Kevin-Prince Boateng vom FC Barcelona im Interview: "Für Klopp würde ich sogar nach China wechseln"

Von Daniel Herzog
Boateng spielte bereits für Schalke und Dortmund.
© getty
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Nach Ihrer Zeit auf Schalke spielten Sie noch einmal für Milan und dann für Las Palmas, ehe Sie 2017 zu Frankfurt wechselten. Wollten Sie den Menschen in Deutschland beweisen, dass mit Ihnen noch zu rechnen ist?

Boateng: Genau das wollte ich. Deshalb habe ich Frankfurt auch nach einem Jahr wieder verlassen, weil alles perfekt gelaufen war. Ich wollte einfach nur zurück nach Deutschland, um den Kritikern den Mund zu stopfen. Und ich bin froh, dass Niko Kovac und Fredi Bobic mich dabei unterstützt und immer positiv über mich gesprochen haben. Niko hat mir auf dem Platz alle Freiheiten eingeräumt, damit ich beflügelt und ohne Zwänge aufspielen konnte. Er hat mir nur aufgetragen, dass ich mich um die Mannschaft kümmern soll. Wenn ein Mitspieler beispielsweise zu spät zum Training erschien, sollte ich das klären. Er hat mir dabei komplett freie Hand gelassen.

Warum kehrt beim FC Bayern keine Ruhe um Kovac ein?

Boateng: Jeder Trainer, der jetzt bei den Bayern wäre, hätte Probleme. Niko hat das bis jetzt sehr gut gemacht. Kaum jemand hätte zwischenzeitlich damit gerechnet, dass er bis zum Ende der Saison Trainer bleibt. Ich habe aber immer an ihn geglaubt.

Wie haben Sie seinen Wechsel von Frankfurt nach München wahrgenommen?

Boateng: Es war ein Kindheitstraum von ihm, irgendwann den FC Bayern zu trainieren. Seit er in München gespielt hat, hat er seine Beziehungen dorthin gepflegt. Als herauskam, dass er Frankfurt verlässt, wurde er dort etwas runtergemacht. Ich habe ihm sofort gesagt: 'Geh Deinen Weg! Du hast in Frankfurt alles gegeben, was Du geben konntest.' Dass er dann mit dem Pokalsieg ging, war natürlich wunderschön. Nach dem Spiel haben wir noch auf dem Platz geweint.

War der Pokalsieg Ihr emotionalster Titel?

Boateng: Ja, weil einfach alles gepasst hat. Zuhause in Berlin als Außenseiter den großen FC Bayern zu schlagen - das war traumhaft.

Wenn Kovac in Frankfurt geblieben wäre, hätte Sie das zu einem Umdenken bewogen?

Boateng: Nein, ich wäre trotzdem gegangen.

Wie bewerten Sie die Leistungen der Frankfurter in dieser Saison?

Boateng: Es macht mich stolz, weil sie tollen Fußball spielen. Ich bin glücklich, dass ich in der vergangenen Saison meinen Teil dazu beigetragen habe, dass Frankfurt im Europapokal spielen darf. Wenn ich nicht selbst spiele, schaue ich jedes Eintracht-Spiel. Ich freue mich einfach für die Jungs, das haben sie sich verdient.

Sie haben mit Luka Jovic bei der Eintracht gespielt. Wäre er ein Spieler für Barcelona?

Boateng: Luka ist ein Spieler, der jedem Top-Verein weiterhelfen kann. Als ich noch da war, hat er selten gespielt, weil ihm die nötige Reife etwas gefehlt hat. Aber seine überragende Qualität konnte man damals schon sehen. Er ist beidfüßig, schnell, kopfballstark und hat eine hervorragende Technik. Er bringt alles mit. Wenn er nicht abhebt, wird er irgendwann bei dem besten Klub der Welt spielen.

Glauben Sie, dass er im Sommer zu Barca kommt?

Boateng: Das weiß ich nicht. Alle Top-Klubs sind aktuell hinter ihm her. Er wird im Sommer gemeinsam mit seinem Berater auf einer Yacht sitzen und sich für einen von zehn lukrativen Verträgen entscheiden. Ich glaube nicht, dass er in Frankfurt bleibt.

Boateng wechselte manchmal wegen "einer verrückten Idee"

Sie haben mittlerweile bei über zehn Vereinen gespielt. Kann man so einen Karriereweg planen?

Boateng: Ich habe gar nichts geplant. Nur ein einziges Mal konnte ich mir Zeit für eine Entscheidung nehmen. Das war, als ich nach Tottenham gewechselt bin. Damals gab es auch Gespräche mit Sevilla. Manchmal entstand ein Wechsel auch aufgrund einer verrückten Idee. Wie jetzt der Transfer zu Barcelona. Ich habe in den vergangenen drei Jahren in vier verschiedenen Ländern gespielt.

Haben Sie im Vorfeld des Wechsels zu Barcelona mit Trainer Ernesto Valverde telefoniert?

Boateng: Ja, wir haben telefoniert. Es ist mir wichtig, dass ein Trainer mich verpflichten möchte. Wenn das Präsidium die Entscheidung fällt, einen Spieler zu holen, obwohl der Trainer nicht davon überzeugt ist, sollte man als Spieler nicht dorthin wechseln.

Sind Sie mit Ihrer Karriere zufrieden?

