Michael Ballack und die Nacht von Moskau: Die bitterste aller Niederlagen

Michael Ballack im Champions-League-Finale 2008 gegen Manchester United.
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Michael Ballack war der beste deutsche Fußballer seiner Generation. Am meisten in Erinnerung geblieben sind aber nicht seine Siege, sondern seine dramatischen Niederlagen. Eine der schlimmsten ereignete sich vor genau zwölf Jahren.

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Mit Jahrestagen ist das so eine Sache. Meistens behält man nur die guten in Erinnerung und verdrängt die schlechten. Bei Michael Ballack ist das etwas anders. Der einstige Kapitän der Nationalmannschaft hat im Wonnemonat Mai immerhin fünf Meisterschaften gefeiert. Doch trotz all seiner Triumphe bleiben vor allem die Tragödien hängen.

Als "ewiger Zweiter" wird Ballack oft auch von seriösen Medien tituliert, die spanische Sportzeitung Marca wählte ihn sogar vor einigen Jahren in der Liste der größten Verlierer im Fußball auf Platz vier. Fünfmal wurde der heute 43-Jährige in seiner Karriere Vize-Meister und unterlag zudem mit Verein und DFB-Auswahl gleich in fünf Endspielen.

Das erste dieser Negativerlebnisse war am Mittwoch 20 Jahre her: Ballacks Eigentor im letzten Saisonspiel bei der Spvgg Unterhaching, das die 0:2-Niederlage von Bayer Leverkusen einleitete, wodurch der schon sicher geglaubte Titel noch an den FC Bayern verschenkt wurde. Oder der Mai 2002, als Leverkusen binnen drei Wochen das Triple verspielte. Seine bitterste Pleite aber liegt an diesem Donnerstag genau zwölf Jahre zurück: Die dramatische Niederlage im Elfmeterschießen gegen Manchester United im Champions-League-Finale von Moskau.

Michael Ballack im Champions-League-Finale 2008 gegen Manchester United.
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Michael Ballack im Champions-League-Finale 2008 gegen Manchester United.

Michael Ballack erntet Kritik: "Der ewige Verlierer"

Ballack stand zu diesem Zeitpunkt mit 31 Jahren auf dem Höhepunkt und diese Saison hätte sämtliche Dauerkritiker zum Schweigen bringen können. Doch am Ende standen Platz zwei in der Premier League sowie die beiden verlorenen Endspiele in der Königsklasse und bei der darauffolgenden Europameisterschaft. "Der ewige Verlierer", titelte das Handelsblatt danach.

Denn obwohl der gebürtige Chemnitzer in den 2000er Jahren der einzige deutsche Feldspieler auf Weltklasse-Niveau war, stellen viele sein Vermächtnis mit Verweis auf die lange Liste der Niederlagen bis heute in Frage.

Chefkritiker zum damaligen Zeitpunkt war Günter Netzer. "Er ist nicht prädestiniert für die typische Rolle eines Führungsspielers wie zu früheren Zeiten", schrieb er 2003 in einer Sport-Bild-Kolumne und begründete: "Ballack ist in der DDR aufgewachsen. Dort zählte das Kollektiv, das hat den Weg für Genies verstellt." Die FAZ fasste diese Stigmatisierung treffend zusammen in der Überschrift "Der ewige Ossi".

Entsprechend skeptisch bewerteten seine Gegner 2006 den Wechsel vom FC Bayern zum mit Topstars gespickten FC Chelsea, doch Trainer Jose Mourinho erklärte Ballack zu einem der "Untouchables" in seiner Stammelf. Am Ende seiner ersten Saison erlitt der Mittelfeldspieler jedoch eine schwere Knöchelverletzung. Laut eines Arztes im Münchner Klinikum Rechts der Isar sah sein Sprunggelenk aus "wie ein Sieb".

Michael Ballack führt Chelsea ins Elfmeterschießen

Es folgten zehn Monate Zwangspause, zwei Operationen und eine heftige Auseinandersetzung zwischen Ballack, Chelsea und DFB-Team über die richtige Behandlung. Erst im April 2008 feierte er unter Mourinho-Nachfolger Avram Grant sein Comeback bei den Blues und wurde bereits in den letzten Saisonspielen wieder zu einem wesentlichen Faktor im Spiel der Londoner. Mit zwei Toren beim 2:1 im Spitzenspiel gegen ManUnited am 35. Spieltag machte er die Meisterschaft nochmal spannend, auch im Viertelfinale der Champions League gegen Fenerbahce Istanbul traf er.

Noch wichtiger aber war, dass er in diesen Wochen im Gegensatz zu Netzers vernichtendem Pauschalurteil eine Führungsrolle in Chelseas Starensemble übernahm. Daher drehte sich auch der Wind in den englischen Medien, die ihn zuvor als "faul" (The Sun) oder "Riesenenttäuschung" (Daily Mirror) gebrandmarkt hatten. So bezeichnete ihn die Daily Mail nun als "neuen Kaiser".

Im rein englischen Champions-League-Finale am 21. Mai 2008 war es Ballack, der die anfangs beinahe ängstlichen Blues nach dem Rückstand durch Cristiano Ronaldo mit seinem Auftreten wieder zurück ins Spiel brachte. Nach Frank Lampards Ausgleich spielten nur noch die Londoner, doch jeweils nach Vorarbeit von Ballack trafen Didier Drogba nur den Pfosten und Lampard in der Verlängerung nur die Latte.

