SPOX: Herr Hummels, italienische Medien hatten vor ein paar Wochen berichtet, die halbe Serie A würde hinter Ihnen her sein. Wie nimmt man als Spieler diese dauernden News aus der Gerüchteküche eigentlich wahr?
Mats Hummels: Ich hatte von ein, zwei Gerüchten mitbekommen und mich hat es auch interessiert. Aber dann halt auch umgehend gemerkt, dass schnell irgendwelche Dinge im Umlauf sind, über die der Spieler überhaupt nicht informiert ist.
SPOX: Wird prinzipiell zu viel Unwahres geschrieben?
Hummels: Vielleicht kommen viele Dinge vom Hörensagen, einer übernimmt das dann ungesichert vom anderen und so ergibt sich dann eine Meldung. Generell denke ich, dass nicht alles richtig ist, was Journalisten schreiben.
SPOX: Ihre Mutter ist Sportjournalistin, Sie selbst hatten einst damit kokettiert, einmal Journalistik zu studieren. Glauben Sie, dass Sportjournalisten Ahnung vom Fußball haben?
Hummels: Ganz offen?
SPOX: Bitte.
Hummels: Ich glaube nicht alle. Der Großteil aber durchaus, weil sie ja immer mit dabei sind und vieles mitbekommen. Dazu kommt, dass man bestimmte Situationen im Fußball einfach unterschiedlich interpretiert. Foul oder nicht Foul. Selbst unter den Spielern ist man sich da ja nicht immer einig.
SPOX: Trotzdem kann ein Berichterstatter im Normalfall nicht nachempfinden, was es bedeutet, vor 60.000 im Stadion und Millionen am Bildschirm zu spielen.
Hummels: Das stimmt. Noch viel schlimmer ist es in der Bewertung des Tempos, das angeschlagen wird. Das können meines Erachtens nur Leute nachempfinden, die selbst mal 1. Liga gespielt haben. Da gibt es selbst zur 2. Liga noch einen ziemlichen Unterschied, ohne das jetzt negativ zu meinen. Eine Sekunde ist im Vergleich zu drei Sekunden in der Entscheidungsfindung auf dem Platz eine Winzigkeit. Und das kann man schwer nachvollziehen, wenn man es nicht selbst erlebt hat.
SPOX: Würden Sie sich eine andere Berichterstattung wünschen?
Hummels: Man muss das nehmen, wie es ist. Es muss halt jeden Tag etwas geschrieben werden. Und die Leute wollen ja auch jeden Tag etwas konsumieren. Manchmal fehlen die Themen, dann wird etwas Altes nochmal aufbereitet oder bewusst anders formuliert.
SPOX: Muss man sich auch auf gewisse Weise anbiedern, um gut durch ein Fußballerleben zu kommen?
Hummels: Nicht unbedingt. Und generell wird man ja zu nichts gezwungen.
SPOX: Darf der Profi von heute auch noch eine richtig knallige Schlagzeile raushauen oder gibt's dann sofort Ärger mit der Pressestelle?
Hummels: Vieles wird von vornherein als negativ oder zu plakativ aufgefasst. Wenn wir jetzt sagen: "Wir sind so gut, wir marschieren da durch", dann heißt es sofort: arrogant und überheblich. Deshalb passen wir eben auf - es gab ja leider auch schon Situationen, in denen einem das Wort im Mund umgedreht wurde.
SPOX: Und deshalb fangen überdurchschnittlich viele Sätze von jungen Spielern seit neuestem mit "Ich denke, dass..." an?
Hummels: Das ist mittlerweile wirklich eine Standardfloskel. Da sensibilisiert sich der Einzelne vielleicht ein bisschen dafür, wenn er mal mitbekommen hat, wie das bei einem Kollegen gelaufen ist.
SPOX: Besitzen Sie ein iPhone, Smartphone oder ein anderes mobiles Endgerät mit Internetzugang?
Hummels: Ja, wobei ich den Internetdienst wieder abbestellt habe. Da hat irgendetwas nicht so funktioniert. Mein Vater hat mir zu Weihnachten ein iPad geschenkt, da hab ich mir fünf oder sechs Spiele draufgeladen.
SPOX: Keine Apps?
Hummels: Derzeit nur die Spiele.
SPOX: Nutzen Sie Facebook und Twitter?
Hummels: Ich bin bei Facebook angemeldet und nutze das auch. Twitter nutze ich noch nicht. Das kann aber noch kommen. Ich überlege noch.
SPOX: Wofür nutzen Sie Facebook hauptsächlich?
