiert und wie man als Sportler mit den sozialen Medien umgehen sollte. Und er verrät, warum er gerne einmal die NFL kommentieren würde.
SPOX: Ralph Gunesch, als Sie auf meine Mail geantwortet haben, stand drunter: "Geschickt von meinem Super Nintendo". Wir sind ungefähr gleich alt, mit dem SNES bin ich natürlich auch aufgewachsen. Spielen Sie noch?
Ralph Gunesch: Auf jeden Fall, ich bin immer noch ein begeisterter Gamer. Meine Freundin sagt immer, ich sei ein Teilzeit-Nerd. Oder auch Vollzeit, wie auch immer. (zeigt auf sein T-Shirt, ein Zitat aus Pulp Fiction in Retro-Videospiel-Optik) Ich bin mit Commodore, Nintendo, Super Nintendo aufgewachsen. Ich hatte leider keinen in meiner Kindheit, weil wir nicht das Geld dafür hatten, aber bei Freunden habe ich immer gespielt. In den letzten Jahren habe ich sie mir alle gekauft und zocke immer noch gerne, heute aber meistens auf den aktuellen Konsolen.
SPOX: Ihr Lieblingsspiel auf dem Super Nintendo?
Gunesch: Das kann ja eigentlich nur Mario Kart sein, das spiele ich heute noch. An diesem Spiel sind viele Freundschaften zerbrochen.
SPOX: Ihr Spitzname, unter dem Sie auch auf Twitter unterwegs sind, ist "Felgenralle" und geht auf Ihre Leidenschaft für Autos zurück. Sie sind gerade mit einem Audi gekommen. Ist das Ihr Standard-Auto oder haben Sie eine ganze Garage voll?
Gunesch: Der Audi, den Sie gerade gesehen haben, ist tatsächlich das erste Auto, dass ich mir von meinem ersten Profivertrag gekauft habe. Es gibt also eine emotionale Bindung. Er ist Baujahr 2003 und jetzt 480.000 km gelaufen. Bis auf das Navigationssystem oder andere Kleinigkeiten habe ich auch nichts verändern lassen. Ich habe zwischendurch auch andere Autos gehabt, jedoch eher so für den Spaß oder fürs Wochenende. Aber diesen Audi werde ich noch so lange behalten, bis der TÜV was dagegen hat.
SPOX: Sie sind in Rumänien geboren, haben aber deutsche Wurzel. Gibt es noch Verbindungen nach Rumänien?
Gunesch: Ich bin in Siebenbürgen geboren und aufgewachsen, bis 1990 haben dort viele Deutschstämmige gelebt. Nach dem Ende der Diktatur ist ein großer Teil nach Deutschland ausgewandert. Als wir nach Deutschland gekommen sind, sind wir in den ersten Sommerurlauben immer runtergefahren. Ich war vor über 20 Jahren das letzte Mal da, aber ich werde es demnächst wieder besuchen und meine Erinnerungen auffrischen, wenn es sich zeitlich anbietet. Ich will auch meiner Freundin zeigen, wo ich herkomme.
SPOX: Waren Sie im Verein ein "Spieler mit Migrationshintergrund"?
Gunesch: Nein, zu meiner aktiven Zeit gab es diese Diskussion auch gar nicht. Wir haben beim FC St. Pauli mal ein Mannschaftsfoto editiert, ohne Spieler mit Migrationshintergrund, um zu zeigen, wie es aussehen würde. Aber ansonsten war das nie groß ein Thema, die anderen waren eher überrascht, wenn sie es irgendwo gelesen haben. Auch bei den Fans war das nie ein Thema.
SPOX: Sie haben im Laufe Ihrer Karriere für Alemannia Aachen, den FC St. Pauli, Mainz 05 und den FC Ingolstadt gespielt. Wenn Sie zurückdenken: Was war jeweils der beste Moment?
