Wenn am Dienstagabend die Akteure des FC Liverpool und des FC Bayern München im Spielertunnel stehen, die ersten Töne von Tony Brittens berühmter Champions-League-Hymne erklingen und sich diese spezielle, weltweit berühmte Atmosphäre an der Anfield Road aufbaut, wird ein Spieler womöglich kurz innehalten und die vergangen Monate noch einmal Revue passieren lassen - nämlich Trent Alexander-Arnold.
Das Leben meinte es in der jüngeren Vergangenheit gut mit dem jungen Scouser, so viel steht fest. Nicht jeder hat das Glück, seinen großen Traum zu leben. Aber Alexander-Arnold tut das nun seit längerer Zeit Woche für Woche. Diese Champions-League-Abende unter den Scheinwerferlichtern werden für den 20-Jährigen langsam aber sicher zur Normalität.
"Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich als kleiner Junge auf der Tribüne war", erzählt der Defensivspieler im exklusiven Gespräch mit SPOX und Goal. "Ich war damals schon sprachlos und bin es noch heute."
Trent Alexander-Arnold: Große Erfahrung trotz Jugend
"Man kann es eigentlich nicht beschreiben", fährt er fort. "Nicht viele Menschen werden dies erleben dürfen, deshalb fühle ich mich überglücklich, privilegiert zu sein, in diesen Spielen auflaufen zu dürfen und Teil dieses großartigen Klubs mit dieser atemberaubenden Atmosphäre zu sein. Diese Nächte sind magisch."
In wenigen Stunden wird Alexander-Arnold das 69. Mal das Trikot der Reds-Profis tragen, zum 18. Mal in der Königsklasse. Wenn er redet, sieht man die Begeisterung in seinen Augen, wie bei einem kleinen Jungen. Doch wenn man seine fußballerische Leistung betrachtet, muss man festhalten: Dieser kleine Junge entwickelt sich rasant.
Allein in den vergangenen zwölf Monaten wurde er zum jüngsten Spieler des Klubs in einem Europapokalfinale, feierte er sein Debüt in der englischen Nationalmannschaft, schoss sein erstes Länderspieltor und lief bei einer WM-Endrunde auf.
Jürgen Klopp mit großem Anteil an Aufstieg
Trainer Jürgen Klopp hatte einen entscheidenden Anteil daran. "Man spielt am besten, wenn man es genießt und mit einem Lächeln aufläuft. Das versucht er uns zu vermitteln", sagt Alexander-Arnold: "Wir sollen glücklich sein und nicht alles zu ernst nehmen. Jeder weiß, wann es ernst wird, deshalb schaut er auf die richtige Mischung."
"Es war ein unglaubliches Jahr", strahlt der Youngster, als er sich an 2018 zurückerinnert. "Es passierten Dinge, die mich und meine Familie sehr stolz gemacht haben."
In jungem Alter träume man von genau solchen Erlebnissen, führt Alexander-Arnold aus. Jetzt gehe es darum, noch mehr grandiose Erinnerungen zu sammeln.
Alexander-Arnold wuchs in West Derby, gleich in der Nähe von Liverpools berühmtem Trainingszentrum in Melwood, auf. Er ist seit seiner Kindheit ein Roter, erinnert sich noch daran, dass er früher immer versuchte, durch die komplexen Absperrungen rund um das Gelände einen Blick auf sein Idol Steven Gerrard zu erhaschen.
Trent Alexander-Arnold denkt an Gerrard oder Carragher
2019 ist er damit beschäftigt, seinem Held nachzueifern, der berühmteste Sohn der Stadt zu werden, die Identifikationsfigur für die Fans auf dem Platz. "Ich schaute früher Gerrard und Jamie Carragher dabei zu", sagte er zuletzt. "Ich wollte immer sein wie sie."
Es war Ian Barrigan, heute in leitender Funktion auf der Suche nach Talenten, die eines Tages für die LFC-Akademie in Frage kommen, der den Klub erstmals auf Alexander-Arnolds enormes Potenzial aufmerksam machte. Barrigan arbeitete damals bei einem kleinen Klub, chauffierte sein Top-Talent immer zu den Spielen. Er erkannte das Potenzial des Knaben schon vor allen anderen.
