Romelu Lukaku vor dem Champions-League-Finale mit Inter Mailand gegen Manchester City: Komplizierte Liebe

Romelu Lukaku, Inter Mailand
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Held, Verräter, Rückkehrer, Flop, Charmeur - und nun Hoffnungsträger? Romelu Lukaku bekleidete bei Inter Mailand schon äußerst unterschiedliche Rollen. Nach schwierigen Monaten ist der 30-jährige Belgier vor dem Champions-League-Finale am Samstag gegen das favorisierte Manchester City plötzlich wieder wichtig.

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Lange schien es, als hätte sich Romelu Lukaku mit einem Wechsel von Inter Mailand zum FC Chelsea im Sommer 2021 alles kaputtgemacht. Alles, außer halt sein Konto. Wobei, sogar da gibt es Zweifel: Wurde es durch seinen hochdotierten Vertrag bei Chelsea womöglich gesprengt? Zwölf Millionen Euro kassierte Lukaku in London dem Vernehmen nach netto, um die Hälfte mehr als zuvor bei Inter.

Trotz des Gehaltssprungs war Lukakus 113 Millionen Euro teurer Wechsel zu Chelsea aus heutiger Sicht ein gewaltiger Fehler. Überhaupt brachte der Transfer nur Verlierer hervor: Lukaku setzte sich bei Chelsea nicht durch, sein neuer Klub versenkte mit dem Transfer Unsummen - und das geschwächte Inter verlor den Scudetto ausgerechnet an den Stadtrivalen AC Milan.

Immerhin sah Lukaku seinen Fehler schnell ein: Nur ein Jahr später kehrte er per einjähriger Leihe reumütig und zu alten, deutlich geringeren Bezügen nach Mailand zurück. Seinen Platz in der Mannschaft und in den Herzen der Fans hatte der 30-jährige Belgier aber erst einmal verloren. Seitdem kämpft er gegen alle Widerstände an. Auch die seines Körpers: In der Hinrunde fehlte er lange verletzt.

Nach beachtlichen Entwicklungen in den vergangenen Wochen scheint es aber, als könnte Lukaku diesen zunächst fast aussichtslos erscheinenden Kampf letztlich doch noch gewinnen. Kommt es beim Champions-League-Finale am Samstag gegen das favorisierte Manchester City zum Happy End - das in Lukakus Träumen übrigens gar kein End sein soll?

Romelu Lukaku fand bei Inter sein Glück

2021 war Lukaku bei seinem Wechsel von Inter zu Chelsea knapp hinter Jack Grealish der zweitteuerste Spieler der damaligen Transferperiode. Soeben hatte er Inter zum ersten Meistertitel seit 2010 geschossen - und sich selbst übrigens auch: Genau elf Jahre zuvor hatte er als Teenager die belgische Meisterschaft mit dem RSC Anderlecht gewonnen.

Als Lukaku daraufhin im August 2011 zu Chelsea wechselte, waren die Erwartungen an ihn groß. Größer vielleicht sogar, als seine 1,91 Meter Gardemaß. Der neue Didier Drogba? Nein. In London setzte sich Lukaku nicht durch, auch bei Manchester United blieb er später hinter den Erwartungen zurück. Am erfolgreichsten traf Lukaku bei kleineren Klubs, bei West Bromwich Albion und dem FC Everton. Aber dort holt man eben keine Titel.

Erst in seinen späten 20ern bei Inter passte endlich alles. Lukaku traf, Lukaku wurde von den Fans geliebt, Lukaku holte mit der italienischen Meisterschaft seinen ersten großen Titel - und schmiss mit seinem Wechsel zu Chelsea daraufhin alles weg. Inters Fans fühlten sich von ihrem einstigen Helden betrogen. Symbolisch verunstalteten sie ein Wandgemälde von ihm vor dem San Siro.

Inter statt Chelsea: Lukakus Rückkehr nach einem Jahr

Und Lukaku? Er kam bei Chelsea nicht mit Trainer Thomas Tuchel zurecht, vermisste Spielpraxis, Mailand und seine alten Fans, die ihn nun für einen Verräter hielten. "Alles, was letzten Sommer passiert ist, hätte so nicht passieren sollen. Die Art und Weise, wie ich den Verein verlassen und wie ich mich von den Fans verabschiedet habe, ärgert mich noch immer", klagte Lukaku damals bei Sky. Er bat Inters Fans um Verzeihung und betonte, "von tiefstem Herzen" auf ein Comeback zu hoffen.

Damit brachte er nach den Nerazzurri schließlich auch noch Chelseas Anhänger gegen sich auf. Der Klub bedachte ihn darüber hinaus mit einer Geldstrafe in Höhe von einer halben Million Euro, Tuchel strich ihn für ein Spiel aus dem Kader. Ein wirklicher Verlust war das Fehlen des damaligen Lukakus aber ohnehin nicht. Im Sommer 2022 durfte er für eine Leihgebühr von etwa acht Millionen Euro tatsächlich nach Mailand zurückkehren.

