"Die Euphorie ist zu groß"

Christian Bernhard
07. Oktober 200915:18
Russlands Fans konnten in vier Quali-Heimspielen bislang vier Siege bejubelnImago
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Der Countdown läuft. Am Samstag steigt in Moskau der WM-Qualifikations-Knaller zwischen Russland und Deutschland (16.45 Uhr im LIVE-TICKER). Wie ist die Lage im Land des deutschen Gegners? SPOX hat mit russischen Journalisten gesprochen. Die warnen ihre eigene Mannschaft vor übersteigertem Selbstvertrauen und die DFB-Elf vor Spielern, die nicht Arschawin oder Schirkow heißen.

SPOX Die Kartenachfrage ist ein gern herangezogener Indikator, um den Grad der Begeisterung vor einem Fußballspiel zu messen.

"Drei Tage nach dem russischen Sieg in Wales hätte man das Luschniki-Stadion bereits dreimal füllen können", erzählt Maxim Lyapin, Redakteur bei "Sport-Express", der größten Sporttageszeitung Russlands.

"Wahnsinnssummen geboten"

"Über 200.000 Karten hätten locker an den Mann gebracht werden können. Auf dem Schwarzmarkt werden Wahnsinnssummen geboten", berichtet auch Alexander Levit von "Sovsport".

Die Hütte wird gegen Deutschland also brennen - und genau das braucht das Team laut Lyapin auch: "Gegen kleine Teams wie Liechtenstein spielen sie oft schwach. Vor vollem Haus und gegen große Namen steigert sich die Mannschaft aber gewaltig."

Die Unterstützung der Fans ist also gewiss: Ganz Russland steht hinter seiner Nationalmannschaft.

"Das ganze Land glaubt an die Sbornaja. Dieses Team ist so stark wie schon lange nicht mehr", unterstreicht Lyapin.

"Sie wissen, sie können jeden schlagen"

"Guus Hiddink hat seinen Spielern sehr viel Selbstbewusstsein eingeflößt. Sie wissen jetzt, dass sie jeden schlagen können."

Überall ist die Euphorie spürbar. In Moskau gibt es kein Vorbeikommen an Plakaten und Hinweisen auf das große Duell.

So lachen einen in den U-Bahn-Stationen Arschawin und Co. inmitten einer afrikanischen Landschaft von den Wänden an. Der Slogan: "Afrika wartet auf uns".

Der Druck wird dadurch für das Hiddink-Team alles andere als kleiner. Schließlich muss die Sbornaja gewinnen, Deutschland könnte auch mit einem Unentschieden gut leben.

Für Lyapin aber kein allzu großes Handicap: "Gegen England mussten wir in der Qualifikation für die EM 2008 auch siegen. Und wir haben es geschafft. Im Freundschaftsspiel gegen Argentinien haben wir zuletzt in Moskau ebenfalls gut gespielt. Große Mannschaften liegen uns. "

Ein Spiel für echte Männer

Levit ist da etwas vorsichtiger: "Die Euphorie ist allgegenwärtig. Meiner Meinung nach ist sie zu groß. Deutschland hat mit Michael Ballack und Miroslav Klose Spieler, die solche Situationen schon oft mitgemacht haben."

In einem Punkt sind sich beide einig: Es wird ein Spiel für echte Männer. Eine Partie, in der Erfahrung ein entscheidender Faktor sein wird. "Deutschland hat jede Menge junge, talentierte Spieler, wie zum Beispiel Mesut Özil. Am 10. Oktober wird es aber auf die erfahrenen Spieler ankommen", glaubt Lyapin. "Spieler wie Ballack und auch Bastian Schweinsteiger werden die entscheidende Rolle spielen."

Kunstrasen stiehlt den Stars die Schau

In den vergangenen Wochen standen aber nicht immer nur die Spieler oder Trainer im Mittelpunkt des Interesses. Der Kunstrasen im Luschniki-Stadion stahl den eigentlichen Akteuren gehörig die Schau.

Für Lyapin eine überflüssige Diskussion: "Russland hat nur vier Spieler, die regelmäßig auf Kunstrasen spielen. Das wird kein entscheidender Faktor. Überhaupt zeigt die Vergangenheit, dass dieses Thema immer nur vor den Spielen aufkam. Danach wurde nie über den Rasen gesprochen, auch nicht nach dem England-Spiel."

Also doch die Spieler und da hat die Sbornaja mehr zu bieten, als die Stars Arschawin, Schirkow oder Pogrebnjak:. "Linksverteidiger Renat Janbajew war gegen Wales Russlands bester Mann. Er kann auch diesmal ein mitentscheidender Faktor werden", betont Levit.

"Kerschakow hat große Qualitäten"

Lyapin hat einen weiteren Mann auf der Rechnung: Alexander Kerschakow. Der Ex-Sevilla-Stürmer geht mittlerweile für Dynamo Moskau auf Torjagd und hält in der laufenden Saison bereits bei zehn Ligatreffern.

"Kerschakow hat große Qualitäten und möchte sich erneut für einen Wechsel in eine europäische Topliga empfehlen. Dieses Spiel ist die perfekte Bühne, um sich zu präsentieren."

Oder um das Ticket für Südafrika zu gut wie zu lösen. Damit die Stimmung auch in den kommenden Monaten euphorisch bleibt.

Das russische Aufgebot für das Deutschland-Spiel