Am Dienstag trifft Rodri mit Atletico auf Borussia Dortmund (21 Uhr live auf DAZN und im LIVETICKER).
Der 3. Juli 2018 markierte das Ende einer Ära für die Anhänger von Atletico Madrid. Nach mehr als 400 Einsätzen im rot-weißen Trikot, einem LaLiga-Titel, zwei Triumphen in der Europa League und dem Gewinn der Copa del Rey verabschiedete sich der langjährige Kapitän Gabi und begab sich in die wohlverdiente Fußballrente nach Katar, wo er seither mit Landsmann Xavi eine vergleichsweise ruhige Kugel schiebt.
Abseits aller melancholischen Gefühlslagen innerhalb der Fangemeinde gewährt das schnelllebige Business jedoch keinerlei Raum für Stillstand - ein Nachfolger musste her. So standen unter anderem der ehemalige Monaco-Allrounder und heutige Liverpool-Star Fabinho sowie Arsenal-Neuzugang Lucas Torreira angeblich auf der Wunschliste der Colchoneros. Letztlich präsentierte Trainer Diego Simeone jedoch eine weniger namhafte Lösung, nämlich einen alten Bekannten.
Der 22-jährige Rodrigo Hernandez Cascante, kurz Rodri, der einst von Atleticos Leiter der Jugendabteilung aufgrund körperlicher Defizite als untauglich eingestuft und nach Villarreal abgeschoben worden war, kehrte an seine alte Wirkungsstätte zurück.
Nach der Rückkholaktion wurde Rodri die große Ehre zuteil, die heilige Nummer 14 von Gabi zu übernehmen. Es ist kein halbes Jahr vergangen und schon ist der junge Spanier aktuell nicht mehr aus Simeones Startelf wegzudenken. Doch woher kommt der Mann, der sowohl von den Medien als auch vom spanischen Nationaltrainer Luis Enrique zum designierten Thronfolger von Ausnahmesechser Sergio Busquets vom FC Barcelona erkoren wurde?
Rodri: Einmal Villarreal und wieder zurück
Rodri kam am 22. Juni 1996 in der spanischen Hauptstadt zur Welt und wuchs behutsam in einem Akademiker-Haushalt auf, in dem ihm schon von klein auf die Bedeutung von Bildung vermittelt wurde. "Das haben mir meine Eltern schon als kleiner Junge eingetrichtert", verriet er einst im Marca-Interview.
Seine Freizeit verbrachte Rodri stets auf den Fußballplätzen in seiner Nachbarschaft. Schon früh war klar, dass der Junge gute Anlagen mitbringt. Im Alter von elf Jahren wechselte Rodri in die Jugendabteilung von Atletico Madrid.
Dort spielte er meist Seite an Seite mit den beiden Hernandez-Brüdern. Während Lucas und Theo den geradlinigen Weg bestritten, stockte die Entwicklung bei Rodri. Zu schmächtig sei er gewesen, lautete ein Vorwurf. Auch das veranlasste Julian Munoz, den damaligen Leiter der Akademie, dazu, den damals 15-jährigen Rodri links liegen zu lassen und ihn in die Jugend des FC Villarreal abzuschieben.
Nach Jahren bei Villarreal: Rodri hält an Kindheitstraum fest
Der Durchbruch folgte erst Jahre später, als sich Rodri einen Platz in Spaniens U19 erkämpfte und beim Gewinn der Europameisterschaft im Jahr 2015 neben weiteren vielversprechenden Talenten wie Marco Asensio und Dani Ceballos groß auftrumpfte. Ein klassischer Spätzünder also. "Es stimmt, dass ich mich langsam entwickelt habe. Ich war nicht so ausgewachsen wie manche meiner Mitspieler", erinnerte er sich. Mit einiger Verzögerung sei er dann in die Höhe geschossen, mittlerweile misst er 1,90 Meter.
In der Folge entwickelte sich Rodri langsam aber sicher zum festen Bestandteil der Villarreal-Mannschaft und stand in der Spielzeit 2016/17 bereits in 23 Ligapartien auf dem Platz. In der vergangenen Saison etablierte er sich schließlich als Stammspieler, absolvierte wettbewerbsübergreifend beachtenswerte 47 Partien und stellte nebenbei noch den Bestwert für die meisten Balleroberungen in LaLiga auf (320).
