Der FC Bayern und Paris Saint-Germain lieferten sich im Münchner Schneetreiben ein Duell auf hohem fußballerischen Niveau. Am Ende behielten die Gäste im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League mit 3:2 die Oberhand. Auch weil der FCB mit den Auswirkungen der Länderspielpause konfrontiert wurde. Fünf Thesen zur Bayern-Niederlage. (Hier gibt es die Video-Highlights zum Spiel)
FC Bayern: Länderspielpause wird Hansi Flick zum Verhängnis
Über die Sinnhaftigkeit von Länderspielen während einer nach wie vor grassierenden Pandemie wurde in der jüngeren Vergangenheit ausreichend diskutiert.
Corona-Infektionen, die im Zuge der Nationalmannschaftsausflüge regelmäßig bei vereinzelten Spielern oder gar einer ganzen Gruppe (Italiens Nationalmannschaft hat 15 Positiv-Fälle zu beklagen) auftraten, bestärkten die Kritiker in ihrer Meinung, dass die ständige Reiserei quer durch Europa nicht unbedingt förderlich für die Eindämmung des Virus sein dürfte.
Aus Sicht der Klubs boten die mit den Länderspielen verbundenen Zwangspausen schon immer ein gewisses Risiko, lösten Bangen um die Gesundheit der Akteure aus. Corona treibt den Verantwortlichen dabei nur zusätzliche Sorgenfalten auf die Stirn. Serge Gnabry wurde zuletzt bereits zum zweiten Mal positiv getestet, gegen PSG wurde dem FC Bayern aber vor allem erstgenannte Auswirkungen zum Verhängnis: "Klassische" Verletzungen.
Kimmich sauer wegen zu später Goretzka-Auswechslung
Mit Robert Lewandowski trug die Lebensversicherung des deutschen Rekordmeisters gegen Andorra eine Knieverletzung davon. Der unersetzbare Pole verpasste nicht nur das erste Aufeinandertreffen mit den Parisern, sondern wird aller Voraussicht nach auch im entscheidenden zweiten Spiel nicht zur Verfügung stehen.
Goretzka und Süle müssen angeschlagen runter
Der Ausfall des verlässlichen Torjägers fällt sicherlich besonders ins Gewicht, am Mittwochabend musste Flick aber gleich zwei weitere Hiobsbotschaften verkraften. Leon Goretzka und Niklas Süle mussten beide angeschlagen ausgewechselt werden. "Es sind muskuläre Verletzungen", gab Flick im Anschluss der Partie auf der Pressekonferenz bekannt. Wie lange das Duo ausfallen wird, stand kurz nach Abpfiff noch nicht fest.
Beide waren vor zweieinhalb Wochen zur deutschen Nationalmannschaft gereist, beide hatten in der Folge mit Problemen zu kämpfen. Süle, der aufgrund einer Oberschenkelzerrung schon im ersten Spiel gegen Island passen musste, kehrte vorzeitig zurück nach München und bestritt dementsprechend keine der insgesamt drei Partien. Goretzka hingegen lief in allen Spielen auf, im Vorfeld des Rumänien-Spiels stand jedoch ein großes Fragezeichen über dem Einsatz des Ex-Schalkers (Wadenprobleme).
Dass sich die beiden wichtigen Bayern-Säulen gegen Paris Verletzungen muskulärer Natur zuzogen, könnte durchaus als Auswirkung eines zu engmaschigen Spielplans hindeuten.
FC Bayern verfällt in alte Muster
Nur zwei Gegentore in den vergangenen vier Partien, zuletzt stand sogar zweimal in Serie die Null: Die Bayern schienen sich nach der Gegentorwelle (für FCB-Verhältnisse), die zwischenzeitlich in dieser Saison über das Team hinweggerollt war, defensiv einigermaßen stabilisiert zu haben.
