Wenn man von Mannschaften spricht, die ein Champions-League-Halbfinale bestreiten (Dienstag, 21 Uhr im LIVETICKER), dann kennen Fußballfans in der Regel alle Spieler ganz genau. Schließlich sind Akteure wie Benzema, De Bruyne oder Salah gefeierte Weltstars, die Creme de la Creme - sonst wären die Teams ja auch nicht so weit gekommen. Eine Ausnahme bildet in dieser Saison die Überraschungsmannschaft aus Villarreal, die erst Juventus und dann die Bayern aus dem Wettbewerb kegelte.
Hier ist das Team der Star, die Einzelspieler sind kaum bekannt. Albiol vielleicht, der war ja mal bei Real. Oder Mittelfeld-Ass Parejo. Der Name Arnaut Danjuma Groeneveld hingegen dürfte selbst vielen eingefleischten Fußball-Fachleuten kaum etwas sagen. Noch nicht. Denn wenn der 25-Jährige am Dienstag gegen Liverpool aufläuft, dann hat ihn wohl ausgerechnet der gegnerische Coach auf dem Zettel.
Warum aber sollte ein Top-Klub wie Liverpool Danjuma beobachten? Die Antwort gab ausgerechnet Bayern-Coach Julian Nagelsmann, als er auf einer PK zu einem Loblied auf den Niederländer ausholte: "Er ist ein sehr gefährlicher Stürmer, der sich immer wieder rauskippen lässt auf den linken Flügel. Da so ein bisschen parkt und auf die Umschaltsituationen wartet. Er hat ein gutes Tempo, gute Bewegungen und ist vergleichbar mit einem europäischen Top-Top-Spieler. Ich sage jetzt den Namen nicht, aber da werdet ihr selber draufkommen, wenn ihr ihn ein bisschen beobachtet."
Nagelsmann braucht den Namen nicht zu nennen - es klingt schließlich exakt wie die Beschreibung von Sadio Mane. Glaubt man The Athletic, dann haben die Reds bereits im Winter ihre Fühler nach Danjuma ausgestreckt, ihn zum möglichen Erben ihres langjährigen Top-Angreifers auserkoren. Danjuma hat allerdings noch bis 2026 Vertrag und eine Ausstiegsklausel über 75 Millionen Euro. Eine Abschreckung? Vielleicht nur voerst.
Wer also ist dieser Niederländer, dem ein Trainer wie Klopp offenbar eine solch große Aufgabe wie das Erbe einer Vereinslegende zutraut? Schaut man sich seinen Werdegang an, dann wird klar: Dieser Mann hat bereits solch hohe Hürden gemeistert, dass ihn die Fußstapfen Manes wohl kaum mehr schocken dürften. Danjuma kommt buchstäblich von ganz unten.
Danjuma: Von der Obdachlosigkeit bis auf Klopps Wunschzettel
Im Alter von vier Jahren kommt der gebürtige Nigerianer in der niederländischen Industriestadt Oss an, seine Eltern hoffen hier auf ein besseres Leben. Das Gegenteil trifft ein: wenige Monate nach der Ankunft lassen sich die Eltern scheiden, Danjuma bleibt mit seinen zwei Geschwistern bei seiner Mutter - und stürzt in die Obdachlosigkeit ab. Während die Mutter verzweifelt Arbeit sucht, schläft die Familie mal im Auto, mal bei Freunden. Diese Zeit wird den heutigen Fußball-Star sein ganzes Leben lang prägen.
"Mit vier Jahren habe ich mit dem Fußball begonnen. So wurde ich von Problemen ferngehalten und konnte das Leben genießen. Es war eine Art Zuflucht für mich", so beschreibt es Danjuma im Nachhinein, der für die harte Zeit heute "dankbar" ist. Er tut alles für sein Hobby, das für ihn längst zum Lebensinhalt geworden ist. Als er in eine Pflegefamilie kommt, hat er Glück: Zwar können die "neuen" Eltern nicht viel mit Fußball anfangen, aber Ziehvater Cees glaubt an das Talent des Jungen und fährt ihn regelmäßig zum Training.
Im Alter von elf Jahren ermöglicht es ihm ein Gerichtsbescheid, die Pflegefamilie zu verlassen und zu seinem Vater zu ziehen. Danjuma schafft es in die Jugendabteilung der PSV Eindhoven, wo er sich allerdings ungerecht behandelt fühlt. Es zieht ihn nach Nijmegen, wo er nach der ersten Saison prompt absteigt. Ein Rückschritt mit positiver Wirkung: In der zweiten Liga kommt der Angreifer auf 28 Torbeteiligungen in 28 Spielen. Der FC Brügge schlägt zu und schnappt sich den Angreifer für rund drei Millionen Euro.
Danjuma wird bei Bayern-Schreck Villarreal schnell zum absoluten Leistungsträger
Innerhalb eines Jahres folgt ein solch kometenhafter Aufstieg, dass man kaum Schritt halten kann: CL-Debüt gegen den BVB, Debüt in der niederländischen A-Nationalmannschaft gegen Deutschland, Wechsel nach Bournemouth in die Premier League - für satte 15 Millionen Euro. Auch dort steigt Danjuma ab, aber auch hier wird dies eher Segen als Fluch. Er sammelt 22 Scorerpunkte in 33 Championship-Partien. Villarreal wird auf ihn aufmerksam - und zahlt 2021 25 Millionen Euro für ihn. Und natürlich schlägt der Niederländer wieder voll ein.
Zehn Tore in 23 Ligaspielen, sechs Treffer in elf CL-Einsätzen - der immer mehr zum Stürmer umgewandelte Flügelspieler liefert wieder einmal ab. Grund dafür sind neben den fußballerischen Fähigkeiten vor allem Mindset und Selbstbewusstsein. Danjuma arbeitet hart, analysiert seine Spiele akribisch und will andauernd lernen: "Ich versuche, Spiele zu gewinnen, bevor ich sie spiele."
Über die Zweitklassigkeit in Bournemouth sagt er im Nachhinein: "Wenn ich wirklich komplett ehrlich sein soll: Ich hätte nie damit gerechnet, dass ich in meiner Karriere mal in der Championship spiele. Ich bin an die Champions League gewöhnt, nicht die Championship." Danjuma bringt nicht nur die Fertigkeiten mit, die an Mane erinnern, er ist auch ein Mentalitätsmonster. Ein Mentalitätsspieler in einem Team, das von Jürgen Klopp trainiert wird? Das klingt nicht nur nach einem "Match made in heaven" - es könnte auch bald eines werden.