Gar nicht so lange ist es her, da strich Max Allegri seinen Star Arturo Vidal aus dem Kader von Juventus Turin. Seine Einstellung gefalle ihm nicht, es gäbe momentan bessere im Mittelfeld der Italiener. Prompt brodelte die Gerüchteküche auf, Manchester United, der FC Barcelona, Real Madrid und zahlreiche andere Top-Klubs wurden von den Gazzetten als Abnehmer ins Gespräch gebracht.
Monate später ist Vidal der Mann im Mittelfeld von Juventus Turin. Paul Pogba fehlte gegen den AS Monaco, dafür standen mit Andrea Pirlo und Claudio Marchisio aber bei weitem keine unbekannten Namen in der Startelf. Doch die beiden italienischen Nationalspieler gingen neben dem bis an die Zähne zu bewaffnet scheinenden Vidal beinahe komplett unter.
Der Chilene geht mit Tunnelblick auf den Platz und hört erst wieder auf zu rennen, wenn der Schiedsrichter zum Gang in die Kabine pfeift. Vidal ist in Turin zu einem herausragenden Mittelfeldspieler gereift und hat die Schwächen aus seiner Zeit bei Bayer Leverkusen nahezu komplett abgestellt.
Chilenisches Taschenmesser
Als den "Besten auf seiner Position" bezeichnete ihn Allegri kürzlich. Seine Position ist allerdings schwer festzumachen. Irgendwo in der Mitte, von Seite zu Seite driftend. Offensiv und defensiv immer zur Stelle. Vidal geht über den klassischen Box-to-Box-Player weit hinaus.
Er ist eine Allzweckwaffe, die jeder Trainer gerne in seiner Mannschaft hätte, das Schweizer Taschenmesser unter den Mittelfeldspielern. Fünf Schüsse gab er gegen den AS Monaco ab, die meisten seiner Mannschaft. Unfassbare sieben Grätschen setzte er an, sieben Mal eroberte er den Ball - selbstredend Höchstwert. Die zweitmeisten Ballkontakte hatte er nach Giorgio Chiellini, dazu war er der am zweitöftesten gefoulte Spieler auf dem Platz.
Die Statistiken zeigen: Vidal ist nur schwer zu stoppen, wenn überhaupt. Neben dem angeschlagenen Pirlo war er nicht nur am Aufbauspiel beteiligt, sondern schaltete sich gleichzeitig auch in den Angriff ein. Der Chilene leitet Angriffe zum Teil ein, um sie selbst wieder abzuschließen.
"Er ist auf einem Top-Niveau"
Sein Hoch hält an, seit Allegri ihn von der Spielmacherposition wieder etwas nach hinten zog. Im 4-3-1-2, das der Juve-Coach auf den Platz schickt, wirkte der 27-Jährige hinter den Spitzen wie aus dem Kontext gerissen.
Hatte ihm der Trainer nach der Weltmeisterschaft noch eine "schwache Kondition" attestiert, spricht er nun nur noch in höchsten Tönen vor seinem Mittelfeldmotor: "Er ist in einer tollen Form und zeigt das jedes Mal wieder auf dem Rasen. Er ist derzeit auf einem Top-Niveau, das macht mich sehr glücklich."
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Auch in die andere Richtung funktioniert es plötzlich besser. "Allegri ist ganz anders als Conte. Ich spiele nun fast ein Jahr unter ihm und mag seine Idee, schönen Fußball zu spielen", so Vidal.
Tatsächlich hat sich der Chilene in dieser Saison nochmal gesteigert. Im Schnitt zwei Chancen pro Spiel spielt er heraus, rund sechs Mal schickt er einen Mitspieler pro Spiel auf die Reise Richtung gegnerisches Tor. Zahlen, von denen er im letzten Jahr noch weit entfernt war.
Vom Krieger zum Häuptling
Danken will er dafür vor allem Conte. "Er hat mich drei Jahre lang trainiert und hat mich zu einem kompletteren Spieler gemacht. Er hat meine Mentalität komplett verändert." Michael Reschke sagte einst, aus dem "kleinen Krieger" Vidal wäre der "große Häuptling Vidal" geworden und beschrieb den Werdegang seines einstigen Top-Transfers bestens.
Der Elfmeter von Vidal im RE-LIVE
Neben seinen fußballerischen Fähigkeiten hat sich Vidal in Turin noch das Auftreten eines Leaders erarbeitet. Die Körpersprache ist eine ganz andere, er führt seine Mannschaft an und reißt sie mit. Er lässt sich nicht mehr aus der Ruhe bringen, wenn es hitzig wird, seinen letzten Platzverweis kassierte er im Februar 2012.
Grenzenloser Ehrgeiz und die gesammelten Erfahrungen haben aus ihm einen Spieler gemacht, der nicht mehr wegzudenken ist aus der Mannschaft Turins. Sympathien hat er auf diesem Weg vielleicht nur bei den eigenen Fans gesammelt, angesichts der Erfolge dürfte ihm das aber egal sein.
"Bleibt ruhig, ich mache das"
Ob er in der Form seines Lebens ist, wurde er vor dem Spiel gegen den AS Monaco gefragt. Nein, so Vidal. Nicht nur, dass er in der Vergangenheit starke Spiele abgeliefert hätte, er wisse auch noch nicht, was die Zukunft bringen würde.
Elf Kilometer weiter und wenige Stunden später hat er seine Aussage schon bestätigt. Vidal hat nochmal gegen die Monegassen eine weitere Schippe draufgelegt und eines der besten Spiele dieser Saison abgeliefert. Der Elfmeter setzte einer starken Performance noch die Krone auf. Eigentlich war der Chilene gar nicht als Schütze angedacht, schnappte sich aber den Ball - seine Einstellung zwang ihn regelrecht dazu.
"Ich habe Carlos darum gebeten, schießen zu dürfen. Nach der Chance in der ersten Halbzeit habe ich das gebraucht. Es ist alles gut gegangen", erklärte er. Die Botschaft, die der Krieger anschließend an die eigenen Anhänger sendete: "Ich bin jetzt zu 100 Prozent fit und möchte unseren Fans sagen: Bleibt ruhig, ich mache das. Ich bin besser als jemals zuvor."
Juventus Turin - AS Monaco: Die Statistik zum Spiel