Nach seiner Ankunft betonte er durchaus überraschend, "die ganze Saison über" mit Trainer Simone Inzaghi in Kontakt gewesen zu sein. Die Fans sahen die Rückkehr zwiegespalten: Zwar wurde Lukaku in Mailand von einigen jubelnden Tifosi empfangen, die Ultras der Curva Nord distanzierten sich in einem Statement aber und erinnerten an seinen "Verrat": "Er wurde unterstützt und behandelt wie ein König, nun ist er einer von vielen." Lukaku solle nicht gehuldigt werden, er müsse sich Zuneigung mit "Demut und Schweiß" neu erarbeiten.

Das gelang ihm zunächst nicht. Unter anderem, weil er gar nicht auf dem Platz stand. Große Teile der Hinrunde verpasste Lukaku verletzt, schnell wurde die Rückholaktion als Flop abgestempelt. Gerade noch so rettete er sich in den belgischen WM-Kader, offensichtlich angeschlagen war er beim beschämenden Vorrunden-Aus nur Ersatz.

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Romelu Lukakus plötzliche Wiedergeburt Ende April

Ab der Rückrunde kam er in der Serie A zwar regelmäßig zum Einsatz, wirkte zunächst aber wie ein schlechtes Imitat des echten Lukaku. Oftmals scheiterte er nicht erst am Torschuss, sondern bereits an der Ballannahme. Bei einem trostlosen 0:0 gegen Sampdoria Genua warf Nicolo Barella nach einem weiteren stümperhaften Lukaku-Schnitzer verzweifelt seine Hände in die Luft. Eine öffentlichkeitswirksame Demütigung, gefolgt von gestenreichen Diskussionen zwischen den beiden Spielern. Klub-Ikone Giuseppe Bergomi nannte Lukakus Auftritt bei einem Remis gegen die AC Monza wenig später gar "peinlich".

Inzaghi vertraute in der längst an die SSC Neapel verlorenen Meisterschaft trotz allem konsequent auf Lukaku, in den Champions-League-Spielen und auch beim siegreichen Pokal-Finale gegen die AC Florenz aber setzte er im Sturm neben dem unumstrittenen Lautaro Martinez stets auf den 37-jährigen Routinier Edin Dzeko.

Wegen Lukakus enttäuschenden Leistungen in der Serie A musste Dzeko nicht um seinen Startplatz in den wichtigen Spielen bangen - aber dann verwandelte sich das Lukaku-Imitat Ende April plötzlich wieder in das Original: In den abschließenden acht Ligaspielen erzielte er sieben Treffer und bereitete vier weitere vor, schoss Inter gemeinsam mit dem ähnlich treffsicheren Lautaro somit auf Platz drei. Das Sturmduo "LuLa" harmonierte wieder wie während der Meistersaison.

Inter Mailand: Die Statistiken von Lukaku, Lautaro und Dzeko in der Saison 2023/24

SpielerEinsätzeSpielminutenToreVorlagen
Romelo Lukaku361.955147
Edin Dzeko512.836145
Lautaro Martínez564.0282811

Romelu Lukaku oder Edin Dzeko: Wer beginnt?

Lukaku hat in dieser Saison um ein Drittel weniger Spielminuten als Dzeko gesammelt, dabei aber gleich viele Tore erzielt und mehr vorbereitet. Geht es nach der aktuellen Form und der generellen Klasse, spricht vieles für einen Startelfplatz Lukakus beim Champions-League-Finale. Wobei Dzeko bei seinen internationalen Einsätzen ebenfalls nicht enttäuschte: Beim Halbfinal-Hinspiel gegen Milan avancierte er gar zum Matchwinner.

Mit seinem explosiven Antritt und seinem Gefühl für Räume ist Lukaku vermutlich sogar der bessere Einwechselspieler als der eher statischere Dzeko - sofern das Spiel gegen das übermächtig erscheinende City in der zweiten Halbzeit nicht schon längst verloren ist. Lukaku würde sich über einen Bankplatz übrigens sicherlich nicht beschweren, schließlich betrieb er die ganze Saison über eine verbale Charm-Offensive gegenüber Klub und Fans.

Während seiner Krise im Winter und trotz aller Skepsis von den Rängen nannte er Inters Fans "die besten, die ich bisher kennengelernt habe" und "wahrhaftig besonders". Respekt brachte ihm auch sein alleiniger Kurven-Besuch nach einem enttäuschenden Remis gegen die US Salernitana ein. "Wir schätzen Lukakus Entschuldigung", ließen die Ultras daraufhin in einer Mitteilung verlauten. "Es mangelte ihm zwar an Präzision, aber er hat sein Herz auf das Spielfeld geworfen. Das ist es, was zählt."

Wieder und wieder hat Lukaku betont, dass er seine Zukunft bei Inter sieht und trotz laufenden Vertrages bis 2026 nicht zu Chelsea zurückkehren will. Sein Sohn spielt mittlerweile in Inters Akademie. "Romelu liebt Inter und die Stadt", sagte Inter-CEO Beppe Marotta neulich. "Er ist ein Vollprofi und vermittelt ein großes Zugehörigkeitsgefühl. Abgesehen von sportlichen Überlegungen sind das wichtige Aspekte."

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