Ein schelmisches Grinsen ließ sich der dieser Tage eher ernstere Niko Kovac kurz vor dem Ende der Pressekonferenz vor dem Champions-League-Gruppenspiel gegen AEK Athen (21 Uhr im LIVETICKER) doch noch entlocken. "Jetzt sind wir schon in der Antike", sagte der Trainer des FC Bayern und machte eine Handbewegung, als wundere er sich selbst ein wenig über die Worte, die er soeben verloren hatte.
Um in Zeiten von Maulwürfen und Instagram-Wüterichen an den Gemeinschaftsgeist beim kriselnden Rekordmeister zu appellieren, war Kovac für einen kurzen Augenblick in die Rolle des Geschichtslehrers geschlüpft. Es dürfte nicht ausarten, nicht so enden wie einst bei Caesar oder in Troja, lautete die Kernaussage des 47-Jährigen. Kein Argwohn, keine Intrigen. Denn: "Beim Fußball ist es wie bei einer Familie. Wenn eine Familie nicht zusammenhält, geht sie auseinander. Und wenn sie auseinandergeht, wird es schwierig."
FC Bayern: Kovac appelliert an Einheit
Es war keine Brandrede, die der frisch rasierte Übungsleiter da vor den etwas mehr als 50 Journalisten in der Allianz Arena hielt. Kovac sprach seine Worte mit Bedacht aus. Die Message kam aber an: Das aktuelle Gebaren an der Säbener Straße, geprägt von durchwachsenen Ergebnissen, verkrampftem Fußball und Unruheherden an allen Ecken und Enden, belastet ihn.
Dieser Eindruck änderte sich auch nicht, als er den Wirbel um die Kritik von Thomas Müllers Ehefrau Lisa fachmännisch weglächelte ("Ich bin kein nachtragender Mensch, das Thema ist für mich erledigt"), die nach Außen getragene Kabineninterna als banal abtat ("Ich finde, man macht aus einer Mücke teilweise einen Elefanten") und beteuerte, die Atmosphäre innerhalb der Mannschaft sei doch eigentlich "gut".
Auf der Suche nach dem Mia san Mia
Kovac, das wurde am Montagnachmittag deutlich, vermisst das Mia san mia beim FC Bayern, den unbedingten Willen, voll und ganz füreinander da zu sein. Mit seiner eigenen Person hat das gar nicht einmal so viel zu tun. Er genieße trotz der statistisch schwächsten Saison seit acht Jahren die absolute Unterstützung der Verantwortlichen Karl-Heinz Rummenigge, Uli Hoeneß und Hasan Salihamidzic, bekräftigte er. Und er brauche sie auch nicht nach jedem Spiel auf Schwarz und Weiß.
Vielmehr stört ihn der fehlende Fokus auf das Wesentliche: den Fußball. Defensive Nachlässigkeiten wie beim 1:1 gegen den SC Freiburg seien für den FC Bayern ebenso atypisch wie die abhanden gekommene spielerische Leichtigkeit im letzten Platzdrittel. Kovac glaubt, dass sich die seit Wochen negative Grundstimmung im Umfeld des Vereins auch auf seine Spieler abgefärbt hat.
"Wenn ein Fußballer anfängt zu viel nachzudenken, dann fehlt die Energie", sagte er und präsentierte zugleich einen simplen, aber treffenden Lösungsansatz: "Wenn man positive Erlebnisse hat, dann denkt man nicht negativ. Wir müssen vielleicht einfach mal mit drei oder vier Toren Unterschied gewinnen. Dann löst sich der Knoten."
Kovac muss Resultate liefern
Das Gute für ihn ist: Er kann als Trainer seinen Spielern dabei helfen, sich positive Erlebnisse zu arbeiten. Das Schlechte: Nach wochenlanger Magerkost mit vielen Dämpfern statt eines klaren Siegs wissen zumindest Außenstehende nicht mehr so recht, ob er wirklich dazu im Stande ist. Obgleich Kovac noch Fürsprecher hinter sich hat, braucht er schleunigst überzeugende Resultate auf dem Rasen.
Und zwar nicht nur mit Toren und dem viel zitierten Spielwitz, sondern auch mit "Eiern", wie Joshua Kimmich in Anlehnung an Oliver Kahns legendären Wutausbruch vor 15 Jahren forderte, "sodass man wieder sieht, dass wir der FC Bayern sind".
Erst gegen das alles andere als übermächtige Athen, dann gegen das spätestens seit Dienstagabend alles andere als unschlagbare Dortmund. Ohne eine bayern-like Antwort auf die jüngste Talfahrt dürfte es für Kovac zumindest schwer werden, seine Kritiker innerhalb und außerhalb des Vereins verstummen zu lassen. Dann droht ihm womöglich sogar eine Zeitreise in die Antike.