Die Szenen im Madrid ähnelten sich. Bereits am Dienstag waren zahlreiche Fans in der spanischen Hauptstadt zum Neptuno-Brunnen gepilgert und feierten dort den Einzug ins Finale.
Wieder einmal bekam der Meeresgott von den fanatischen Spaniern einen weiß-roten Schal umgehängt und wurde von tausenden Atletico-Fans eingekesselt. Gerade als die letzten Überreste der nächtlichen Party beseitigt wurde, pilgerte am nächsten Tag das weiße Fanlager der Stadt zum 500 Meter entfernten Brunnen.
Diesmal waren es die Real-Fans, die die spanische Hauptstadt und den Paseo del Prado in eine Feiermeile verwandelten. Innerhalb von gerade einmal 24 Stunden darf die Stadt Madrid somit mit dem Einzug von Atletico und Real zwei Champions-League-Finalist bejubeln. Wie 2014 kommt es im bedeutungsschwersten Fußballspiel der Welt zu einem Stadtderby.
Abkehr vom Spektakel
Mit einem scheinbar unspektakulären 1:0 hatten sich die Königlichen gegen Manchester City durchgesetzt. Besonders die Spielweise der Königlichen beeindruckte. Statt wie im Viertelfinal-Rückspiel gegen den VfL Wolfsburg ein Offensiv-Feuerwerk abzubrennen und mit dem Messer zwischen den Zähnen in die Schlacht zu ziehen, strahlten die Königlichen eine erdrückende Dominanz aus.
Und das ausgerechnet in einem Spiel, das für den Saisonverlauf von zentraler Bedeutung war. "Es wäre ein Desaster, wenn wir nicht weiterkommen", hatte Real-Coach Zinedine Zidane vor dem Spiel Druck auf seine Spieler ausgeübt.
Doch Real legte den jahrelang prägenden Spektakel-Fußball gegen City ab und zeigte eine andere Facette. Während sich die Königlichen in den letzten Jahren oft über Einzelaktionen von Ronaldo definierte, brillierte am Mittwochabend das Kollektiv. Bezeichnend, dass Madrid rund 60 Prozent der Zweikämpfe für sich entschied. Speziell Kroos und Modric, die die meisten Ballkontakte aller Feldspieler hatten, räumten in der Dreierreihe vor der Abwehr alles ab und dominierten die Partie von dort aus.
Real greift nach La Undecima
"Wir haben gelernt und haben zueinander gefunden - wie echte Champions. Vor allem in der Defensive war die Konzentration sehr hoch, wir haben dem Druck standgehalten. Wir genießen nun den Moment und wollen den letzten Schritt gehen. Das Team und die Fans haben sich diesen Moment verdient", erklärte Kapitän Sergio Ramos unmittelbar nach dem Spiel.
Die Königlichen stehen damit bereits zum 14. Mal im CL-Finale und greifen nach "La Undecima", dem 11. Henkelpott der Vereinsgeschichte. "Ich träume davon, als Trainer La Undecima zu gewinnen, aber heute ist ein Tag zum Genießen", sagte Zidane auf der anschließenden Pressekonferenz.
Dabei sah die königliche Welt zu Beginn des Jahres alles andere als rosig aus. Nach einer vergleichsweise Schwachen Hinrunde setzten Los Blancos Coach Rafael Benitez vor die Türe, in der Liga hinkte man Barca weit hinterher. Nur fünf Monate später steht Real im CL-Finale und liegt in der Liga nur einen Punkt hinter dem Spitzenreiter aus Katalonien.
"Diese Saison war ein hartes Stück Arbeit. Es hat gedauert, bis wir uns gefunden haben. Der Fußball hat gute und schlechte Zeiten. Vor fünf Monaten hatten wir eine harte Zeit, aber wir haben es geschafft, uns zusammenzuraufen", erklärte Ramos.
Dominanz der spanischen Teams
Die Dominanz der spanischen Teams wird durch den Finaleinzug von Real somit immer deutlicher. Wie auch 2014 und 2015 wird auch diesmal der Sieger des wichtigsten europäischen Wettbewerbs von der Iberischen Halbinsel kommen. Das schaffte in der CL-Geschichte vor Spanien noch kein anderes Land.
Auch in der Europa League wanderte der Pott 2014 und 2015 nach Spanien, mit Villarreal und dem FC Sevilla haben zwei Teams die Chance auf das Landes-Triple. Auch in sämtlichen K.o.-Spielen wird diese Dominanz beeindruckend deutlich. Die spanischen Teams entschieden in dieser Saison 14 von 14 K.o.-Duellen für sich, zählt man die letzten beiden Jahre dazu, waren es 45 von 48.
City mit blutleerer Vorstellung
Vom einst so dominanten englischen Fußball ist hingegen wenig übrig geblieben. Mit Manchester City verabschiedet sich der letzte verbleibende Klub von der Insel aus dem Wettbewerb. Die Citizens präsentierten sich im Bernabeu erschreckend zahnlos. Während Manchester im Hinspiel vor allem in den ersten 30 Minuten ordentlich Dampf machte, liefen die Engländer in Madrid nur lustlos hinterher. Von einem aktiven Anlaufen oder gar einem Aufbäumen nach dem Gegentor war rein gar nichts zu sehen.
Yaya Toure stand sinnbildlich für die Leistung der Skyblues. Er trabte bis zu seiner Auswechslung im Schneckentempo über das Feld. Ausgerechnet im Kracher gegen Real, in einem Halbfinalrückspiel, zeigte man eine komplett blutleer Leistung ohne sämtliche Leidenschaft. In den gesamten 180 Minuten in Hin- und Rückspiel bekamen die Skyblues gerade einmal zwei Schüsse aufs Tor.
"Glücklicher Erfolg" von Real
"Das ist natürlich ein enttäuschender Moment, denn wir hätten locker ins Finale kommen können. Real hat das Spiel kontrolliert, aber dann auch ein sehr glückliches Tor geschossen. Sie konnten dem Spiel nicht die finale Entscheidung geben, weil wir stabil standen", sagte City-Keeper Joe Hart nach dem Spiel und schob dann einen entscheidenden Satz nach: "Ob wir tatsächlich genug investiert haben? Ich weiß es nicht."
Das CL-Finale der Klubgeschichte ist somit dahin und der Strohhalm, an den man sich klammerte, ist außer Reichweite. Denn auch in der Liga rutscht Manchester City nach starkem Beginn in der Tabelle immer weiter ab. In der Hinrunde griffen die Citizens noch nach der Meisterschaft, inzwischen müssen die Skyblues gar um die Quali für die Champions League bangen.
City-Coach Manuel Pellegrini wurde nach der Vorstellung von Pep Guardiola ein Stück weit die Kompetenz entzogen. Seit Monaten wirkt er wie ein angeschlagener Boxer vor dem Fall. Es passt ins Bild, dass er trotz der sichtbaren Dominanz der Königlichen von einem "glücklichen Erfolg" von Real sprach.
Ob Glück oder verdienter Sieg, durch das Ausscheiden von City kommt es am 28. Mai zu einer Neuauflage des CL-Finales von 2014. An beiden Brunnen werden die Fans in der spanischen Hauptstadt sicherlich nicht feiern. Fragt sich also nur, wo die Party genau stattfindet.
Real Madrid - Manchester City: Daten zum Spiel