Alles ist nicht genug

Der FC Bayern steht zum vierten Mal in fünf Jahren im Champions-League-Halbfinale
© getty

Pep Guardiola spürt den Druck beim FC Bayern und wirkte nach dem Sieg gegen Manchester extrem gelöst. Die Mannschaft zeigt mentale Stärke und zehrt auch von den Erfolgen der letzten Saison.

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Wenn Ende August in Nyon die Gruppenphase der Champions-League-Saison 2014/15 ausgelost und die UEFA wieder ihren Highlight-Trailer aus der Vorgänger-Saison darbieten wird, wird eine Szene aus dem Viertelfinale zwischen dem FC Bayern München und Manchester United einen prominenten Platz einnehmen: der Strahl von Patrice Evra aus Minute 58.

Selbst Zlatan Ibrahimovic, Jahrhunderttor-Torschütze vom Dienst, dürfte vor Neid erblassen angesichts der perfekten Symbiose aus Wucht und Präzision.

Nicht nur die Charakteristik des Treffers war für die Spieler des FC Bayern München schwer zu ertragen, weil auch der Faktor Glück bei so einem Tor eine große Rolle spielt.

Vor allem war es ein ziemlich ungünstiger Zeitpunkt für ein Gegentor. Inklusive den 93 Minuten aus dem Hinspiel waren die Bayern über zweieinhalb Stunden permanent angerannt; die Wall of Manchester erwies sich mit Ausnahme des Treffers von Bastian Schweinsteiger im Old Trafford als unüberwindbar. Und nach Evras Tor war erst recht nicht davon auszugehen, dass die Mauer anfangen würde zu bröckeln.

Uniteds folgenschwere Fehlerkette

Doch es dauerte nur wenige Sekunden, ehe die Betonmischer aus England gleich mehrere folgenschwere Fehler en suite machten. Erst stellten Phil Jones und Darren Fletcher auf der linken Seite den Passweg zwischen Franck Ribery und Mario Götze nicht zu und dann entschied sich Jones, Fletcher bei der Verfolgung von Götze zu unterstützen, anstatt Ribery auf den Füßen zu stehen, so wie er es in den zweieinhalb Stunden vorher gemacht hatte.

Ribery konnte in aller Ruhe in die Mitte flanken, Nemanja Vidic sprang nicht hoch genug und Evra, der mit dem Strahl Sekunden zuvor, kam gegen Mario Mandzukic einen Schritt zu spät.

"Wir haben den Bayern sehr wenig angeboten, aber in dieser Szene haben wir ein paar Fehler zu viel gemacht. Und das unmittelbar nach unserem Tor - unfassbar", klagte United-Verteidiger Chris Smalling.

Ein zweites Handballspiel

Der schnelle Ausgleich war die erste echte Torchance des FC Bayern in diesem Spiel, außer harmlosen Flanken und noch harmloseren Fernschüssen hatten die Münchner nicht viel zu bieten. "Wir hatten permanent eine Handballsituation. Ein bisschen rätselt man da schon, wie man es am besten anpackt", gab Thomas Müller anschließend zu.

Analog zum Hinspiel zog Manchester United alle Spieler hinter den Ball und Trainer David Moyes mit Fletcher und Michael Carrick zwei Spieler ins defensive Mittelfeld, die in erster Linie für ihre Arbeit gegen den Ball bekannt sind und ihre Qualitäten im Zweikampf und Löcherzulaufen haben.

Der schnelle Ausgleich wirkte wie ein Weckruf für die Münchner. Von da an war ihr Angriffsspiel entschlossener, schneller und mutiger. Pep Guardiola vermutete darin eine Eigenheit der Menschen mit Staatsangehörigkeit seiner Wahlheimat. "Deutsche Leute müssen mir erklären, warum sie immer einen Rückstand brauchen", sagte der Bayern-Trainer, der im fünften Versuch zum fünften Mal im Champions-League-Halbfinale steht.

"Wir sind in einer überragenden Situation"

Nach dem 0:1 in Augsburg hatte ein kleiner Teil der Bundesliga-Konkurrenz Guardiola die Charakterfrage gestellt ob seiner breit gefächerten Rotation.

Er hat sich nicht näher damit beschäftigt und auch im Hinblick auf das Spiel gegen Borussia Dortmund am kommenden Samstag erneut erklärt, dass die "Bundesliga für uns vorbei ist" und stattdessen auf die Bedeutung des Halbfinals im DFB-Pokal gegen den 1. FC Kaiserslautern in der kommenden Woche hingewiesen.

Guardiola ist nach München gekommen, um Titel zu gewinnen und den in der Meisterschaft hat er bereits geholt. Es gibt für ihn in der Liga nichts mehr zu tun, nur noch in den Pokal-Wettbewerben. "Wir sind schon Meister und können noch zwei weitere Titel holen. Das ist der schönste Teil der Saison, wir sind in einer überragenden Situation", sagte er.

Guardiola wirkte auf der Pressekonferenz gelöst wie selten; es schien, als habe ihn jemand von einer unangenehmen Last befreit.

"Ich bin heute sehr, sehr glücklich. Ich weiß, was die Leute in diesem Verein verlangen, was auch die Fans und die Journalisten verlangen: Wir müssen jedes Spiel gewinnen", sagte er. Doch selbst das reicht laut Guardiola nicht aus. "Alles ist in diesem Verein nicht genug", schob er mit einem Lächeln hinterher.

Zum vierten Mal England?

Seine Spieler kennen die Erwartungshaltung schon ein bisschen länger und profitieren in besonderen Drucksituationen von den Erfolgen der letzten Saison.

"Von der Mentalität her sind wir extrem gut. Wir sind als Mannschaft gewachsen, die Führungsspieler gehen alle vorneweg. Und so können wir dann so ein Spiel auch noch drehen", sagte Müller, mit fünf Toren erfolgreichster Bayern-Schütze in dieser CL-Saison.

Bis zum vierten Finale innerhalb von fünf Jahren ist es nicht mehr weit. Nur noch ein weiterer Gegner bis Lissabon. Der kommt wahrscheinlich aus Madrid. Oder doch wieder aus England. Auf dem Weg ins Halbfinale mussten sich die Bayern schon mit beiden Manchester-Klubs und dem FC Arsenal auseinandersetzen.

Es ist in der Rekord-Ära des FC Bayern müßig zu erwähnen, dass noch nie eine Mannschaft den Champions-League-Titel gewonnen hat, die gegen vier Teams aus einem Land spielen musste.

FC Bayern - Manchester United: Daten zum Spiel

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