Bayer Leverkusens jüngste Bilanz gegen die "Großen" der Königsklasse liest sich wahrlich grausam. Vor dem Achtelfinale gegen Atletico hießen die letzten drei Top-Gegner Paris St.-Germain, Manchester United (beide 13/14) und Barcelona (11/12).
Alle sechs Spiele gingen verloren, das Torverhältnis steht in der Addition bei 5:25. Gegen PSG und Barca flog Bayer jeweils hochkant raus. Doch nicht nur die Höhe der Niederlagen, sondern vor allem ihr Zustandekommen wurde Leverkusen stets angekreidet.
Bisweilen hilflos hatte sich die Werkself ihrem Schicksal ergeben. Weder war Entschlossenheit zu Beginn noch ein Aufbäumen nach Rückstand zu erkennen. Von Selbstvertrauen oder Mut ganz zu schweigen.
Entscheidende Zentimeter
Am 17. März 2015 in Madrid waren es lediglich Zentimeter, die Bayer vom Viertelfinale trennten. Nach zwei hochspannenden und ausgeglichenen Partien war erst im Elfmeterschießen Endstation. Zwar ist Leverkusen einmal mehr an einem Großen, in diesem Fall am Vorjahresfinalisten gescheitert. Doch zwischen den blamablen Auftritten von einst und dem Fight im Vicente Calderon liegen Welten.
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"Es wird oft versucht, meiner Mannschaft zuzuschreiben, dass sie in großen Spielen nicht in der Lage sei, den Kampf anzunehmen. Das hat sie widerlegt", sagte Trainer Roger Schmidt, bei dem trotz offensichtlicher Enttäuschung ein wenig Stolz in der Stimme mitschwang.
Dass das Rückspiel in Madrid verdammt unattraktiv werden könnte, war abzusehen. Zu sehr sind beide Teams auf frühes Zerstören und schnelles Umschalten eingestellt. Und so neutralisierten sie sich bisweilen sogar gegenseitig. Es entwickelte sich ein unfassbar zähes, fehlerbehaftetes Fußballspiel.
Grausamer Fußball, großer Kampf
Beide Teams versuchten sich oft, dem gegnerischen Druck durch lange Bälle zu entziehen. Am Ende waren es jeweils über 21 Prozent aller Pässe - eine außergewöhnlich hohe Quote. Jedoch verstand es Atletico besser, diese Zuspiele in der Offensive festzumachen und vor allem zweite Bälle zu ergattern.
Insgesamt stand jedoch auf beiden Seiten eine verheerend hohe Anzahl an Fehlpässen. Durchschnittlich kamen nicht einmal zwei von drei Pässen an. "Atletico hat sehr gut Druck gemacht", musste auch Simon Rolfes anerkennen. Selbst sein Trainer konnte "keine spielerische Linie" erkennen. "Aber das geht auch gar nicht in solch einem Spiel".
Die Fehlpässe von Leverkusen gegen Atletico
Tatsächlich war es schwer, Leverkusen ein stringentes Konzept im Angriffsspiel zu unterstellen. Sportdirektor Völler argumentierte, dass es schwer sei "gegen eine spanische Mannschaft, die mit allen Finessen kämpft, viel provoziert und Freistöße herausholt", kam jedoch auch zu dem Resümee: "Wir haben heute einen super Kampf geliefert".
Mehr noch: Bayer hat auch die richtigen Mittel gefunden, um zunächst den Vorsprung und später immerhin den Gleichstand zu verteidigen. Alleine damit bewies die Werkself, dass sie gewachsen ist. Das Defizit lag diesmal woanders.
Mutlosigkeit als Hauptproblem
Leverkusen fehlte es neben einem klar strukturierten Angriffsspiel in der Offensive vor allem an Mut und Courage. Gerade in der Verlängerung, als Bayer plötzlich wieder Entlastungsangriffe fahren konnte, vermochte es niemand, die schwindenden Kräfte des Gegners und die daraus resultierenden Räume zu nutzen. Den Vorwurf der Mutlosigkeit muss sich die Werkself - wie auch in den großen Partien der Vergangenheit - gefallen lassen.
"Wir haben uns zu sehr auf die Defensive verlassen. Wir waren nicht mutig genug", monierte Rolfes. Er war es auch, der in der 111. Minute die beste Bayer-Chance hatte, als er sich aus 25 Metern ein Herz fasste und die Kugel nur knapp neben den linken Pfosten setzte.
"Wenn wir ein Tor machen, wird es für Atletico ganz schwer", so Rolfes treffend. Auch Völler bemängelte, sein Team sei "in der Vorwärtsbewegung nicht so stark wie sonst gewesen". Und Gonzalo Castro hatte die Ursache ausgemacht: "Wir haben uns von den Fans einschränken lassen."
Ein klarer Fortschritt
Die wahnwitzige Atmosphäre im Hexenkessel Vicente Calderon war zwar absehbar, dennoch ließ sie die Spieler offensichtlich nicht kalt. Nicht umsonst hat Atletico unter Simeone nunmehr neun der letzten zehn Champions-League-Heimspiele gewonnen. Mit einem Torverhältnis von 25:2. Das Calderon verdient den Titel Festung wahrhaftig.
"Elfmeterschießen haben auch mit den Nerven zu tun. Es ist einfacher, man im eigenen Stadion Elfmeter schießt, als wenn man ausgepfiffen wird. Das hat den einen oder anderen Spieler wohl verunsichert", glaubt auch Schmidt.
Womöglich lag es auch daran, dass mit Hakan Calhanoglu, Ömer Toprak und Stefan Kießling gleich drei Bayer-Spieler teils kläglich vom Punkt scheiterten. Doch die eigentliche Quintessenz der Partie war auch für Schmidt offensichtlich: "Elfmeterschießen kann man verlieren. Dass wir überhaupt ins Elfmeterschießen kamen, ist das Außergewöhnliche." Und ein klarer Fortschritt im Vergleich zur Vergangenheit.
Atletico Madrid - Bayer Leverkusen: Die Statistik zum Spiel