Gedanken über einen Platz in der Startelf müssen sich die verbliebenen Offensivspieler nicht machen. Angesichts der Ausfälle von Erling Haaland (Verletzung am Hüftbeuger), Thorgan Hazard (Corona), Giovanni Reyna (im Aufbautraining) und Youssoufa Moukoko (Augenentzündung) stellt sich der BVB-Angriff fast von alleine auf.
So oder so unverzichtbar seit Wochen: Marco Reus. Beim mühsamen 2:1 am Samstag gegen den VfB Stuttgart spielte er 90 Minuten durch, obwohl er die halbe Woche zuvor krankheitsbedingt nicht voll hatte trainieren können.
Doch beim Blick auf die ausgedünnte BVB-Ersatzbank verzichtete der 32-Jährige auf seine Auswechslung, was sich für alle rentierte, da Reus kurz vor Schluss den Siegtreffer einleitete und schließlich auch vollstreckte.
BVB: Für Didi Hamann gehört Reus gehört nicht in DFB-Team
Dennoch gibt es immer wieder Kritik am Offensivspieler, vor allem, seit er im Sommer aufgrund körperlicher Erschöpfung nach einer anstrengenden Saison für die Europameisterschaft absagte. Sky-Experte Dietmar Hamann hat seitdem mehrfach erklärt, aus seiner Sicht sei bei der WM in Katar für Reus kein Platz mehr in der DFB-Auswahl.
"Reus hat gegen Ende der Saison mit den besten Fußball im Verein gespielt und dann stellt er sich hin und sagt, er muss regenerieren. Und eineinhalb Jahre später soll er der Mannschaft weiterhelfen, das verstehe ich nicht", sagte Hamann vergangenen Monat im Interview mit SPOX und GOAL.
Aussagen, die beim BVB mit Kopfschütteln zur Kenntnis genommen werden. Genauso wie die Kommentare, wonach Reus nicht mehr ganz so gut sei wie in seiner herausragenden Rückrunde. Seine Unterstützer verweisen neben Platz zwei in der Bundesliga auf die Bilanz von fünf Toren und sieben Vorlagen - trotz der Personalprobleme.
Zudem habe er bei gleich vier Elfmetern in dieser Saison den Mitspielern den Vortritt gelassen, stünde ansonsten also vermutlich noch weit besser da. "So etwas würde Robert Lewandowski nie machen. Aber das ist halt Marcos Interpretation der Kapitänsrolle", meint einer, der ihn bestens kennt.
Neven Subotic über Marco Reus: "Für mich ist er ein echter Kapitän"
Auch Neven Subotic, der fünf Jahre gemeinsam mit Reus bei den Schwarz-Gelben erfolgreich zusammenspielte, bricht eine Lanze für seinen einstigen Teamkollegen. "Für mich ist er ein echter Kapitän, vor allem in seinem Handeln auf dem Platz", sagte der Serbe zu GOAL und SPOX.
Zwar tue sich sein Ex-Verein fußballerisch noch etwas schwer, wie zuletzt gegen Stuttgart, aber jeder Sieg bringe eben auch zusätzliche Sicherheit und Selbstvertrauen. "Man darf das nicht isoliert betrachten, sondern muss es im Gesamtbild sehen. Die Mannschaft ist zum Teil neu, dann fällt Haaland aus, über den sehr viel gelaufen ist. Dann ist mit Marco Rose ein neuer Trainer da. Aber Marco Reus hat schon in der Vergangenheit immer wieder die richtige Antwort gegeben", erklärt Subotic, Meister von 2011 und 2012 mit dem BVB.
"Dass er alleine jedes Spiel entscheidet, ist zu viel verlangt. Doch in den wichtigsten Szenen hat er immer wieder bewiesen, dass er da ist für die Mannschaft", meint Subotic. "Deshalb kann ich ihn für die Nationalmannschaft nur empfehlen, weil er maßgeblichen Anteil daran hat, dass die Mannschaft Tabellenzweiter ist", ergänzt er.
BVB: Trainer Marco Rose voll des Lobes für seinen Anführer
Ähnlich sieht es sein Coach. "Ich bin kein Bundestrainer, deshalb müssen das andere entscheiden. Ich kann nur sagen, dass ich unglaublich froh bin, einen solchen Kapitän zu haben, der Verantwortung übernimmt, vorangeht und versucht, ständig fit zu sein. Er hat sich in der Mannschaft ein Standing über Leistung erarbeitet, das absolut top ist", sagte Rose am Samstag bei Sky.
Vor der Länderspielpause waren kurz Fragen laut geworden über das Verhältnis zwischen Trainer und Kapitän, als Reus nach der Niederlage in Leipzig die defensive Fünferkette der Borussen kritisiert hatte ("Damit kommen wir gar nicht klar").
Marco Reus: "Zwischen mich und Rose passt kein Blatt Papier"
Dies wurde als Trainerschelte verstanden, was Reus aber kurz danach weit von sich wies. "Wenn ein Kapitän nach einem Spiel gar nichts mehr sagen darf, dann wird es schwierig", erklärte er bei Sport1. Im Gegenteil: "Zwischen mich und Marco Rose passt kein Blatt Papier."
Denselben Eindruck versucht auch sein Boss zu vermitteln. "Ich habe immer gesagt, wie wichtig Marco für den BVB ist", sagte Rose auf der Pressekonferenz in Lissabon: "Er ist ein Dortmunder Jung, er lebt und kämpft für den Verein. Neben der sportlichen Rolle spielt er auch persönlich eine wichtige Rolle für uns."
Der Trainer weiß, dass er seinen Anführer gerade jetzt dringend benötigt. Denn mit einem Sieg gegen Sporting ist der Einzug in die K.-o.-Runde sicher, eine Niederlage mit mindestens zwei Toren Unterschied würde dagegen das Aus bedeuten. Es wird also wieder einmal auf den Kapitän ankommen.