Die Pizza Margherita im Pappkarton wurde kalt. Marco Reus und Julian Brandt belohnten sich im BVB-Bus bereits für einen Sieg gegen das Krisengerede, da musste Achraf Hakimi via Dolmetscher noch seine plötzliche Wandlung zum Torjäger erklären. Wann er letztmals zwei Tore geschossen habe? "Als ich sehr klein war, glaube ich", sagte der Marokkaner. Und er grinste.
Ohne seinen pfeilschnellen und gleichsam bescheidenen Matchwinner, der in Prag den Aushilfsstürmer gegeben hatte, wäre bei Borussia Dortmund womöglich nun richtig Stunk. Denn auch das 2:0 (1:0) beim tschechischen Meister und Pokalsieger SK Slavia hatte altbekannte Schwächen offenbart.
Über mangelhafte Chancenverwertung, die bisweilen wacklige Abwehr oder die Angewohnheit, nach Führungen stets wundersam nachzulassen, wollte allerdings niemand reden. "Lassen Sie es uns doch einfach mal positiv nehmen", sagte Lizenzspielerchef Sebastian Kehl genervt. "Wir haben bei einer Mannschaft gewonnen, die sehr wenige Gegentore kassiert, die Inter Mailand auswärts am Rande einer Niederlage hatte."
Auch, dass Trainer Lucien Favre auf der Pressekonferenz Journalisten mehr oder weniger auslachte und Reus bei Nachfragen zur Stimmung bissig reagierte, zeigt, wie viel Dampf beim Vize-Meister auf dem Kessel war. Wohltuend war daher der Sieg, der mehr auf Drecksarbeit denn auf Schönspielerei gründete - genau, wie es Klubchef Hans-Joachim Watzke eingefordert hatte.
Sebastian Kehl um Ruhe beim BVB bemüht
"Warum sollen wir jetzt wieder das Haar in der Suppe suchen?", fragte Kehl daher. Man fühlte sich wohl ungerecht beurteilt: "Natürlich war noch nicht alles gut. Ich würde das jetzt gerne einfach mal so sehen. Und ich hoffe, dass Sie das auch so tun." In der Tat ist die Ausgangsposition in der Gruppe F nun glänzend - auch durch den Bonuspunkt im ersten Spiel gegen den FC Barcelona (0:0).
Sportdirektor Michael Zorc durfte deshalb auch einmal durchatmen, er musste nicht wieder in den Verteidigungsmodus. "Wir sind sehr glücklich und natürlich auch erleichtert", sagte er. "So ein Sieg ist nicht zu ersetzen." Julian Brandt, der in vorderster Front gespielt hatte, warnte davor, "solche Siege der Selbstverständlichkeit zuzuordnen".
Die Suche nach der verlorenen Klasse ist nicht beendet. Aber es gab gute Ansätze. Einerseits das Kämpferische, andererseits die neue, mannbezogenere Zuordnung bei der Verteidigung von Standardsituationen. "Da haben wir etwas geändert, gezwungenermaßen", berichtete Reus. "Das Spiel war ein Schritt in die richtige Richtung, mehr aber auch nicht."
Denn: Es geht direkt knackig weiter. Entsprechend hoffte Kehl, dass dieser Sieg "uns vor allem auch am Samstag in der Liga beim SC Freiburg helfen wird". Der Tabellendritte, die Überraschungsmannschaft der Bundesliga, wird den BVB-Frieden auf die Probe stellen. Im Falle einer Niederlage würden sehr schnell wieder kritische Fragen kommen - die Länderspielpause würde wohl sehr unruhig.
Das allerdings war am Mittwochabend noch Kaffeesatzleserei, auf die auch Achraf Hakimi keine Lust hatte. Der Matchwinner ging lieber zum Bus. Mit Pizza.