"Habe kein Problem, meine Meinung zu sagen"

Von Interview: Stefan Rommel
Marcell Jansen absolvierte bisher 28 Länderspiele für die deutsche Nationalmannschaft
© Getty
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SPOX: Schlüpfen Sie jetzt in eine neue Rolle, auch außerhalb des Platzes?

Jansen: Ich komme mit vielen gut klar und habe auch kein Problem, mit Leuten zu diskutieren und meine Meinung zu sagen. Auch wenn es dem einen oder anderen nicht passt. So bin ich erzogen, so war ich schon immer. Wenn man intern was sagen muss, dann sage ich das auch. Dann muss man damit rechnen, dass gesagt wird: 'Der hat ne große Klappe.' Aber komischerweise habe ich mit denen, die das damals in Gladbach gesagt haben, heute noch den besten Kontakt.

SPOX: Sie reden sehr viel von lernen und Entwicklung. Sie haben auch schon viel mitgemacht - sind aber erst 23 Jahre alt. Wie reif sind Sie wirklich?

Jansen: Das ist wie bei jedem anderen Arbeitnehmer auch: Wenn man lange genug dabei ist, kennt man die Abläufe, hat die Sicherheit und das nötige Vertrauen. Eine gewisse Reife ist also schon vorhanden. In Gladbach war die Familie noch da. In München ging es gleich ins kalte Wasser. Da werden Titel gefordert, dann bist du auch noch verletzt. Dann denkst du schon: 'Spielst du jetzt überhaupt noch? Die anderen schlafen ja auch nicht.' Ottmar Hitzfeld hat mir dann gesagt, dass er mich noch braucht. Das hat mir Mut gegeben und meinen Stellenwert gezeigt. Und zu Jürgen Klinsmann bin ich dann später hin und wollte eine Bestandsaufnahme. Ich habe das Gespräch mit Ihm gesucht. Hätte ich das nicht gemacht, wäre ich wohl jetzt noch da. Dann wäre alles wohl nicht so positiv gelaufen.

SPOX: Also sind Sie für zehn Millionen Euro Ablöse zum HSV gewechselt. Hat Sie das nie belastet, der teuerste Spieler der Vereinsgeschichte zu sein?

Jansen: Nein. Wenn ein Verein sagt, das ist er uns wert, dann bestimme ja ich das nicht. Ich wusste, dass ich als Linksverteidiger in zwei Jahren über 20 Millionen gekostet habe, aber Druck hatte ich deswegen nicht. Ich habe das Geld ja nicht bekommen, sonst könnte ich jetzt schon aufhören.

SPOX: Gibt's einen Grund für die neue Frisur?

Jansen: Ich bin zum Friseur und habe mir die Haare schneiden lassen. Einen Grund dafür gab es nicht. Meine Haare werden immer dunkler, also habe ich ein bisschen nachgeholfen und experimentiert. Noch bin ich jung und kann das machen. Wer weiß, ob ich mit 35 oder 40 noch so dichtes Haar habe...

SPOX: Stimmt es eigentlich, dass Sie mit Ihrem Teamkollegen Alex Silva die Wohnung getauscht haben?

Jansen: Das stimmt. Er ist eigentlich ein guter Zeitgenosse, hatte aber ein bisschen Stress mit seinen Nachbarn. Die Brasilianer hören eben viel laute Musik, meistens Samba. Dann hat er mitbekommen, dass ich ein allein stehendes Haus habe und wir haben uns geeinigt.

SPOX: Ein Grund für Ihre körperlichen Defizite könnte auch eine spät diagnostizierte Lebensmittelallergie gewesen sein. Was hat es damit auf sich?

Jansen: Ich habe davon lange Zeit nichts geahnt. Erst als ich Anfang Dezember einen Bluttest gemacht habe, ist es rausgekommen. Da wurden alle möglichen Lebensmittel auf ihre Verträglichkeit durchgetestet. Es gibt vier Kategorien, ich war bei Stufe zwei. Das war noch okay. Aber es hat die Regeneration und meinen Stoffwechsel schon beeinflusst.

SPOX: Und auf welche Lebensmittel reagieren Sie allergisch?

Jansen: Auf Glutein, also zum Beispiel Hefe oder Weizen. Und auf bestimmte Formen von Milchprodukten.

SPOX: Gibt es dann auch bei der Nationalmannschaft anderes Essen für Sie?

Jansen: Es gibt anderes Brot und andere Nudeln für mich. Gemüse, Fisch, Fleisch, Reis oder Kartoffeln, das geht alles. Dieses ganz spezielle Brot gibt es aber auch in jedem Reformhaus. Und dann gibt's davon auch noch Kekse und Schokolade und Sojaprodukte. Echt der Wahnsinn. In Italien hat das offenbar schon jeder Vierte...

SPOX: Sind Sie der einzige im DFB-Team oder gibt es noch Leidensgenossen?

Jansen: Heiko Westermann hat auch Probleme mit der Milch, beim HSV sind es Dennis Aogo und Jerome Boateng, denen im Test auch eine höhere Stufe bescheinigt wurde. Also sind wir schon zu viert.

SPOX: Ist das nicht stressig?

Jansen: Mittlerweile geht's. Ich weiß, dass ich das für mich und meinen Leistungssport mache. Im Restaurant muss man sich auch ab und an damit auseinandersetzen und merkt dann, dass man ein ganz anderes Gefühl fürs Essen bekommt. Die Bequemlichkeit geht verloren. Aber das muss kein Nachteil sein.

SPOX: Noch was ganz anderes: Steigt Ihre alte Liebe Borussia Mönchengladbach ab?

Jansen: Es wäre sehr schlimm. Die Stadt Mönchengladbach braucht die Borussia in der Ersten Liga. Das Spiel in Karlsruhe wird richtungsweisend sein. Ich hoffe es zwar nicht, aber ich glaube, die Chancen stehen 60:40, dass sie absteigen - also Platz 16 bis 18. Die Relegation traue ich ihnen trotzdem zu, zumal sie auch besseren Fußball spielen. Wenn sie in Karlsruhe gewinnen, glaube ich, dass sie drin bleiben. Aber ich habe ein komisches Gefühl für das Spiel...

Marcell Jansen im Steckbrief