Ferland Mendy von Real Madrid: Mit 14 im Rollstuhl, mit 20 noch 4. Liga

Raphael Weiss
05. Mai 202113:49
Bei Real Madrid mittlerweile in der Startelf gesetzt: Ferland Mendy.getty
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Der Vater starb früh, mit 14 saß er monatelang im Rollstuhl, musste neu lernen zu laufen. Erst mit 20 schaffte er es zum Profi, heute ist Ferland Mendy Shootingstar bei Real Madrid. Hier ist seine unglaubliche Geschichte.

Diese Geschichte erschien zuerst auf DAZN.

Fünf Spiele Pause dürften Ferland Mendy nicht mehr schocken. Nach dem wichtigen 2:1-Erfolg im Clasico vor knapp vier Wochen fiel der Franzose mit Wadenproblemen aus. Diese Woche stieg er erst wieder ins Mannschaftstraining ein. Nun könnte Mendy im Rückspiel gegen Chelsea (21 Uhr live auf DAZN und im LIVETICKER) direkt wieder in der Startelf stehen - trotz seines längeren Ausfalls.

Doch Rückschläge kennt Mendy nur zu gut. Das Talent des Franzosen fiel schon früh auf. Mit neun Jahren kam er an die Jugendakademie von Paris Saint-Germain. Zwei Jahre später verstarb sein Vater. "Er war es immer gewesen, der mich jeden Tag zum Fußball gefahren hatte, der alles für mich gemacht hatte. Es war sehr hart und schwierig, mich wieder aus diesem Tief herauszuziehen. Wegen ihm will ich soweit kommen, wie es nur geht. Ich will zeigen, dass alles, was er für mich getan hat, nicht umsonst war", sagte Mendy einmal dem Vereins-Sender von Real Madrid.

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Drei Jahre später, der nächste harte Rückschlag. Mit 14 Jahren bekam Mendy nach einer Verletzung starke Schmerzen in seinen Beinen. Die Ärzte diagnostizierten Arthritis in der Hüfte. Mendy musste operiert werden und war danach vier Monate auf einen Rollstuhl angewiesen. Es hieß, er würde nie wieder Fußball spielen können, selbst dass er wieder laufen können würde, war nicht sicher. Eine Beinamputation wurde diskutiert. Sieben Monate lang war Mendy im Krankenhaus.

Während sich seine Mitspieler Presnel Kimpembe, Adrien Rabiot und Kingsley Coman in der Jugendakademie einen Namen machten, musste Mendy wieder laufen lernen. Zehn Jahre später wird er diese Geschichte mit Tränen in den Augen und brechender Stimme auf seiner ersten Pressekonferenz als Spieler des größten Vereins der Welt erzählen.

Ferland Mendy: "Es war eine Katastrophe"

Doch bis zu diesem Moment hatte Mendy noch einen langen Weg vor sich. Die medizinische Abteilung von PSG kümmerte sich um ihn und so konnte er zunächst seine ersten Schritte und irgendwann wieder erste Trainingseinheiten machen. Doch seine Teamkameraden waren ihm mittlerweile enteilt. "Ich musste von neu anfangen - körperlich, aber auch technisch. Alles war kompliziert, es war eine Katastrophe", erzählte Mendy in einem Interview mit Le Parisienne.

Doch er kämpfte sich zurück in die Mannschaft. Ein harter Weg. Jedes Spiel, jeden Zweikampf spürte er die Schmerzen. Zwei Jahre lang. Bis die Schmerzen schließlich verschwanden. Mit 17 Jahren dann der nächste Rückschlag. Für den jungen Mendy ging es darum, ob Paris ihm einen Vertrag für die U19 des Vereins anbieten würde. Doch der Klub hatte Zweifel, wartete ab, konnte nicht entscheiden, ob er gut genug war für den nächsten Schritt.

Ein Fehler. Denn Mendy wollte nicht auf diese Entscheidung warten, beschloss, sein Schicksal in die eigene Hand zu nehmen und unterschrieb einen Vertrag beim Viertligisten FC Mantois, einem Vorortverein von Paris. Ein Jahr später wurde er vom Zweitligisten Le Havre verpflichtet. Doch für den 18-Jährigen war kein Platz in der ersten Mannschaft.

Ferland Mendy ist gesetzt bei Real Madrid.imago images

Zinedine Zidane wollte Ferland Mendy

Mendy musste wieder kämpfen. Zwei Jahre lang wartete er in der zweiten Mannschaft auf seine Chance - und bekam sie schließlich. Mit 20 Jahren, fünf Jahre nachdem Mendy das Gehen neu gelernt hatte, machte er sein Profi-Debüt in der zweiten Französischen Liga.

Von diesem Moment an ging es für ihn steil bergauf. Die folgenden Jahren lesen sich wie der Traum jedes Kindes: Vom Talent zum Rollenspieler zum Stammspieler in nur einem Jahr. Eine Saison später überwies Olympique Lyon auf der Suche nach einem Ersatz-Außenverteidiger fünf Millionen Euro an Le Havre für Mendy. Auch hier setzte er sich schnell durch, wurde Stammspieler und konnte nach einer guten Saison mit Lyon seine ersten Champions-League-Minuten spielen: ein 2:1 gegen Manchester City.

