Kevin Kuranyi hat es wenig ruhmreich vorgemacht, jetzt denkt auch Torsten Frings infolge seiner Reservistenrolle in den WM-Quali-Spielen gegen Russland und Wales über einen Rücktritt aus der deutschen Nationalmannschaft nach. Ein legitimer Schritt oder doch nur Rumgeheule? Ein Kommentar von SPOX-Redakteur Thomas Gaber.
"Derzeit bin ich echt nachdenklich, der Rücktritt schießt mir immer wieder durch den Kopf", sagte der Bremer der "Bild"-Zeitung.Werder rät Frings vom Rücktritt ab
Frings fühlt sich von Bundestrainer Joachim Löw respektlos behandelt, die Tatsache, dass er sich gegen Wales nicht warmlaufen sollte, empfindet er als "Demütigung".
Frings sieht keine Perspektive
Und obwohl ihm Löw einen "vorbildlichen Umgang" mit seiner Situation attestierte und betonte, weiter auf ihn setzen zu wollen, sieht Frings "derzeit keine Perspektive" beim Bundestrainer.
Frings' Verhältnis zu Löw muss mächtig gelitten haben in den Tagen von Düsseldorf und Mönchengladbach, anders ist seine Reaktion nicht nachzuvollziehen. Frings fühlt sich in der Ehre verletzt und seine Verdienste für die Nationalmannschaft nicht ausreichend gewürdigt.
78 Mal hat der 31-Jährige für den DFB die Knochen hingehalten und nach dem Rücktritt von Oliver Kahn nach der WM 2006 das Machtvakuum hinter Kapitän Michael Ballack ausgefüllt. Dafür gebühren ihm Respekt und Anerkennung.
Schlechter Stil
Löw jetzt Respektlosigkeit vorzuwerfen, weil er gegen Russland und Wales auf Thomas Hitzlsperger gesetzt hatte, ist schlechter Stil, ungerechtfertigt und schlichtweg unklug.
Frings hat nach mehreren Knieverletzungen nie mehr sein höchstes Leistungslevel erreicht. Seine Konkurrenten im defensiven Mittelfeld, Hitzlsperger und Simon Rolfes, haben den Rückstand durch gute Leistungen schon während der EM wettgemacht.
Hitzlsperger und Rolfes spielen seit Monaten auf einem konstant hohen Niveau und haben in ihren Vereinen Führungspositionen inne. Hitzlsperger ist Kapitän des VfB Stuttgart, Rolfes trägt bei Bayer Leverkusen die Binde.
Schwache Minuten gegen Russland
Löw hatte angekündigt, die Hierarchie im Nationalteam künftig mehr am Leistungsprinzip festzumachen. Mit Frings' Verbannung auf die Bank hat er diesem Paradigma Rechnung getragen.
Frings' 7-Minuten-Einsatz gegen Russland bestätigte Löws Entscheidung sogar. Anstatt für Stabilität und Ordnung im Mittelfeld zu sorgen, spielte Frings die ersten drei Pässe den Russen direkt in die Füße.
Und die Einwechslung eines defensiven Mittelfeldspielers hätte gegen mauernde Waliser beim Stand von 0:0 keinen Sinn gemacht.
Löw duldet keine Kritik
Mit seinen egozentrischen Äußerungen hat sich Frings nicht gerade in eine bessere Verhandlungsposition gebracht.
Löw hasst übertriebene Selbstbezogenheit, jeder hat sich dem Teamgeist unterzuordnen. Wer anderweitig handelt oder Kritik an seiner Arbeit äußert, wird vom Bundestrainer gnadenlos rasiert.
Bernhard Peters wurde aus dem Kompetenzteam des DFB entfernt, weil er "fehlende Leidenschaft" der Spieler bei der EM 2008 beobachtet und dies mit "mangelhafter Vorbereitung" begründet hatte. Peters entschuldigte sich öffentlich, eine zweite Chance bekam er nicht.
Keine Stammplatzgarantie
Auch Kuranyi wird in der Ära Löw nie mehr für Deutschland spielen. Wer einen Fehler macht, ist raus. Bei Frings macht Löw - zumindest vorerst - eine Ausnahme.
"Torsten genießt bei mir weiterhin eine hohe Wertschätzung, allerdings kann ich im Sinne des Konkurrenzkampfes keine Stammplatzgarantie abgeben", sagte der Bundestrainer.
Die Nichtberücksichtigung sei "keine Frage fehlenden Respekts, wie er es formuliert, sondern die Einschätzung der sportlichen Situation im
Nationalmannschafts-Kader."
Mit Blick auf die WM 2010 müssten auch "jüngere Spieler, die sich in der Bundesliga durch gute Leistungen hervortun, ihre Chance erhalten", stellte Löw klar.