Aufstellung:
Neuer - Boateng, Mertesacker, Friedrich, Westermann - Khedira, Kroos - Trochowski, Özil - Podolski, Klose
Ursprünglich war die Reise nach Budapest als kleines Dankeschön an das ungarische Volk geplant. 20 Jahre nach dem Mauerfall wollte der DFB auf Bitten der Bundesregierung ein Zeichen setzen und die Anstrengungen der Ungarn damals würdigen.
Geplant war das Spiel demnach für 2009, aus Termingründen wurde es um ein Jahr verschoben - und ist jetzt vom netten Freundschaftsspiel mit Kuschelcharakter für die deutsche Mannschaft und Bundestrainer Joachim Löw zu einer ungemein wichtigen Standortbestimmung mutiert.
Wenn Deutschland heute Abend im Budapester Stadion Ferenc Puskas auf Ungarn trifft, dann geht es um weit mehr als den netten Austausch von Gefälligkeiten und ein paar Wimpeln.
"Ich will Dinge umgesetzt sehen"
Für einige der deutschen Spieler geht es um ihr Ticket nach Südafrika und für den Bundestrainer darum, aus 90 der letzten 180 Testspielminuten wichtige und im Prinzip längst überfällige Erkenntnisse zu gewinnen.
"Ich will gegen Ungarn die Dinge umgesetzt sehen, die wir fordern", sagt Löw in einem rauen Ton. "Ich weiß, was ich von den einzelnen Positionen erwarte."
Vor allem aber will der Bundestrainer auch Leistung von den Kandidaten sehen, die in seinen Planungen noch keinen festen Platz haben. Am kommenden Dienstag um 12 Uhr endet die Frist der FIFA, dann muss Löw dem Weltverband die endgültigen 23 WM-Fahrer mitteilen.
Streichkandidaten noch nicht im Kopf
Momentan besteht der Kader noch aus 25 Spielern, zwei von ihnen müssen am Dienstag die Koffer packen und aus dem Trainingslager in Eppan/Südtirol abreisen. Offenbar hat der Bundestrainer seine Entscheidung bezüglich der Streichkandidaten noch nicht final getroffen. Im Gegenteil.
"Ich habe die zwei Spieler noch nicht im Kopf. Das Ungarn-Spiel wird wichtige Erkenntnisse liefern. Allerdings kann ich die Partie nicht vollumfänglich nutzen. Ich will aber zwischen der 45. oder 65. Minute auch noch einige Experimente wagen."
Zwei Spielsysteme?
Zum Beispiel ließ Löw durchklingen, dass er in Budapest zwei Spielsysteme testen will. In Frage kommt das 4-2-3-1, das Löw auch für die Spiele bei der WM bevorzugt und das traditionelle 4-4-2 der deutschen Mannschaft.
"Ich brauche Spielertypen, die flexibel sind und beides spielen können", sagt Löw. Dabei wird er auf die vier Bayern-Spieler Jörg Butt, Bastian Schweinsteiger, Philipp Lahm und Thomas Müller aber verzichten.
"Sie sollen in Südtirol bleiben und dort Extraschichten machen. Die Integration von Lahm und Schweinsteiger in die Mannschaft wird keine Probleme bereiten." Butt als dritter Torhüter und Müller als Option für die Rolle des Jokers stehen bei Löw eh nicht an erster Stelle.
Badstuber muss zittern
Dabei ist dagegen Holger Badstuber. Doch obwohl sich der Youngster auf der Pressekonferenz am Donnerstag noch sehr zuversichtlich im Hinblick auf seine Südafrika-Nominierung gezeigt hatte, verdichten sich die Anzeichen, dass der Bayer einer der beiden Streichkandidaten sein könnte.
Wahrscheinlich wird Badstuber heute zu seinem Länderspieldebüt kommen. Die paar Minuten von Budapest werden aber nicht über Badstubers Nominierung entscheiden. Sollte sich keiner der restlichen Innenverteidigerkandidaten verletzten, hat der Münchener die schlechtesten Karten.
Jansen: Fit oder raus
Klar umrissen ist dagegen das Schicksal von Marcell Jansen. Der Hamburger wirkte im Training fit und voll belastbar. Trotzdem sitzt er gegen die Ungarn zunächst nur auf der Bank.
"Für Marcell ist es wohl besser, erst später in das Spiel zu kommen. Dann wird es aber wichtig sein zu testen, ob er unter Wettkampfbelastung funktioniert." Mit anderen Worten: Wenn Jansens Syndesmoseband nicht durchhält, sind seine WM-Chancen dahin. "Wir müssen schauen, ob er fit genug für ein Turnier mit großer Intensität ist", so Löw.
Sollte der für die linke Verteidigerposition eingeplante Jansen nicht mehr rechtzeitig fit werden, steigen im Gegenzug die Chancen von Dennis Aogo - und Holger Badstuber wieder.
Neuer erstmals als Nummer eins
Für Manuel Neuer wird sein viertes Länderspiel das bisher wichtigste seiner jungen Länderspielkarriere. Der Schalker geht erstmals als Nummer eins in eine Partie, alle Augen werden auf den 24-Jährigen gerichtet sein.
Ebenso wie auf Sami Khedira. Der Stuttgarter wird in Abwesenheit von Schweinsteiger die zentrale Figur in der Spielgestaltung sein und eine Art Ballack-Ersatz - und das ebenfalls ins einem erst vierten Länderspiel.
Immerhin geht Khedira selbstbewusst an die Aufgabe. "Es macht mir Spaß, Bälle zu erobern und dann schnell umzuschalten. Ich will vornweg marschieren, das Spiel gestalten und meine Mitspieler mitreißen."
Klose braucht Spielpraxis
Im Sturm setzt Löw im 4-2-3-1 auf Miroslav Klose. Den Münchener braucht der Bundestrainer trotz nur drei Ligatoren in dieser Saison mehr denn je. "Miro hat ein schwieriges Jahr hinter sich. Deshalb ist es jetzt unsere Aufgabe, ihn auf den Leistungsstand zu bringen, mit dem er uns helfen kann." Deshalb wird Klose wohl 90 Minuten durchspielen.
Die ungelösten Personalfragen drängen dabei das eigentliche Kernproblem Löws in der Vorbereitung in den Hintergrund. Die Stammformation wird sich auch im vorletzten Test vor der WM unter Wettkampfbedingungen nur begrenzt einspielen können. Dazu fehlen in Lahm und Schweinsteiger zwei zu zentrale Figuren.
Also wird sich Löw seine Wunschelf in den Trainingseinheiten und im abschließenden Spiel gegen Bosnien am kommenden Donnerstag zurechtbasteln müssen. "Wir werden uns hauptsächlich im Training einspielen", sagt Löw.
Selbst der vorletzte Test gegen die Ungarn heute Abend hat im Hinblick auf die Elf, die am 13. Juni gegen Australien ins erste WM-Spiel geschickt wird, also nur bedingt Aussagekraft.
Die voraussichtlichen Aufstellungen:
Ungarn: Kiraly - Bodnar, Vanczak, Juhasz, Bodor - Szelesi, Vadoc - Huszti, Koman, Dzsudzsak - Torghelle
Deutschland: Neuer - Boateng (Beck), Mertesacker, Tasci, Aogo - Khedira, Westermann - Kroos, Özil, Podolski - Klose
Schiedsrichter: Rizzoli (Italien)