Ralph Gunesch: Stationen als aktiver Fußball-Profi
Saison | Verein | Spiele* | Tore |
2000-2003 | Alemannia Aachen | 55 | |
2003-2006 | FC St. Pauli | 112 | 1 |
2006/07 | 1. FSV Mainz 05 | 12 | 1 |
2007-2012 | FC St. Pauli | 91 | 3 |
2012-2015 | FC Ingolstadt | 40 | 1 |
*inklusive Einsätze in der 2. Mannschaft
Gunesch: Bei Alemannia Aachen das Zweitliga-Debüt als 17-jähriger A-Jugendlicher, das war etwas ganz Besonderes. Beim FC St. Pauli fällt es schwer, den einen Moment zu nennen: der Aufstieg in die 1. Liga, Derby-Sieger, ein Tor gegen Hoffenheim in der 2. Liga, einzelne Spiele gegen Rostock ... wirklich schwierig, da den einen Moment herauszuheben. Es war insgesamt eine tolle Zeit, die mich auch sehr geprägt hat. Bei dem Jahr in Mainz war es natürlich das Debüt in der 1. Bundesliga.
SPOX: Dort war Jürgen Klopp Ihr Trainer.
Gunesch: Ich habe es damals gar nicht wahrgenommen, das ist mir erst mit der Zeit aufgefallen, aber ich habe sehr viel von Jürgen Klopp mitgenommen. Von der Arbeit mit ihm ist viel hängengeblieben.
SPOX: Und Ihre letzte Station, Ingolstadt ...
Gunesch: Klar, der Aufstieg in die 1. Liga, auch wenn ich aufgrund meines Kreuzbandrisses erst am letzten Spieltag eingestiegen bin. Aber die Zweitliga-Meisterschaft, die Schale in der Hand zu halten, das ist schon etwas Besonderes. Der Moment der Verletzung ist ebenfalls sehr präsent geblieben, wenn auch nicht im positiven Sinne.
SPOX: Wussten Sie sofort, was passiert war?
Gunesch: Sofort. Alle die es schon erlebt hatten, hatten es genauso beschrieben. Ich wollte es nicht wahrhaben, auf dem Weg ins Krankenhaus in die Röhre hoffst du ja immer, aber insgeheim wusste ich, was los ist. Und auch, was das für meine Karriere bedeutet. Dafür war ich lange genug im Geschäft.
Ralph Gunesch über die Einzigartigkeit des FC St. Pauli
SPOX: St. Pauli ist von außen ein absoluter Kultverein. Ist es wirklich so speziell, so anders als bei anderen Klubs?
Gunesch: Die Frage ist, was du als Spieler daraus machst. Du wirst auch als Spieler bei St. Pauli durchaus glücklich, wenn du es nur als Job ansiehst und das tust, wofür du bezahlt wirst. Aber du merkst ganz schnell, dass es mehr sein kann als 90 Minuten am Freitagabend oder Samstag-/Sonntagmittag. Für Vereinsmitarbeiter, Fans, Umfeld ist es mehr. Wenn du das annimmst - dazu kann man niemanden zwingen -, wird es auch für dich als Spieler mehr. Du bekommst ein Gespür dafür, dass du auch als Spieler eine soziale Verantwortung hast, gerade innerhalb des Stadtteils. Wir, also der Stamm, der über mehrere Jahre zusammen war, haben versucht, das bestmöglich mit Leben zu füllen.
SPOX: Gibt es das in anderen Vereinen in ähnlicher Form und man bekommt es nur nicht mit?
Gunesch: In dem extremen Maße gibt es das in Deutschland kaum, wenn wir mal die ersten beiden Ligen nehmen. Babelsberg ist ein Beispiel, aber so toll ich ihre Arbeit auch finde: Das hat nicht diese Strahlkraft, weil der sportliche Erfolg nicht da ist. Es gibt immer wieder einzelne Aktionen von Mannschaften oder Spielern, aber in dieser Regelmäßigkeit gibt es das tatsächlich nur beim FC St. Pauli.