Heung-Min Son trifft am Dienstagabend (21 Uhr live auf DAZN) mit Tottenham Hotspur in der Champions League auf den FC Bayern München. Im Vorfeld der Begegnung mit dem deutschen Rekordmeister nahm sich der südkoreanische Superstar, der in Deutschland reifte, Zeit für ein Interview mit SPOX und DAZN.
Ein Gespräch über das frühe Loslassen der Heimat, kuriose Bestrafungsmethoden des Vaters und die Verbundenheit zu Hamburg.
Außerdem verrät der 27-Jährige, warum er Tottenham nach nur einer Saison bereits wieder verlassen wollte - und warum die Familienplanung erst einmal hintenansteht.
Herr Son, vor rund einer Woche fand die Weltfußballer-Wahl statt. Lionel Messi hat wieder einmal das Rennen gemacht. Eine nachvollziehbare Entscheidung?
Heung-Min Son: Ich habe mir die Weltfußballer-Wahl angeschaut. Ich glaube schon, dass Lionel Messi zurecht gewonnen hat. Letztlich hätte es jeder der drei nominierten Spieler verdient gehabt. Auch Cristiano Ronaldo und Virgil van Dijk haben jeweils eine herausragende Saison gespielt. Es ist traurig, dass nur einer am Ende gewinnen kann.
Obwohl es die Spurs in der vergangenen Saison bis ins Champions-League-Finale geschafft haben, stand mit Harry Kane nur ein Tottenham-Spieler in den Top-Ten. Wie bewerten Sie das?
Son: Das ist schade, weil wir in der vergangenen Saison Unglaubliches geleistet haben. Aber es gibt nun einmal so viele tolle Fußballspieler, die ebenfalls verdientermaßen in diesem Ranking auftauchen.
Träumen Sie davon, eines Tages Weltfußballer zu werden?
Son: Jeder, der mit dem Fußballspielen anfängt, hat diesen Traum, da bin ich mir sicher. Auch ich träume davon, eines Tages Weltfußballer zu werden. Deshalb arbeite ich auch so hart.
Haben Sie auch deshalb im Gespräch mit dem Guardian erklärt, dass sie nicht heiraten wollen, solange sie Fußball spielen?
Son: Ich wollte damit nur ausdrücken, dass ich mich voll und ganz auf den Fußball konzentrieren möchte. (lacht) Ich liebe den Fußball so sehr und weiß, dass man diese Zeit im Leben nur einmal hat. Das möchte ich voll und ganz genießen. Natürlich ist Familie auch sehr wichtig. Dafür habe ich aber ganz viel Zeit, wenn ich kein Profi mehr bin.
In Ihrer Heimat sind Sie vermutlich populärer als jeder andere Fußballer, zählen laut Forbes zu den zehn einflussreichsten Südkoreanern. Ist Ihnen das manchmal unheimlich?
Son: Nein, ich bekomme eigentlich kaum etwas davon mit. Die meiste Zeit bin ich in London, beziehungsweise in Europa unterwegs. Es ehrt mich aber natürlich trotzdem, dass die Menschen in Südkorea mich so sehr unterstützen.
Son: "Ich konnte weder Englisch noch Deutsch"
Ihr Weg nach ganz oben begann beim HSV, konkret im nahegelegenen Norderstedt, wo das Jugendleistungszentrum steht. Wie viel wussten Sie über Norderstedt, bevor Sie dort ankamen?
Son: Ehrlich gesagt wusste ich gar nichts über Norderstedt. Ich bin nach Hamburg geflogen und habe im Internat trainiert. Dort gab es immer wieder den gleichen Tagesablauf. Vormittags bin ich zur Schule gegangen, nachmittags kehrte ich zurück ins Internat und trainierte, danach bin ich ins Bett gegangen. Das sind die Erinnerungen, die ich an Norderstedt habe.
Wie schwer fiel Ihnen die kulturelle Umstellung, die der Wechsel mit sich brachte?