Boateng: Ich bin rundum zufrieden. Ich habe bei Top-Vereinen und bei kleineren Klubs gespielt, aber bei allen etwas hinterlassen, an das sich die Menschen ewig erinnern werden.

Kevin-Prince Boateng im Steckbrief

Geburtstag6. März 1987
Größe1,86 Meter
PositionSturm, Mittelfeld
Starker FußRechts
StationenHertha, Tottenham, Dortmund, Portsmouth, AC Milan, Schalke, AC Milan, Las Palmas, Frankfurt, Sassuolo, Barcelona

Kevin-Prince Boateng: "Natürlich bereue ich das"

Sie wurden einst als Jahrhunderttalent gehandelt. Warum ist letztlich nichts aus der prophezeiten Mega-Karriere geworden?

Boateng: Der Kopf ist ausschlaggebend. Bei mir ist der zu spät angesprungen.

Bereuen Sie, dass der Kopf nicht eher angesprungen ist?

Boateng: Natürlich bereue ich das. Ich hätte als 18-Jähriger einen Berater oder eine Familie gebraucht, die mich in die richtige Richtung schubsen. Das hätte ich schon gerne gehabt. Aber ich musste alles selbst regeln. Ich weiß ganz genau, dass es bei mir auch am Willen gescheitert ist, der nicht immer zu hundert Prozent da war. Hätte ich diesen Willen gehabt, wäre ich bei Barcelona Stammspieler gewesen oder hätte zehn Jahre für Real Madrid oder Manchester United gespielt.

Wenn Sie Ihren Werdegang Revue passieren lassen - wofür steht Kevin Prince Boateng jetzt?

Boateng: Ich möchte ein Vorbild für die Jugend sein. Nach meiner aktiven Laufbahn möchte ich deshalb auch Berater werden. Kein Berater, der das schnelle Geld sucht, sondern jemand, der den Jungs auch bei Lebensfragen zur Seite steht, die nicht zwangsläufig mit dem Fußball zusammenhängen: Wie legt man beispielsweise sein Geld vernünftig an? Es gibt zahlreiche Beispiele von Spielern, die nach ihrer Karriere 35 Jahre alt sind und mit leeren Händen dastehen, weil sie ihr komplettes Geld ausgegeben haben. So soll es den Jungs, die ich betreue, nicht gehen.

Das ist definitiv Ihr Plan?

Boateng: Der Plan steht zu hundert Prozent. Ich will die Fußballschuhe abgeben, den Koffer packen und dann geht's los.

Wann könnte dieser Zeitpunkt gekommen sein?

Boateng: Wenn ich die Champions League gewonnen habe, bin ich auf jeden Fall weg. Dann gehe ich irgendwo noch zwei oder drei Jahre kicken. Ich habe irgendwann einmal spaßeshalber gesagt, dass ich aufhöre, wenn Marius Wolf Nationalspieler wird. Also: Jogi, lass Dir ruhig noch ein bisschen Zeit (lacht).

Kevin-Prince Boateng mit Appell gegen Rassismus

Sie setzen sich vehement gegen Rassismus ein. Was fühlen Sie, wenn Sie beispielsweise das Video von Andre Vogt sehen?

Boateng: Das macht mich traurig. Ich verstehe die Menschen nicht, die solche Vorfälle filmen, aber nichts unternehmen. Diese Menschen sollten stattdessen hingehen, denjenigen am Kragen packen und sagen: 'Hör auf jetzt!' Aber das macht niemand. Wir müssen etwas dagegen unternehmen.

Wie kann man das in den Griff bekommen?

Boateng: Nicht nur filmen, sondern direkt zu den Menschen gehen, die zum Beispiel Affenlaute machen und sie zur Rede stellen. Ich finde es erstaunlich, dass diejenigen, die Sane und Gündogan in Wolfsburg beleidigt haben, zugegeben haben, dass sie Rassisten sind. Aber man muss vielmehr über die Medien gehen. Auch in der Schule muss Aufklärungsarbeit betrieben werden. Es kann doch nicht sein, dass mehr über Pyrotechnik diskutiert wird als über solche Vorfälle.

Cacau, Integrationsbeauftragter des DFB, hat gesagt, das seien Einzelfälle.

Boateng: Das ist der ganz falsche Weg. Ich möchte ihn nicht kritisieren, aber ich verstehe nicht, wie man so etwas sagen kann. Da wurden Spieler beleidigt, nur, weil sie eine andere Hautfarbe oder Herkunft haben. Auch mir ist so etwas widerfahren. Das ist schon so lange her, aber wir sitzen immer noch hier und reden über dieses Thema. Ich versuche, die Leute darauf hinzuweisen und möchte demnächst ein Projekt ins Leben rufen. Da arbeiten wir dran. Aber jeder muss etwas dagegen unternehmen. In Deutschland marschieren 6000 Neonazis auf der Straße und die Polizei läuft nebenher. Das ist doch eine klare Straftrat, also müssen diese Leute bestraft werden.

Also möchten Sie sich nach Ihrer Karriere auch dieser Thematik widmen?

Boateng: Ich werde auf jeden Fall weiter gegen Rassismus vorgehen. Ich bin mit der UN in gutem Kontakt, da möchte ich nach meiner Karriere einige Projekte unterstützen. Da wird sicherlich noch etwas kommen.

Abschließend: Für was möchte Kevin-Prince Boateng den Menschen im Gedächtnis bleiben?

Boateng: Ehrlichkeit.