Trotz der unwürdigen Abschiebeaktion in jungen Jahren verlor Rodri nie den Draht zu seinem Herzensklub. Sein Kindheitstraum war aber nicht geplatzt, sondern wurde lediglich aufgeschoben, wie sich nun herausstellen sollte. Der Drang, für die Profimannschaft von Atletico aufzulaufen, war bei ihm derart stark ausgeprägt, dass er sogar das Interesse des amtierenden spanischen Meisters ausschlug. "Barca war nicht zu spät dran, aber als sich Atletico gemeldet hat, lag mein Fokus nur noch darauf", sagte Rodri im Gespräch mit Cadena Ser. "Nachdem ich das Angebot von Atletico bekam, habe ich mir andere Sachen nicht mehr angehört", stellte er klar.
Willkommen zu Hause, Rodri!
Mit seinen 22 Jahren habe er bereits demonstriert, dass er ein hochtalentierter Mittelfeldspieler ist, verkündete Atletico-Präsident Enrique Cerezo bei der Verpflichtung und richtete seine anschließenden Worte direkt an das Eigengewächs: "Rodri, ich muss dir nicht erklären, was es bedeutet, für Atletico aufzulaufen, denn du weißt bereits, was diese Farben bedeuten. Willkommen zu Hause!"
In seinem ersten offiziellen Interview mit dem Verein zeigte der verlorene Sohn keinerlei Ärger mit Blick auf die vergangenen Zeiten. "Ich habe mir einen Traum erfüllt", sagte Rodri: "Seit meiner Kindheit habe ich diesen Traum. Wenn du gehst, weißt du nie, ob du überhaupt zurückkommst. Als sich mir die Option bot, dauerte es nicht lang, bis ich meine Entscheidung getroffen hatte", sagte er.
Die Vertrautheit mit dem Verein war letztlich mitentscheidend, dass Rodri ohne Anlaufzeit zum Stammspieler avancierte. Seine Rolle innerhalb des taktischen Systems scheint aufgrund seiner Position per se vorgezeichnet: Gegnerische Angriffe früh erkennen und unterbinden, zudem bei eigenem Ballbesitz die Zirkulation ankurbeln.
Entscheidend ist jedoch, dass Rodri durch sein ausgezeichnetes Timing und Stellungsspiel quasi die Arbeit einer Doppel-Sechs verrichtet. Davon profitiert nicht nur die Defensive - Atletico kassierte mit Rodri bisher nur drei Gegentore in LaLiga -, sondern vor allem Freigeist Saul Niguez, der durch die weitreichende Absicherung weiter vorstoßen kann und sich weniger um die Rückwärtsbewegung kümmern muss.
Rodris großes Erbe in Spaniens Nationalteam
Rodris hoher Körperschwerpunkt lassen ihn dabei eher an einen behäbigen Basketballspieler erinnern, der sich auf den Fußballplatz verirrt hat. Die schlaksigen Beine und die zarten Oberarme des 1,90-Meter-Hünen legen die Vermutung nahe, er sei irgendwie fehl am Platz.
Vielmehr sind es der Kopf, die ständigen Schulterblicke und die raschen Bewegungen seiner Augen, die den Spanier auszeichnen. Er erkennt das große Ganze und zeitweise wirkt es, als könne er gegnerische Vorstöße vorausahnen. Erkämpfen muss er sich Bälle selten, vielmehr saugt er sie vom Gegner ab und leitet sie direkt zu seinem Mitspieler weiter.
Was wie eine Beschreibung der Spielweise von Sergio Busquets gleichkommt, trifft im Wesentlichen auch auf Rodri zu. Nicht ohne Grund erkannte auch der aktuelle Spanien-Coach Luis Enrique die Gemeinsamkeiten zwischen den beiden. "Er kann den Busquets-Level erreichen und ihn vielleicht sogar übertreffen", sagte der ehemalige Barca-Coach und fügte an: "Wer kann schon sagen, wann er sein Limit erreicht?"