Son: Ich war 16 Jahre alt, als ich nach Deutschland gewechselt bin. Man weiß nie, was einem bevorsteht, vor allem dann nicht, wenn man noch so jung ist. Es ist mir sehr schwergefallen, meine Familie zu verlassen. Ich konnte weder Englisch noch Deutsch, das war komplett neu für mich. Ich habe aber dann den Entschluss gefasst, so schnell wie möglich Deutsch zu lernen. Das ist mir glücklicherweise schnell gelungen.
Ebenso wie Ihr Aufstieg bei den Hamburgern.
Son: Ja, das ging alles sehr schnell. Ich durfte bereits als 17-Jähriger mit den Profis mittrainieren. Das war einfach geil.
Warum haben Sie den Sprung im Gegensatz zu einigen anderen Jugendspielern, die damals ebenfalls aus Südkorea nach Hamburg gewechselt waren, geschafft?
Son: Ich wollte unbedingt dortbleiben. Ich habe immer davon geträumt, in Europa zu spielen. Es war nicht immer leicht, aber ich habe so hart dafür gekämpft, diesen Schritt zu machen. Hilfreich war auch, dass Trainer und Mitarbeiter am Internat mir dabei geholfen haben, mich schnell einzuleben.
gettyWie groß ist der Anteil Ihres Vater an dem erfolgreichen Werdegang?
Son: Sehr groß. Er hat mich damals regelmäßig in Hamburg besucht, das hat mir gutgetan. Auch heute dreht sich alles um Fußball, wenn wir miteinander sprechen.
Dementsprechend stolz war er sicherlich auch nach ihrem Bundesliga-Debüt?
Son: Das war er vielleicht innerlich, er hat es mir aber nicht gezeigt. (lacht) Er hat mich stattdessen kritisiert und gesagt, dass ich noch viel härter an mir arbeiten muss. Er wollte, dass ich mich nicht von anderen Dingen ablenken lasse. Deshalb hat er mir nach diesem Spiel den Laptop weggenommen.
Hat Sie das wütend gemacht?
Son: Nein, gar nicht. Mein Vater wollte mir immer vorleben, wie wichtig es ist, immer auf dem Boden zu bleiben. Diese Bodenständigkeit versuche ich mir bis heute zu bewahren. Obwohl das manchmal gar nicht so einfach ist.
Ihr Debüt hatten Sie unter Armin Veh, allerdings gilt Michael Oenning als Ihr Entdecker. Haben Sie noch Kontakt zu ihm?
Son: Wir haben regelmäßig Kontakt. In der letzten Saison hat er mich sogar in London besucht und ein Spiel von mir gesehen. Michael Oenning war sehr wichtig für mich.
Wie haben Sie den Abstieg des HSV in die zweite Bundesliga miterlebt?
Son: Ich verfolge das Geschehen immer noch. Als Ex-Hamburger hat mir das sehr wehgetan. Diese geilen Fans und diese geile Stadt haben es einfach verdient, in der Bundesliga zu spielen. Deshalb hoffe ich, dass sie in der kommenden Saison wieder erstklassig sind. Ich werde sie von London aus unterstützen, aber ich weiß nicht, ob das hilft. (lacht)
Son: "Habe gesagt, dass ich den Verein gerne verlassen würde"
Nach fünf Jahren in der Hansestadt ging es weiter zu Bayer Leverkusen. Was hat Sie zu dem Schritt bewogen?
Son: Eigentlich wollte ich nicht aus Hamburg weg, weil ich mich sehr wohlgefühlt habe. Deshalb hat der Abgang auch durchaus geschmerzt. Aber für mich war es wichtig, den nächsten Schritt in meiner Karriere machen. Das gehört im Fußball einfach dazu. Leverkusen hat damals in der Champions League gespielt. Auch aus diesem Grund habe ich mich dazu entschlossen, zu Bayer zu wechseln. Ich wollte mich auf hohem Niveau beweisen.
2015 zahlte Tottenham 30 Millionen Euro für Sie und machte Sie zum teuersten asiatischen Fußballer. Wie verlief Ihr Start in England?
