Marcel Heister: Das ist der unbekannte Deutsche, der Champions League gegen Messi und Ronaldo spielt

Marcel Heister spielt derzeit bei Ferencvaros Budapest in Ungarn.

Wenn am Dienstagabend der FC Barcelona zum Auftakt der Champions-League-Gruppenphase auf Ferencvaros Budapest trifft (21 Uhr live auf DAZN und im LIVETICKER), dann wird auch Marcel Heister mit dabei sein. Doch wer ist der unbekannte Deutsche mit dem ungewöhnlichen Karriereweg, der auf Lionel Messi treffen könnte?

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Wenn am Dienstag die Champions-League-Gruppenphase beginnt, dann werden Borussia Dortmund und RB Leipzig im Einsatz sein. Es werden auch die bekannten deutschen Spieler vom FC Chelsea und bei Paris Saint-Germain auflaufen können, während Sami Khedira bei Juventus nicht für die Königsklasse gemeldet wurde und Barcelonas Marc-Andre ter Stegen noch verletzt ausfällt.

Was aber wohl die wenigsten auf dem Schirm haben: Im Camp Nou wird ein weiterer Deutscher zu Gast sein. Sein Name: Marcel Heister. Der 28-Jährige kickt seit 2018 für den ungarischen Rekordmeister Ferencvaros Budapest, der es erstmals seit der Saison 1995/96 wieder in die CL-Gruppenphase geschafft hat. Und sollte Lionel Messi wie beim verlorenen Ligaspiel in Getafe (0:1) auf dem rechten Flügel auflaufen, dann wird unter anderem Heister sein Gegner sein.

Doch wer ist der in Albstadt-Ebingen auf der Schwäbischen Alb geborene Linksverteidiger überhaupt?

Über Dorfklub TSV Gammertingen ging er in die Jugend zum SSV Reutlingen und von dort 2010 mit 18 zur TSG 1899 Hoffenheim. Heister war damals noch Stürmer, doch das sollte sich wie der Verlauf seiner Vita wenig später schlagartig ändern. In seinen zwei Jahren im Kraichgau lief er in der A-Junioren-Bundesliga sowie für die von Markus Gisdol trainierte zweite Mannschaft in der Regionalliga auf. Nach der ersten Saison waren auch Trainingseinheiten bei den Profis vorgesehen.

Marcel Heister wird bei Hoffenheim aussortiert

Als Gisdol jedoch Co-Trainer von Ralf Rangnick auf Schalke und durch Frank Kramer ersetzt wurde, sagte ihm der neue Coach auf Anhieb, dass Hoffenheim II künftig ohne ihn spielen wird - und auch trainieren. "Ich wollte nicht noch ein Jahr durch den Wald rennen", sagte Heister der Süddeutschen Zeitung.

Die Zeit drängte, so dass sich Heister, dem Anfragen aus der 3. Liga vorlagen, auf eigene Faust nach einem neuen Klub umschaute. Und da seine Großeltern aus dem kroatischen Cerna stammen, landete er schließlich mit Hilfe seines ebenfalls aus Kroatien stammenden Vaters und Onkels im Sommer 2012 bei NK Zadar.

Ein großer Schritt freilich, doch er garantierte ihm neben Spielzeit auch Erstligafußball. Auf 33 Pflichtspiele und zwei Treffer kam Heister an der dalmatinischen Küste. Dies jedoch nicht als Angreifer, denn nach anfänglicher Skepsis wurde er vom dortigen Chefcoach zum Linksverteidiger umgeschult. "Im ersten Moment dachte ich, was will der denn von mir, weil ich immer ein Stürmer war, der von seinen Toren lebte. Heute kann ich mir gar keine andere Position mehr vorstellen", sagte Heister der SZ.

Heister will Israel-Angebot erst ablehnen

Mit einem und drei Zählern Vorsprung entkam Zadar jeweils den Abstiegsrängen. Trotz eines Vierjahresvertrags entschloss er sich 2014 zum Wechsel zu NK Istra 1961 - jenem Klub, gegen den er am 1. September 2012 sein Debüt im Profifußball gab.

In Pula an der Südspitze der Halbinsel Istrien, wo der Klub beheimatet ist, verbesserte sich seine sportliche Situation insofern, dass Heister deutlich mehr Spiele machte. 78 Partien (vier Tore, vier Vorlagen) standen nach zwei Spielzeiten zu Buche. Dem Verein erging es aber kaum besser als Zadar, in Heisters zweiter Saison musste gar ein dramatisches Elfmeterschießen herhalten, um den Fall in die Zweitklassigkeit zu vereiteln.

Der Linksverteidiger drängte anschließend nicht auf einen Wechsel, vielmehr zitierte ihn der Vereinspräsident ins Büro und eröffnete ihm, dass eine Offerte von Beitar Jerusalem aus Israel eingegangen sei. Er solle sie wieder zurückschicken, sagte Heister, das Leben in einem vermeintlichen Krisengebiet konnte er sich nicht vorstellen.

Marcel Heister in Aktion für Beitar Jerusalem im Europa-League-Qualifikationsduelle gegen AS Saint-Etienne.
© imago images / PanoramiC
Marcel Heister in Aktion für Beitar Jerusalem im Europa-League-Qualifikationsduelle gegen AS Saint-Etienne.

Plötzlich Europa League - doch dann der Bruch

Doch Israel ist weit mehr als die vielen geläufige Assoziationskette aus Fanatismus, Religiosität und Bomben. Heister flog hin, trainierte mit und war begeistert. Nach vier Jahren Kroatien unterschrieb er in Israels Hauptstadt bei einem Traditionsklub, der für seine hoch emotionalen Fans, aber genauso die rassistische Ultra-Gruppierung "La Familia" bekannt ist.