Am Wochenende zeigte sich die Hintermannschaft im richtungsweisenden Auswärtsspiel bei RB Leipzig zumindest in Durchgang eins von ihrer sicheren Seite, ehe sich nach dem Seitenwechsel wieder kleinere Unsicherheiten einschlichen.
Dennoch befand Flick nach dem Spitzenspiel in Sachsen: "Wir stehen kompakter. Die Viererkette, die Sechser davor und die Außenstürmer agieren sehr kompakt und geschlossen. Wir versuchen, die Schnittstellen zuzumachen."
Bayerns Schnittstellen-Probleme
Offene Schnittstellen, eines der leidigsten Themen in der laufenden Spielzeit. Regelmäßig appellierte Flick an seine Mannschaft, besagte Schnittstellen zu schließen. Auch im Vorfeld der Begegnung mit dem Ligue-1-Primus. "Wichtig ist, dass wir im eigenen Ballbesitz eine gute Ordnung haben und da schon an die Restverteidigung denken", gab Flick als Marschroute vor. Die Forderung stieß aber offenbar auf taube Ohren, seine Spieler verfielen in alte Muster.
Besonders die Tore zum 0:1 und 2:3, beide erzielt von Kylian Mbappe, deckten die offensichtlich doch nicht abgelegten FCB-Schnittstellen-Probleme schonungslos auf. Ballverlust im Mittelfeld, zu schnelles Rausrücken, fehlende Absicherung und ein Gegner, der über herausragende Konterspieler verfügt - keine gute Kombination aus Sicht der Münchner an diesem Abend.
Auf die Gegentreffer angesprochen, erklärte Flick: "Wenn man Gegentore bekommt, dann hat man Fehler gemacht. Alle drei Tore waren zu verhindern, deshalb tut es umso mehr weh. Das Ergebnis können wir heute nicht mehr ändern, sondern nur am Dienstag regulieren." Im Idealfall mit geschlossenen Schnittstellen.
Flick kann nicht ewig schauspielern
Es ist völlig legitim, dass Hansi Flick sich die potenzielle Chance auf das Amt des Bundestrainers offenhält. Zumal die Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und seinem Lieblingsstreitpartner Hasan Salihamidzic weiterhin zu schwelen scheinen, der Burgfrieden ein zerbrechlicher ist.
Flick ist normalerweise ein Meister darin, seine Kritik ganz subtil zu äußern, aus den Zwischenzeilen kann man häufig entnehmen, dass ihm etwas nicht passt. Mittlerweile wirkt er aber nur noch genervt.
Als er auf den von Salihamidzic kurz vor Anpfiff vor laufenden Kameras kommunizierten Boateng-Abgang angesprochen wurde, wollte er sich eigentlich nicht äußern, sagte dann aber wortreich: "Ich muss hier professionell auf Fragen antworten. Alles muss ich jetzt auch nicht beantworten, weil ich es nicht möchte. Weil ich muss auch ein bisschen, wie soll ich es sagen, auch ein bisschen schauspielern, das gehört auch zum Trainerjob dazu." Allzu glücklich schien er weder mit der Entscheidung, noch mit der Verkündung gewesen zu sein. Schon am Tag vor dem Spiel war er genervt davon, dass die baldige Trennung an die Presse durchgestochen worden war. Die Frage drängt sich auf: Wie lange kann Flick schauspielern?
Müller: "Das ist eher etwas für den Boulevard"
Dass Flick sich nicht klar zu seinem aktuellen Arbeitgeber bekennt, heizt die Spekulationen über einen zeitnahen Abgang seit Wochen an. Bei nahezu jeder sich bietenden Gelegenheit wird ihm die Zukunftsfrage gestellt, jedes Mal aufs Neue verweist er auf seine anfänglichen Aussagen, wonach er sich aktuell in Gänze auf die laufende Saison konzentriere und einen Vertrag bis 2023 besitze.