Son: Die Premier League ist etwas anderes. Ich möchte das gar nicht mit der Bundesliga vergleichen, weil die Bundesliga große Qualität hat. Aber in der Premier League geht alles noch schneller und ist viel körperlicher. Am Anfang habe ich ab und zu gespielt und auch einige Tore erzielt. Dann habe ich mich leider verletzt und es war schwer, dann wieder Anschluss zu finden. Ich bekam keine Einsatzzeiten mehr und wollte wieder zurück nach Deutschland, weil ich mich dort sehr wohlgefühlt habe. Aber der Trainer (Mauricio Pochettino, Anm. d. Red.) hat mir immer wieder Mut gemacht. Er war in dieser Situation genau der richtige Trainer für mich.
Gab es damals ein Gespräch zwischen Ihnen und Pochettino?
Son: Ich habe gesagt, dass ich den Verein gerne verlassen würde, aber er wollte unbedingt, dass ich mich bei Tottenham durchsetze. Er hat mir neues Selbstvertrauen gegeben. Die Gespräche liefen so gut, dass ich irgendwann meine Wechselgedanken beiseite schob.
Ist Pochettinos größte Stärke, junge Spieler zu entwickeln?
Son: Er hat diese vielen jungen und talentierten Spieler zu einer starken Mannschaft geformt. Ich muss nur die Beispiele Harry Kane, Dele Alli oder Christian Eriksen nennen, die das belegen. Alle haben sich unter Pochettino extrem gut weiterentwickelt.
Trotzdem hat es für Tottenham unter ihm noch nicht zu einem Titel gereicht.
Son: Das, was für die Leute zählt, sind Titel. Wir waren schon so oft kurz davor, einen Titel zu gewinnen. Ich hoffe, dass es bald endlich so weit ist.
Stört es Sie, dass Sie manchmal medial etwas im Schatten Ihrer Kollegen stehen?
Son: Nein, überhaupt nicht. Ich bin eben nicht wie Lionel Messi oder Cristiano Ronaldo. Ich kann nur mein Bestes geben und versuchen, der Mannschaft damit zu helfen. Wenn ich das schaffe, bin ich glücklich.
Sie sind aber dann doch etwas in den Fokus gerückt und Player of the Year bei Tottenham geworden.
Son: Das hätte jeder einzelne Spieler unserer Mannschaft in der vergangenene Saison verdient gehabt.
Son: "Es ist völlig egal, wer kommt"
Warum kommt Tottenham in dieser Saison noch nicht ins Rollen?
Son: Viele Ergebnisse waren nicht zufriedenstellend. Wir haben gegen Leicester und Newcastle verloren, sind im Pokal raus und in der Champions League haben wir eine Zwei-Tore-Führung verspielt. Bislang ist Liverpool das einzige Team, das wirklich konstant spielt, selbst Manchester City hat überraschend gegen Norwich verloren. Es ist allerdings erst September, die Saison ist noch sehr jung und der Fußball sehr schnelllebig.
Der Abstand auf Liverpool beträgt allerdings schon zehn Punkte. Spielen die Reds und City derzeit auf einem anderen Level als der Rest der Liga?
Son: Auch Liverpool wird sicherlich noch Punkte liegenlassen. Ich würde nicht sagen, dass sie auf einem anderen Level spielen. Ich möchte auf keinen Fall aufgeben. Auch zehn Punkte sind aufzuholen. Vor allem, wenn man sich anschaut, wie viele Spiele noch zu spielen sind. Da kann noch alles passieren.
Kommt der FC Bayern in dieser schwierigen Phase gerade recht?
Son: Es ist völlig egal, wer kommt. Wir wollen unsere Spiele gewinnen.
Die Münchner haben sich im Sommer Philippe Coutinho geschnappt. Wie schätzen Sie seine Fähigkeiten ein?
Son: Er ist ein super Spieler, es macht unheimlich Spaß, ihm beim Fußballspielen zuzusehen. Er gibt der Mannschaft noch mehr Qualität. Aber nicht nur er, auch Robert Lewandowski muss man hervorheben. Er spielt seit vielen Jahren auf einem Weltklasse-Niveau und schießt Tore am Fließband. Wir werden aber versuchen, ihn zu stoppen.
Was muss Tottenham machen, um die Bayern zu schlagen?
Son: Das, was uns immer auszeichnet: Gutes Pressing, Ballgewinne, aggressives Zweikampfverhalten. Das wird der Schlüssel sein.