Im Alter von sechs Jahren wurde er zu einem Probetraining eingeladen, zwei Jahre später schloss er sich den Reds endgültig an. Dabei buhlte auch der FC Everton um seine Dienste, nachdem er auch dort im Probetraining hatte überzeugen können.
"Ich habe schon immer Liverpool unterstützt", begründet Alexander-Arnold seine damalige Entscheidung. "So wie der Rest meiner Familie."
"Durch meine Freunde und Brüder kam ich zum Fußball. Wir kickten auf dem Spielplatz, im Park oder im Vorgarten. Wir hatten einfach Spaß, wir wollten am liebsten den ganzen Tag spielen", erinnert er sich zurück.
Bildung blieb trotz Profi-Hoffnung wichtig
Die ersten Schritte im Verein machte er bei einem Team aus der sogenannten "Sunday League". Von dort ging es weiter in die Akademie. "Zu diesem Zeitpunkt realisiert man: Hier will ich sein."
Bei Liverpool entwickelt er sich prächtig. Unter den Fittichen von Trainern wie Iain Brunskill, Mike Garrity und Karl Robinson, heute Trainer bei Oxford United, wurde er schnell zum Juwel der gesamten Akademie. Technisch beschlagen, athletisch und mit herausragender Mentalität - er wurde aufgrund seiner Reife immer als potenzieller Spieler für die Profis gesehen, auch wenn man den Pfad eines jungen Fußballers aufgrund diverser Faktoren schwer vorhersehen kann.
"Mit 13 oder 14 wurde mir bewusst, dass ich es schaffen könnte", verrät Alexander-Arnold bei SPOX und Goal. "Doch dafür musste man ein bisschen Zeit für Bildung opfern."
"Ich verpasste einige Unterrichtsstunden, um ins Training zu gehen, auch die Nachmittage waren stets durchgeplant", so Alexander-Arnold weiter. "Das war schwierig für mich und meine Familie, weil wir schon darauf achteten, gute Noten in der Schule zu haben."
Deshalb war es für den Rechtsverteidiger wichtig, dass er die volle Rückendeckung seiner Eltern hatte. "Sie hatten Vertrauen in mich und hofften, dass ich meinen Traum verwirklichen werde", erzählt er. "Dafür bin ich sehr dankbar. Manche Eltern hätten vielleicht gesagt: 'Nein, das geht nicht, die Schule steht an erster Stelle!', doch wir hatten einen gemeinsamen Plan, das Verpasste nachzuholen. Und das war es wert."
Trent Alexander-Arnold von schnellem Aufstieg überrascht
Aussagen, die auch heute noch von Reife zeugen, doch die vor allem bei einem pubertierenden Jungen, dem sich gerade ein Spalt in der Tür zum Profifußball öffnete, eine bemerkenswerte Bodenständigkeit widerspiegeln.
Derzeit gilt es für ihn, auf die Erlebnisse im letzten Jahr aufzubauen. Nachdem er eine Sprunggelenksverletzung rechtzeitig auskuriert hat, geht er als sicherer Starter ins Spiel gegen die Bayern. Das Ziel: dem Verein und den Fans eine weitere magische Königsklassennacht an der Anfield Road bescheren.
"Ganz im Ernst, der steile Aufstieg hat mich schon überrascht", gibt er zu. "Es ist das, was ich immer wollte, denn nicht jeder kann sich Premier-League-Spieler nennen, auch einige der besten Spieler der Welt können das nicht."
Das gilt auch für fast alle Spieler der Bayern, weshalb es für viele Stars des deutschen Rekordmeisters ein Novum sein wird, wenn am Dienstag kurz vor 21 Uhr die ersten Töne von Brittens berühmter Hymne aus den Lautsprechern in Anfield erklingen und 54.074 enthusiastische Fans eine elektrisierende Stimmung erzeugen.
Ein Szenario, das Alexander-Arnold trotz seines jungen Alters schon mehrmals erlebt hat - und wohl noch einige Male erleben wird.