Heisters Start verlief ausgezeichnet, er wurde auf Anhieb Stammspieler. Plötzlich spielte er in der Europa-League-Qualifikation, in seinem zweiten Auftritt gegen den lettischen Vertreter FK Jelgava erzielte er sein einziges Saisontor. Schluss war erst in der letzten Qualifikationsrunde zur Gruppenphase gegen Saint-Etienne. "Das war ein unbeschreibliches Erlebnis, mit der Mannschaft nach Frankreich zu fahren", sagte Heister.

Mit Beitar spielte er um die Meisterschaft mit und zeigte größtenteils gute Leistungen, das Publikum feierte ihn als engagierten, energischen und taktisch disziplinierten Spieler. Doch eineinhalb Jahre nach seiner Ankunft kam es zum Bruch. Heister lagen im Januar 2018 Angebote vor, unter anderem von Ludogorez Rasgrad, das in der darauffolgenden Spielzeit in der CL-Gruppenphase spielen sollte.

Heister wird von Thomas Doll vom Wechsel überzeugt

Der als recht zwielichtig und unberechenbar bekannte Klubbesitzer Eli Tabib gab Heister jedoch zu verstehen, dass ein Verkauf nicht in Frage käme. Dem Deutschen gefiel dieser Entscheid nicht - und auf einmal saß er den Großteil der restlichen Saison auf der Tribüne.

Im Sommer ließ ihn Tabib schließlich doch ziehen. Als neuer Spieler von Ferencvaros gab Heister aber noch ein Interview in Israel, indem er über die Vorgänge und die Abhängigkeit des Klubs von Besitzer Tabib sprach: "Noch vor Ende der Saison wusste ich, dass ich, egal was passiert, nicht für eine Person wie Eli Tabib arbeiten würde. Ich war völlig davon überzeugt, dass ich nicht mit dieser Person zusammen sein werde, selbst wenn ich ein Jahr zu Hause sitze. Ich bin nur wegen einer Person gegangen, die mich und andere missbraucht hat."

Der Weg nach Budapest war für Heister ebenso naheliegend wie einst der nach Kroatien, denn dank seiner Großmutter trägt er auch ungarisches Blut in sich. Nur 15 Minuten dauerte nach eigener Aussage das Gespräch, das er mit dem damaligen Ferencvaros-Coach Thomas Doll führte.

Bei Ferencvaros holt Heister seine ersten Titel

Sein Debüt für den Rekordmeister gab er ausgerechnet in Israel, wo Ferencvaros gegen Maccabi Tel Aviv jedoch knapp aus der EL-Quali ausschied. Das tat dann auch Doll, Ende August wurde der Coach als Tabellenführer entlassen. Nur sechs Spiele machte Heister unter ihm, doch auch Nachfolger Sergej Rebrow vertraute auf seine Dienste.

In seiner dritten Saison spielt Heister nun in Osteuropa, 71 Pflichtspiele (ein Tor, sieben Vorlagen) hat er bislang absolviert. Und: Er hat erstmals in seiner Karriere Titel gewonnen. 2018 und 2019 wurde Heister Meister mit Fradi, wie die Mannschaft in Ungarn genannt wird.

Vom ukrainischen Coach, der einst für Dynamo Kiew, Budapests drittem CL-Gruppengegner, Tore am Fließband erzielte, ist Heister vollauf angetan: "Er ist wie Gott hier, du stirbst für ihn. Er trainiert auf sehr hohem Niveau, geht bis ins kleinste Detail und hilft dir respektvoll beim Lernen. Es wird für ihn schwierig sein, Angebote von höheren Ligen abzulehnen."

Marcel Heister: In der Champions League gegen Messi und CR7

Erst Recht, sollte Rebrow mit Underdog Ferencvaros in CL-Gruppe G etwas reißen. Zwei Tage lang dauerten die Feierlichkeiten, nachdem man in den Playoffs Djugardens IF, Celtic Glasgow, Dinamo Zagreb und Molde FK ausschaltete. Dass nun Messi und Ronaldo auf Heister und Co. warten, ist für sie die Krönung.

"Es ist verrückt. Die Leute wollen Messi oder Ronaldo treffen, nur um mit ihnen fotografiert zu werden, aber ich erfülle mir einen Traum und spiele gegen beide", sagte Heister, der sich vor der Auslosung sicher war, dass einer der Gegner Barcelona sein würde. "Messi ist der Größte für mich, aber gleich beide zu bekommen? Mehr kann man nicht verlangen. Natürlich werden wir unser Bestes geben, um es ihnen schwer zu machen."

Nach der Saison läuft sein Vertrag aus, "aber ich möchte, dass ich bald einen neuen Vertrag unterschreibe und jahrelang hier bleibe", sagt Heister. Es hat schwer den Anschein, als habe der 28-Jährige, der in Ungarn keinen Kaderplatz als Ausländer beansprucht, aufgrund der geltenden FIFA-Regularien aber nicht für die Nationalelf auflaufen kann, mit seinem ungewöhnlichen Karriereweg für sich vieles richtig gemacht.

Marcel Heister bei einem Spiel mit seinem aktuellen Verein Ferencvaros Budapest.
© imago images / Aleksandar Djorovic
Marcel Heister bei einem Spiel mit seinem aktuellen Verein Ferencvaros Budapest.

Marcel Heister: Seine Karriere im Überblick

ZeitraumVereinPflichtspieleToreVorlagen
2010-2012TSG 1899 Hoffenheim II26--
2012-2014NK Zadar322-
2014-2016NK Istra 19617844
2016-2018Beitar Jerusalem6442
seit 2018Ferencvaros Budapest7117