Die Entscheidung fiel weit nach Mitternacht Ortszeit vom Elfmeterpunkt. Der Deutsche verwandelte gleich den ersten Strafstoß sicher, danach scheiterte Ronaldo an Petr Cech und so hatte Chelsea-Kapitän John Terry als letzter Schütze den so sehnlichst erwünschten Triumph vor Augen. Eigentlich wäre Drogba als sicherster Mann vom Punkt an der Reihe gewesen, aber der Ivorer hatte kurz vor dem Abpfiff seinem Gegenspieler Nemanja Vidic eine Ohrfeige verpasst und war deshalb vom Platz geflogen.

FC Chelsea gibt sicher geglaubten CL-Sieg aus der Hand

Terry lief an, United-Keeper Edwin van der Sar lag bereits in der anderen Ecke, doch der Verteidiger rutschte aus und der Ball sprang vom Außenpfosten zurück ins Feld. In diesem Moment brach Ballack an der Mittellinie förmlich zusammen und nahm das schlimme Ende vorweg: Nicolas Anelka löffelte den siebten Strafstoß in die Arme von van der Sar und United holte mit 6:5 im Elfmeterschießen zum insgesamt dritten Mal den Henkelpott, während Chelsea die Saison als großer Verlierer beendete.

Was blieb, waren die Bilder des weinenden Ballack im strömenden Regen von Moskau - so wie er schon nach der vergebenen Meisterschaft mit Leverkusen 2000, der Niederlage mit der deutschen Elf gegen Brasilien im WM-Endspiel 2002 oder dem Aus bei der Heim-WM vier Jahre später im Halbfinale gegen Italien seine Tränen nicht hatte zurückhalten können.

Niedergeschlagen und kommentarlos verließ er die Katakomben des Luschniki-Stadions. "Es wird eine Zeit dauern, bis er diese Niederlage verkraftet", sagte Franz Beckenbauer. Positiver versuchte es die sportliche Leitung der Nationalmannschaft zu deuten. "Michael Ballack hat ein super Spiel gezeigt und bewiesen, dass er zu Recht als einer der Topspieler eingestuft wird", erklärte Teammanager Oliver Bierhoff. Und Joachim Löw meinte: "Er wird schon zwei, drei Tage daran zu knabbern haben, die Enttäuschung ist natürlich groß. Aber jetzt gibt es ein neues Ziel für ihn."

Michael Ballacks verlorene Endspiele:

JahrWettbewerbBallacks MannschaftGegnerErgebnis
2002DFB-PokalBayer LeverkusenFC Schalke 042:4
2002Champions LeagueBayer LeverkusenReal Madrid1:2
2002WMDeutschlandBrasilien0:2
2006Community ShieldFC ChelseaFC Liverpool1:2
2007Community ShieldFC ChelseaManchester United1:4 n.E.
2008League CupFC ChelseaTottenham Hotspur1:2 n.V.
2008Champions LeagueFC ChelseaManchester United5:6 n.E.
2008EMDuetschandSpanien0:1

EM 2008: Michael Ballack kassiert die nächste Endspielpleite

Denn der Bundestrainer brauchte seinen Spielführer und wichtigsten Mann für die als "Bergtour" bezeichnete EM in Österreich und der Schweiz. Auch dort wurde Ballack auf dem Platz den Erwartungen gerecht und führte das junge Team bis ins Finale gegen Spanien. Doch zwei Tage vor dem großen Spiel in Wien konnte der Capitano plötzlich nicht mehr mittrainieren, weil er ähnlich wie vor dem WM-Eröffnungsspiel zwei Jahre zuvor über hartnäckige Wadenprobleme klagte.

Erst wenige Stunden vor dem Anpfiff des Finaltags gab die medizinische Abteilung des DFB grünes Licht für einen Einsatz, doch Ballack erlitt schon in der ersten Halbzeit nach einem Zusammenprall mit Marcos Senna einen Cut über dem Auge. Körperlich angeschlagen konnte er die deutsche Mannschaft nicht aus ihrer Lethargie herausholen, so dass sich die Spanier am Ende relativ souverän mit 1:0 den Titel sicherten.

Wieder blieb nur Platz zwei für Ballack, doch diesmal weinte er nicht. Stattdessen kam es noch auf dem Platz beinahe zu einer handfesten Auseinandersetzung mit Bierhoff, weil dieser ihm kurz nach dem Schlusspfiff ein Transparent mit der Aufschrift "Danke Fans" in die Hand drücken wollte. Schon damals gab es auch innerhalb der Mannschaft Widerstand gegen Ballacks dominantes Auftreten außerhalb des Platzes, dennoch führte er das Team zur WM 2010. Kurz zuvor, im Mai vor zehn Jahren, sorgte ein überhartes Einsteigen von Kevin-Prince Boateng im FA-Cup-Finale aber dafür, dass Ballack mit einer schweren Knöchelverletzung die Endrunde in Südafrika verpasste.

Der Mann mit der Nummer 13 spielte nie wieder für Deutschland und beendete 2012 endgültig in Leverkusen seine Karriere. Ironie der Geschichte: Chelsea gewann ausgerechnet in diesem Jahr erstmals die Champions League, mit einer überalterten und ersatzgeschwächten Mannschaft, in der Ballack auch zum damaligen Zeitpunkt wohl einen Platz in der Startelf gehabt hätte. Den entscheidenden Strafstoß im Elfmeterschießen gegen den FC Bayern verwandelte ausgerechnet Drogba.

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