Die größte Baustelle bleibt

Nach drei Pflichtspielsiegen in Folge musste sich der BVB erstmals wieder geschlagen geben
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Borussia Dortmund hat trotz der 1:2-Niederlage bei Juventus Turin vor allem dank des erzielten Auswärtstreffers noch alle Chancen, das Champions-League-Viertelfinale zu erreichen. Die Umstellungen von Trainer Jürgen Klopp fruchteten allerdings kaum - weil das eklatante Abwehrverhalten dem BVB ein ums andere Mal das Genick bricht.

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Es war wie immer am Vortag eines internationalen Spiels: Die Pressevertreter aus beiden Ländern befragen sich gegenseitig, wer denn beim jeweiligen Gegner wohl auflaufen würde. Das war auch in Turin nicht anders, nur fand man im Falle Borussia Dortmunds keine wirkliche Lösung für die in diesem Fall italienischen Probleme.

Klar war: Kapitän Mats Hummels würde nach Krankheit wieder in die Elf zurückkehren, Kevin Kampl fiel zudem sicher aus.

Jakub Blaszczykowski stand daraufhin bei der Mehrheit als Kampl-Ersatz auf dem Zettel, plötzlich tauchte auch der lange verletzte Sven Bender in einigen voraussichtlichen Aufstellungen auf.

Umstellung des Systems

Dass Jürgen Klopp an seiner zuletzt siegreichen Elf mehr Änderungen als notwendig theoretisch vornehmen würde, kam daher letztlich überraschend. Der Dortmunder Trainer stellte auf ein 4-1-4-1 um, der glücklose Henrikh Mkhitaryan bekam ebenso wie Ciro Immobile in seiner ehemaligen Heimatstadt eine Chance in der Startelf.

Klopp kommentierte die Maßnahme, den in den letzten Wochen so treffsicheren Pierre-Emerick Aubameyang für Immobile aus dem Sturmzentrum zu nehmen vor der Partie wie folgt: "Wir haben den Bogen lang genug gespannt. Irgendwann muss man ihn auch wieder loslassen. Er hat gut trainiert und sich gut verhalten, jetzt bekommt er seine Chance. Manchen Spielern tut man keinen Gefallen, wenn man sie in solchen Spielen spielen lässt. Ich hoffe und glaube, er ist nicht der Typ."

Begrenzte Wirkung

Zwar konnten im Nachgang der Partie alle Borussen mit der knappen 1:2-Niederlage und vor allem dem wichtigen Auswärtstor leben, doch Klopps personelle Umstellung in der Offensive zeigte streng genommen lediglich 25 Minuten ihre Wirkung - zwischen dem Dortmunder Ausgleich und der erneuten Juve-Führung.

Mkhitaryan lieferte ein durchschnittliches Spiel ab, ihm war im Passspiel deutlich anzumerken, dass Sicherheit vor Risiko stand.

Immobile brachte mit drei die meisten Torschüsse des BVB auf den gegnerischen Kasten, die Kaltschnäuzigkeit eines Torjägers ging ihm jedoch erneut ab. Dem Italiener war wie immer läuferisch kein Vorwurf zu machen, er konnte sich allerdings kaum einmal gegen einen Gegenspieler durchsetzen und Bälle im vorderen Drittel festmachen.

In diesen 25 Minuten ging der Plan des BVB dennoch auf, Juventus agierte nach der verletzungsbedingten Auswechslung von Andrea Pirlo sogar kopflos und nervös. Betrachtet man das gesamte Spiel, lieferte Klopps Truppe allerdings eine offensiv äußerst magere Leistung ab, im zweiten Abschnitt kam man nicht einmal mehr zu einer vernünftigen Torchance.

Der emotionale Joker

"In der zweiten Hälfte haben wir zu viele Bälle zu früh verloren und hatten da selten einen ruhigen Spielaufbau. Wir waren einen Tick zu wenig aggressiv. Juve hatte in der zweiten Hälfte zwei Chancen und wir keine richtig gute mehr. So müssen wir mit dem 1:2 leben. Für heute war nicht mehr möglich", sagte der BVB-Coach.