Beim FC Bayern ist man derlei Spielchen gewöhnt, vielmehr noch: Der Klub scheint sie sogar auf irgendeine verquere Art zu brauchen. Trotzdem: das Ganze bringt Unruhe in die Mannschaft, ist lästiger Ballast. Wird Flick medial diesbezüglich nicht selbst gelöchert, sollen mittlerweile nämlich seine Spieler Rede und Antwort stehen.
Thomas Müller brachte es bei Sky gut auf den Punkt, als er auf die Pläne seines Trainers angesprochen wurde: "Erstens weiß ich es nicht, zweitens hat das hier überhaupt keinen Platz", sagte der Routinier und schob nach: "Wir haben heute ein wildes Spiel gesehen. Ich glaube, das ist eher etwas für den Boulevard. Wir reden seit Wochen über solche Themen. Heute ging es um die Champions League."
Pariser Löcherabwehr macht Hoffnung aufs Weiterkommen
Besonders in der Defensive offenbarte PSG deutliche Unzulänglichkeiten. Schwächen, die von den Bayern diesmal nicht konsequent ausgenutzt wurden, aber aufgrund ihres offensichtlichen Vorhandenseins die Münchner Hoffnungen auf ein Weiterkommen nähren.
31 Torschüsse ließ die Pochettino-Elf gegen Bayern zu, häufiger schossen die Münchner in dieser Saison noch nie aufs gegnerische Gehäuse (außer beim 4:0 gegen Schalke am 18. Spieltag, ebenfalls 31-Mal).
Das Rückspiel dürfte sich, was die Dominanzverhältnisse betrifft, zu einer Blaupause entwickeln, PSG wird dem amtierenden Champions-League-Sieger Feld und Ball überlassen und auf Konter lauern, immerhin führte ebenjene Taktik in der bayrischen Landeshauptstadt zum Erfolg.
Flick: "Wir wissen, dass sie verwundbar sind"
"Wir müssen deutlich mehr Tore machen. Wenn es 5:3 oder 6:3 ausgeht, kann sich auch niemand beschweren", haderte Müller im Nachgang und verwies damit vermutlich ungewollt auf das Fehlen Lewandowskis.
"Wir haben uns das Ei jetzt selbst ins Nest gelegt und müssen dem Rückstand hinterherlaufen." Sollten die Bayern beim Hinterherlaufen des Rückstands kaltschnäuziger agieren und Keylor Navas einen etwas schwächeren Tag erwischen als es am Mittwochabend der Fall war, ist die Mission Titelverteidigung noch durchaus im Bereich des Möglichen.
"Wir werden alles versuchen, um das Spiel zu drehen. Wir haben gesehen, dass Paris eine starke Mannschaft hat, besonders in der Offensive. Wir wissen aber auch, dass sie verwundbar sind. Das wollen wir ausnutzen", gab sich Flick optimistisch.
Kylian Mbappe und Neymar sind die Lewandowskis von PSG
Die offensive Abhängigkeit von Lewandowski, die den Bayern nicht ganz unberechtigt immer wieder nachgesagt wird, kann man getrost auf PSG projizieren, nur machen eben bei den Franzosen gleich zwei Spieler den Unterschied: Kylian Mbappe und Neymar.
Über weite Teile des Spiels trat das Duo kaum in Erscheinung, in den entscheidenden Momenten avancierten die beiden Ausnahmekönner allerdings zu den viel zitierten Unterschiedsspielern.
Neymar zeichnete als Vorlagengeber für zwei der drei Treffer mitverantwortlich, Mbappe stellte mit einem Doppelpack seine enorme Wichtigkeit unter Beweis.
Insbesondere vor dem 3:2 zeigte der Youngster, über welch enormes Tempo und herausragende Technik er verfügt. Während die Defensivabteilung zumeist schwamm, brillierten Mbappe und Neymar mit enormer Effizienz und schossen die gute Ausgangsposition fürs Rückspiel quasi im Alleingang heraus.