Hasan Salihamidzic baute sich mit breiter Brust vor den Kameras und Mikrofonen am Terminal 2 des Münchner Flughafens auf, gut gelaunt und souverän, so schien es, beantwortete der Sportdirektor des FC Bayern am zunächst in aller Ausführlichkeit die zahlreichen Fragen, die vor dem Abflug zum wichtigsten Spiel des Jahres anfielen.
So schwärmte der 41-Jährige vom FC Liverpool, von Jürgen Klopp und vom Mythos Anfield. "Ich freue mich, dabei zu sein. Das wird etwas ganz Besonderes", frohlockte "Brazzo", der zu seiner Zeit als Aktiver nie in den Genuss gekommen war, an der Mersey zu spielen.
FC Bayern: Einsatz von Kingsley Coman in Liverpool fraglich
Als Fragen zur personellen Situation des Rekordmeisters an der Reihe waren, zeigte sich Salihamidzic aber plötzlich sehr wortkarg. Es gebe über den Fall Kingsley Coman hinaus ohnehin nichts zu vermelden. Coman reise mit, man müsse aber abwarten, ob der über Knöchelschmerzen klagende Franzose rechtzeitig für das Hinspiel des Champions-League-Achtelfinals fit werde.
Wer Coman im Falle eines Ausfalls ersetzen könne, das vermochte "Brazzo" nicht zu beantworten. Die Aufstellung sei eine Sache des Trainers, Niko Kovac, sagte er, versicherte auf Nachfrage allerdings, dass es bis auf die bekannten Ausfälle von Arjen Robben (Oberschenkelverletzung) und Thomas Müller (Sperre) nichts Neues gebe. Nichts Neues? Nicht wirklich.
Bayern: Ribery reist nach - Boateng wohl nicht
Nur fünf Minuten, nachdem sich Salihamidzic mit einem "Servus" in Richtung Gate verabschiedet hatte, gab Kovac seinen Kader für das Hinspiel bekannt. Darin fehlten überraschend: Franck Ribery und Jerome Boateng.
Wie durchsickerte, war der Linksaußen in der Nacht Vater einer Tochter geworden, während sich der Innenverteidiger kurzfristig mit einer Magen-Darm-Grippe abgemeldet hatte. Ob Salihamidzic überhaupt darüber Bescheid wusste oder nur Fragen zum personellen Doppel-Rückschlag ausweichen wollte, blieb offen. Seltsam war sie aber in jedem Fall, die Kommunikation der Bayern am Montagvormittag.
Wohl auch, weil sich Ribery und Boateng offenhielten, nachzureisen. Ersterer stieg am Montagnachmittag sogar noch in eine Sondermaschine. "Franck hat gar nicht geschlafen, aber er wird noch im Laufe des Abends zu uns stoßen", lobte Kovac die Einstellung des 35-Jährigen vor dem Abschlusstraining an der Anfield Road.
Dass Boateng es seinem Mitspieler gleichtut, ist eher unwahrscheinlich. "Magen-Darm ist eine gefährliche Geschichte", meinte Kovac, eine Ansteckung solle unbedingt vermieden werden.
Dabei hätte der 30-Jährige, das ist zumindest aus dem Umfeld des Vereins zu vernehmen, sehr gute Chancen gehabt, gegen Klopps Power-Offensive in die Startelf zu rücken. Boateng sammelte in den vergangenen fünf Pflichtspielen zwar nur 91 Einsatzminuten, zeigte beim soliden 3:1-Hemsieg gegen Schalke 04 am 9. Februar als Startelfspieler aber eine ordentliche Leistung.
Ganz im Gegensatz zu Mats Hummels und Niklas Süle, die als Innenverteidiger-Pärchen zuletzt ein anfälliges, unkonzentriertes Bild abgaben und wie beispielsweise Hummels im Pokalspiel gegen Hertha BSC bisweilen haarsträubende Fehler begingen.
FC Bayern: Genug der Geschenke
"Das", erkannte Süle nach der mit reichlich Makeln behafteten Generalprobe in Augsburg (3:2) folgerichtig, "darf uns gegen Liverpool nicht passieren." Die roten "Mopeds" Mohamed Salah, Sadio Mane und Roberto Firmino bestrafen Unachtsamkeiten nun einmal noch gnadenloser als jeder Bundesliga-Stürmer. Zusammen kommt das Trio auf 44 Pflichtspieltore in dieser Saison.
Nicht grundlos forderte Offensivspieler Serge Gnabry im Interview mit SPOX und Goal, man müsse geschlossener agieren und nicht Geschenke mit nach Liverpool nehmen wie nach Berlin oder Augsburg. Überhaupt beendete das Kovac-Team noch keine einzige Partie im Kalenderjahr 2019 ohne Gegentreffer. Manuel Neuer behielt zuletzt beim 3:0 gegen Eintracht Frankfurt am 22. Dezember eine weiße Weste.
"Wir müssen uns steigern, was die Defensivarbeit betrifft", sagte daher auch Salihamdizic, "wir haben in den letzten Spielen viel zu viele Gegentore bekommen." Unnötige Gegentore vor allem. Das ist im Übrigen kein neues Phänomen. Hätte Sven Ulreich im letztjährigen Halbfinal-Rückspiel gegen Real Madrid nicht den Ball aus den Augen verloren, als Karim Benzema auf ihn zulief, wären die Bayern vermutlich schon eher auf Liverpool getroffen.