Insofern muss die Frage erlaubt sein, weshalb Klopp überhaupt die erfolgreiche Formation abänderte und nicht mit Shinji Kagawa auf der Zehn als Pirlo-Bewacher und dem im Zentrum wesentlich stärkeren Aubameyang spielen ließ.

Den emotionalen Joker Immobile zu ziehen, ist zwar nachvollziehbar gewesen, unter dem Strich tendierte der Ertrag dieser Maßnahme aber gegen Null.

Zu viel "Unforced Errors"

Andererseits ist es letztlich müßig zu diskutieren, ob die Änderungen der Dortmunder Startelf notwendig gewesen sind oder nicht. Wenn nämlich das bisweilen eklatante Abwehrverhalten nicht abgestellt wird, hat es der BVB schwer, die Begegnung für sich zu entscheiden.

Denn, so Klopp: "Wenn man solche Gegentore bekommt, ist es schwierig, bei Juve etwas zu holen." Nimmt man Turin mit in die Wertung, stehen in den letzten drei Spielen nun jeweils zwei Gegentreffer zu Buche.

Diese Bilanz ist aktuell genauso alarmierend wie die Tatsache, dass sich die Probleme im Defensivverbund bereits die gesamte Saison über halten. Klopp musste seine letzte Linie schon in den unterschiedlichsten personellen Konstellationen aufs Feld schicken, die Häufigkeit der unforced errors scheint aber gänzlich unabhängig davon.

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Vielfältige Abwehrprobleme

Dortmund kassiert weiterhin viel zu billige Gegentore, die wie auch am Dienstagabend in Turin geschehen einen Gegner aus einer für ihn ungünstigen Lage befreien und wieder ins Spiel zurückbringen können. Die Statistiker erfassten in bislang 32 BVB-Pflichtspielen in dieser Saison schon zehn individuelle Fehler, die zu Gegentreffern führten.

Die eine klare Lösung gibt es für diese Problematik deshalb nicht, weil es den Kontrahenten auf vielfältige Weise zu leicht gemacht wird, Tore zu erzielen.

Dortmund staffelt sich schlecht, rückt falsch ein, hat Schwierigkeiten beim Verteidigen von Standardsituationen oder schätzt Spielsituationen schlicht falsch ein - alles schon da gewesen und höchstens einmal im Ansatz für eine gewisse Dauer eingestellt.

Fatale Wackler

Gegen Juventus sah man vor dem 2:1 die Variante durch die Mitte: Der Gegner schaffte es im Spielaufbau, mit einem simplen, flachen und scharfen Zuspiel das defensive Mittelfeld der Dortmunder blitzartig zu überbrücken.

Dies war auch in der Bundesliga schon mehrfach zu beobachten, zuletzt gegen Augsburg und Mainz. Doch stand dort kein Alvaro Morata oder Carlos Tevez auf dem Rasen, die in der Lage sind, solche Unzulänglichkeiten gleich auf Anhieb zu bestrafen.

Die defensive Instabilität bricht den Schwarzgelben immer wieder das Genick und bleibt Dortmunds größte Baustelle. Da nutzen die guten Szenen in der offensiven Balleroberung für die Gesamtbetrachtung nur wenig, auch wenn für Kapitän Hummels das defensive Gerüst "im Großen und Ganzen" steht. Die "kleinen Wackler", die er sieht, bringen allerdings das große Ganze zu häufig zum Einsturz.

"Vieles, vieles richtig gut"

Klopp tut also wie zuletzt gut daran, die vergangenen Siege nicht über zu bewerten und zu betonen, dass ihm noch ein Haufen Arbeit ins Haus stünde.

Trotz seines Ärgers über vermeidbare Fehler spricht er sie öffentlich zwar an, stellt in der weiterhin schwierigen sportlichen Lage aber viel lieber die positiven Momente heraus - und davon gab es in der Rückrunde ja auch schon einige.

Daher bringt es Klopps finales Resümee auf der Pressekonferenz im Bauch des Juventus Stadium auch auf den Punkt: "Wir haben in der ersten Halbzeit vieles, vieles richtig gut gemacht, den Gegner unter Druck gesetzt. Aber beide Gegentore waren zu leicht."

Juventus Turin - Borussia Dortmund: Die Statistik zum Spiel

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