Lange strahlte am Dienstag die Sonne über Manchester, ehe es am Nachmittag zu regnen und stürmen begann. Anschließend ereilte den FC Bayern im Etihad Stadium ein ähnliches Schicksal wie zuvor die Sonne: Gute Ansätze, aber letztlich fehlte die Durchschlagskraft.
0:3 verlor die Mannschaft von Trainer Thomas Tuchel im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League gegen Manchester City. Das Aus ist damit so gut wie besiegelt. Beim Rückspiel am kommenden Mittwoch bräuchte es für ein Weiterkommen ein mittelgroßes Wunder in München.
Bei den Ausführungen der Münchner Wortführer ging es anschließend dennoch mehr um Sonne als um Regen. "Ich bin hochzufrieden", betonte beispielsweise Tuchel: "Heute habe ich mich schockverliebt in meine Mannschaft." Joshua Kimmich sah "sehr, sehr gute 60 Minuten". Leon Goretzka sagte: "Ich glaube nicht, dass viele Mannschaften hier derart dominant auftreten mit Ball." Und Sportvorstand Hasan Salihamidzic: "Wir haben es so gemacht, wie ich selten eine Mannschaft hier gesehen habe."
FC Bayern: Entgegen des eigenen Selbstverständnisses
Ja, der FC Bayern war taktisch gut eingestellt und hat sich mit der aktuell womöglich besten Mannschaft der Welt bis zum 0:2 einen offenen Schlagabtausch geliefert. Ja, die drei Gegentore fielen unglücklich. Rodris 1:0 war ein traumhafter Distanzschuss, Bernardo Silvas 2:0 ging ein übler Patzer von Dayot Upamecano voraus und Erling Haalands 3:0 eine Standardsituation. Ja, der FC Bayern hatte jeweils kurz vor den ersten beiden Gegentreffern selbst gute Chancen durch Jamal Musiala und Leroy Sané.
Aber deshalb gleich "hochzufrieden" und "schockverliebt" zu sein? Deshalb eine fast schon historische Dimension in Sachen Dominanz zu erkennen? Das riecht schon sehr nach Schönrederei. Diese Herangehensweise hat nichts mit dem Selbstverständnis des FC Bayern zu tun. Nochmal zur Erinnerung: Die nimmersatten Mia-san-Mia-Münchner haben mit 0:3 verloren. Da sollte man nicht hochzufrieden sein.
Unabhängig von der über weite Strecken guten Leistung des FC Bayern wirkte es außerdem nie, als würde City richtig ins Wanken geraten. Auch die Statistiken sprachen für die Gastgeber: der xG-Wert mit 1,92 zu 0,85, die Großchancen mit 4:1. Die Münchner waren nie zwingend genug. In der zweiten Halbzeit verhinderte der am Ball wiederholt unsichere Keeper Yann Sommer mit einigen starken Paraden einen noch höheren Rückstand.
Die deutliche Pleite in Manchester offenbarte gebündelt altbekannte Probleme. Unerklärliche Leistungsschwankungen, die ganze Saison ist bekanntlich wechselhaft wie das Wetter in Manchester. Verheerende Aussetzer in der Defensive, das Fehlen eines Weltklasse-Mittelstürmers. Eric Maxim Choupo-Moting überzeugte im Laufe der Saison immerhin phasenweise. In seiner Abwesenheit fehlt den Münchnern im Angriffszentrum aber jegliche Wucht.
FC Bayern: Die Bosse geraten weiter in Erklärungsnot
Fahrlässigerweise verzichtete die sportliche Führung um den Vorstandsvorsitzenden Oliver Kahn sowie Sportvorstand Hasan Salihamidzic im vergangenen Sommer auf die Verpflichtung eines echten Nachfolgers von Robert Lewandowski oder wenigstens eines gestandenen Ersatzes für Choupo-Moting. Star-Neuzugang Sadio Mané ist erstens kein Mittelstürmer und erfüllte zweitens die in ihn gesteckten Erwartungen bisher überhaupt nicht. Bezeichnenderweise setzte ihn Tuchel in Manchester zunächst auf die Bank.
All das sind generelle Probleme. Keine Probleme, die sich durch einen wie nun in München vollzogenen Trainerwechsel sofort beheben lassen. Vielleicht ein bisschen naiv erhofften sich die Bosse mit dem Tausch an der Seitenlinie dennoch eine Blitzheilung und entscheidende Impulse im Kampf um das Triple.
Nur eineinhalb Wochen nach Tuchels erstem Spiel ist aber jegliche kurzfristige Wirkung des Trainerwechsels verpufft. Im DFB-Pokal ist der FC Bayern ausgeschieden, in der Champions League so gut wie. Es bleibt also wohl nur noch der Trostpreis Bundesliga - und auch der ist längst noch nicht gesichert. Verfolger Borussia Dortmund liegt nur zwei Punkte zurück.
Tuchel sollte man für die aktuelle Gesamtsituation nicht verantwortlich machen. Viel eher geraten die durch die turbulente Trennung von Nagelsmann ohnehin geschwächten Bosse weiter in Erklärungsnot. Daran ändert auch die ordentliche Leistung in Manchester nichts.