226 Tage wartete er auf diesen Tag. Auf den Startschuss für die heiße Phase der Saison. Die Serie A? Geschenkt. Juve scheint der Titel mit 13 Punkten Vorsprung auf Napoli sicher. Ronaldo schnappt sich wohl die Torjägerkrone (aktuell 19 Tore in 24 Spielen). Den Superpokal besorgte sich CR7 mit seinem Siegtreffer gegen Milan selbst.
Gewissermaßen hatte Zlatan Ibrahimovic mit seinem zugegebenermaßen etwas populistischen Seitenhieb in Richtung des Portugiesen, ein Wechsel zu Juventus sei keine Herausforderung, schon recht. Doch darum ging es nie. Ronaldos Primärziel, den Henkelpott nach 23 Jahren Durststrecke endlich wieder nach Turin zu bringen, ist sehr wohl eine riesige Herausforderung.
Denn für nichts anderes holte ihn die Alte Dame im Sommer. "Bring uns den Champions-League-Titel", hatten die Fans bei der Ankunft Ronaldos in Turin noch aus hunderten Kehlen gerufen und CR7 damit gleichzeitig auf eine Mission geschickt. Eine Mission, die nach dem Hinspiel in Madrid jedoch früh zu scheitern droht.
Mr. Champions League hadert - Atletico zu stark
Nun kann auch Ibrahimovic das Popcorn rausholen, wenn Ronaldo am 12. März ein kleines Wunder vollbringen muss, um seine Alte Dame ins Viertelfinale zu hieven.
Ausgerechnet in der Stadt, in der sich Ronaldo ein Denkmal geschaffen hatte, in der er sich den Titel Mr. Champions League verdient hatte, rückte das Primärziel Henkelpott in weite Ferne.
Dabei war Mr. Champions League an diesem Abend im Wanda Meotropolitano durchaus anwesend. Gleich nach neun Minuten prüfte er Jan Oblak mit einem Freistoß aus der Distanz. Insgesamt gab Ronaldo sieben Schüsse ab, nur einer ging jedoch aufs Tor von Oblak. Wirklich gefährlich war Juventus' Offensive aber nicht. CR7 haderte.
Die enorme Siegermentalität des 117-Millionen-Euro-Neuzugangs zeigte sich aber auch anderweitig. Ronaldo führte die meisten Zweikämpfe (15) und gewann elf davon. Er spielte nur zwei Fehlpässe. Ronaldo hatte schon in den Champions-League-Modus geschaltet, Atleticos Abwehrbollwerk jedoch auch.
Atletico-Fans provozieren CR7: "Ich habe fünf CL-Titel, sie haben keinen"
Atleti-Trainer Diego Simeone lobte im Anschluss das "intelligente" Spiel seiner Mannschaft. "Wir spielten super und verdienten den Sieg, weil wir uns mehr Tormöglichkeiten erarbeiteten", sagte Torhüter Jan Oblak.
Lange Zeit sah es im Wanda Metropolitano dennoch nach einem 0:0 aus. Atletico belohnte sich für eine starke Mannschaftsleistung schließlich aber doch noch. Zwei Standards drängten Juve vor dem Rückspiel in die Ecke. Turins sonst so aufmerksame Abwehr schenkte eine gute Ausgangslage her.
Und ausgerechnet der Mr. Champions League war es, der den Schuss von Diego Godin zum 0:2 noch leicht ins eigene Tor abfälschte. Eine Szene, die dem eigentlich personifizierten Atletico-Schreck Ronaldo Hohn und Spott bei den Atletico-Fans einbrachten.
Während des Spiels gingen die Fans der Rojiblancos den Superstar, der wie kein anderer für die jüngsten Erfolge von Atleticos Erzrivale Real steht, immer wieder verbal an, pfiffen lautstark und bezeichneten den Portugiesen als "Steuerverbrecher". Ronaldo antwortete auf ungewohnte Art und Weise. Nämlich nicht mit einem Tor gegen Atletico, sondern mit einem verbalen, wie etwas arroganten Konter gegen den Erzfeind von einst. "Ich habe fünf Champions-League-Titel, Atletico hat keinen", sagte Ronaldo nach der Partie in der Mixed Zone.
Bei den Teamkollegen überwog hingegen der Ärger über die Unachtsamkeit bei den beiden Gegentoren, weil man eigentlich auf alles vorbereitet war. "Wir wussten, dass sie bei Standards sehr gefährlich sind, wir waren bei den Situationen nicht konzentriert genug", sagte beispielsweise Abwehrchef Giorgio Chiellini.
Trainer Massimiliano Allegri war vor allem mit der zweiten Halbzeit unzufrieden. Seine Mannschaft habe sich an den Anti-Fußball der Rojiblancos angepasst, anstatt offensiv Druck auszuüben. "Das haben sie bestraft", sagte er.
Juve unter Druck: Mit Ronaldo erscheint ein Comeback möglich
Es folgten nach der Partie neben dem Ronaldo-Konter Kampfansagen wie vom Fließband auf der einen und Warnungen auf der anderen Seite. Denn: Das Rückspiel steht ja noch aus.
Allegri macht dabei das Champions-League-Viertelfinale vor einem Jahr Mut. Damals ging es gegen Real Madrid. Nach 0:3 im Hinspiel schaffte es Juventus beinahe in die Verlängerung. Ein gewisser Cristiano Ronaldo beendete die Titelträume der Italiener jäh - in der 97. Minute.
Ein epischer Moment, den Ronaldo nun im schwarz-weiß-gestreiften Trikot wiederholen soll. Eine Mammutaufgabe, denn Juventus braucht mindestens zwei Treffer gegen die stärkste Abwehr der Primera Division (17 Gegentore in 24 Spielen). Schießt Atleti einen Auswärtstreffer im Juventus Stadium, brauchen die Bianconeri schon vier Treffer. Ein kleines Fußballwunder also. Mit Ronaldo aber scheint selbst das möglich. Denn der hat schließlich fünf Champions-League-Titel und Atletico keinen.