Zwei Monate später wachte Mendy auf und hatte fünf verpasste Anrufe von seinem Verein auf dem Handy. "Ich dachte nur: Was habe ich falsch gemacht? Ich habe das Training vergessen!", erzählte Mendy auf einer Pressekonferenz. Doch als er zurückrief, hatte er keinen wütenden Vereinsmitarbeiter am Telefon - Didier Deschamps wollte mit ihm sprechen und ihn für die Nationalmannschaft nominieren, obwohl er wegen seiner schlimmen Verletzung im Teenageralter er noch kein einziges Spiel für eine der Jugendnationalmannschaften Frankreichs gemacht hatte.

Wenige Monate später klingelte wieder das Telefon. Diesmal waren die Vertreter von Real Madrid am Telefon. Zinedine Zidane hatte seinen Landsmann beobachtet und wollte ihn langsam als Nachfolger von Marcelo aufbauen.

Ferland Mendy: Die beste Verpflichtung im Sommer 2019

Trotz der knapp 50 Millionen Euro Ablösesumme war Mendys Transfer zu Real in der spanischen Hauptstadt im Sommer 2019 eher eine Randnotiz. Neben Eden Hazard, Eder Militao, Rodrygo und Luka Jovic wirkte der Außenverteidiger wie das hässliche Entlein der Transferperiode. Kaum jemand traute dem mit 24 Jahren nicht mehr blutjungen Franzosen zu, Marcelo zu verdrängen, der einer der wichtigsten Spieler von Real Madrid war und mit 30 Jahren noch weit von seinem Ende dort entfernt zu sein schien.

Ein guter Backup sollte Mendy werden, mehr nicht. Doch anderthalb Jahre später ist Mendy unbestritten die beste Verpflichtung Madrids in dieser 350-Millionen-Euro Transferperiode. Schon im November 2019 hatte Mendy den Brasilianer als Stammspieler auf der Linksverteidiger-Position verdrängt. Marcelo kam nur noch in Ausnahmefällen zum Einsatz. Auch wenn Zidane für ihn sein System umbauen musste.

Denn Mendy ist technisch und offensiv nicht ansatzweise so beschlagen wie Marcelo. Etwas, das man dem Franzosen nicht unbedingt vorwerfen kann, zählt sein Konkurrent in diesen Kategorien zu den besten Außenverteidigern aller Zeiten. Dafür ist er körperlich unglaublich robust, ein guter Zweikämpfer und spielt deutlich gradliniger als Marcelo. Gut zu sehen im Clasico. Im Spiel gegen Barcelona war Mendy kaum in Erscheinung getreten - nicht, weil er ein schlechtes Spiel machte, sondern weil er sich exakt an die Vorgaben von Zinedine Zidane hielt.

Wenn Barcelona den Ball hatte, was auf 70 Prozent der Zeit zutraf, rückte Mendy weit nach außen in eine Fünferkette, musste zwischen Lionel Messi, Ousmane Dembélé und Segiño Dest wechseln und machte dabei kaum einen Fehler. Im Spielaufbau war Mendy nur wenig eingebunden, da Lucas Vazquez als asyemmtrisches Pendant den offensiven Außenverteidiger Part einnahm und Mendy als dritter Innenverteidiger die Angriffe Real absicherte.

Real Madrid: Die Spieler mit den meisten Einsätzen seit 2019

RangSpielerEinsätze
1Karim Benzema89
1Thibaut Courtois89
3Casemiro87
4Toni Kroos85
5Raphael Varane83
5Luka Mordic83
7Vinicus Junior82
8Federico Valverde72
9Ferland Mendy69
10Sergio Ramos64

Real Madrid: So verdrängte Ferland Mendy Marcelo

Doch diese Rolle wird wohl eher eine Ausnahme bleiben. Für gewöhnlich ist Mendy ein wichtiger Teil im Spielaufbau Real Madrids. Besonders wenn Sergio Ramos, der in dieser Saison häufig mit Verletzungen zu kämpfen hat, nicht spielt, ist der Außenverteidiger einer der primären Anspielstationen im ersten Drittel. Und auch in der Vorwärtsbewegung ist das Duo Mendy und Vinicius Junior das Mittel der Wahl für Zidane. 42 Prozent der Real-Angriffe kommen in dieser Saison über die linke Seite. Nur Eibar und Osasuna greifen in La Liga ähnlich oft über die linke Flanke an.

Anders als Marcelo geht Mendy dabei eher selten mit Dribblings zur Grundlinie, sondern fokussiert sich auf Passspiel und zieht, wenn sich die Möglichkeit bietet, in den Strafraum, um dem eher kleingewachsenen Real-Angriff als Kopfball-Anspielstation zu dienen.

Ein gradliniger Spieler, der gerade als solcher dem Star-Ensemble von Real Madrid guttut. Der es in kürzester Zeit geschafft hat, dass kaum jemand einem der besten Außenverteidiger in der Vereinsgeschichte hinterhertrauert. Der bei jeder Station in seinem Leben es geschafft hat, sich trotz widrigster Umstände durchzusetzen. Der nach einer schlimmen Verletzung im Jugendalter zu einem Stammspieler beim größten Verein der Welt und dem amtierenden Weltmeister zu werden. Trotz Rollstuhl.

Doch Mendy würde nicht "trotz" sagen. Er würde sagen: wegen. In seinen Worten: "Es ist absolut klar, dass diese Verletzung mich stärker gemacht hat. Sie hat mir beigebracht, niemals das Handtuch zu werfen und entschlossener zu sein."