Hummels: Um mit Freunden in Kontakt zu bleiben und um ab und zu - vielleicht zweimal pro Woche - etwas zu posten. Aber nur, wenn es etwas Lustiges zu sagen gibt oder ich etwas Interessantes im Netz finde, das ich mitteilen will. Aber ich will nicht zu viel Präsenz haben in den Medien.
SPOX: Hoffenheims Zugang Ryan Babel ist ein echter Twitter-Junkie, zuletzt hat er mit einer Fotomontage für Aufsehen gesorgt.
Hummels: Ich fand das ganz lustig.
SPOX: Die FA nicht so. Für die Pressestellen der Vereine könnten Facebook und Twitter zum reinsten Horror werden. Muss man die Spieler da maßregeln?
Hummels: Es gibt keine generelle Ansage bei uns. Natürlich sollen wir nicht so 'ne große Klappe haben. Das bringt uns nichts und wird sofort zum Bumerang, wenn's mal nicht so läuft.
SPOX: Nutzen Sie das Netz oft?
Hummels: Sehr oft. Ich lese viel, informiere mich, schaue mir Spiele anderer Ligen an. Ohne Internet hätte ich es mittlerweile ziemlich schwer.
SPOX: Dann könnten Sie weniger mit Ihrem Bruder Jonas in Kontakt bleiben, der in Unterhaching auf dem Sprung in die erste Mannschaft ist.
Hummels: Er ist drauf und dran. Aber er steckt noch mitten im Zivildienst. Eventuell hätte er den Sprung schon früher geschafft. Wenn aber die Zivi-Zeit vorbei ist, wird er seinen Weg gehen.
SPOX: Wie würden Sie sein Spiel charakterisieren?
Hummels: Er ist mir schon ähnlich. Jeder hat sich früher vom anderen etwas angewöhnt, insofern überrascht das jetzt nicht. Er spielt auch in der Innenverteidigung, ist ein bisschen kleiner, dafür aber auch schneller als ich. Er hat schon ein gutes Tempo drauf.
SPOX: Kann er es auch in die Bundesliga schaffen?
Hummels: So weit denkt er wohl noch gar nicht. Er soll schauen, dass er Spaß hat am Fußballspielen hat und beweisen, dass er ein guter Kicker ist. Dann schafft er es schon.
SPOX: Wie ist Ihre Zielsetzung mit dem BVB in den letzten 13 Spielen? "Von Spiel zu Spiel denken" gilt nicht als Antwort.
Hummels: So ist es aber. Wieso sollten wir das auf einmal ändern? Ich habe noch keinen einzigen Gedanken an das Wochenende verschwendet, weil für mich jetzt das Länderspiel zählt. Wir formulieren keine Ziele für die Zeit in zwei oder drei Monaten. Das bringt uns keine Punkte und wird uns bei Nichteintreten dann nur vorgehalten.
SPOX: Denken Sie, dass der Faktor Erfahrung im Fußball überschätzt wird?
Hummels: Das ist schon eine wichtige Sache. Aber ich wundere mich schon, wenn ich höre: "Wir haben Spieler X wegen seiner Erfahrung geholt." Das Wichtigste ist immer noch die Qualität. Im Eins-gegen-eins auf dem Platz machen 200 Spiele im Vergleich zu 80 Spielen meines Erachtens keinen großen Unterschied aus.
SPOX: Italien wird mit Pazzini an Stelle von Borriello als Stoßstürmer und Cassano dahinter erwartet. Bereiten Sie sich auf bestimmte Spielertypen speziell vor?
Hummels: Borriello und Pazzini sind vom Typ her schon unterschiedlich, wobei ich von Pazzini noch nicht so viel gesehen habe. Das werde ich mir aber noch anschauen. Aber meistens stellt man sich nach den ersten paar Aktionen auf den Gegenspieler ein. Und falls ich nicht von Beginn an spielen sollte, schaue ich mir das genau von der Bank aus an.
SPOX: Spielen Sie denn von Beginn an?
Hummels: Das weiß ich noch nicht. Meine Zielsetzung wäre es schon, in der Startelf zu stehen. Aber ich bin auch glücklich, wenn ich überhaupt zum Einsatz komme. Ich habe ja nicht gerade wenig Konkurrenz auf meiner Position.
SPOX: Wie sehen Sie Ihre Position im inoffiziellen Innenverteidiger-Ranking?
Hummels: Bei der Nationalmannschaft muss ich mich vielleicht noch ein bisschen hinten anstellen, weil ich noch nicht so oft dabei war. In der Bundesliga habe ich aber gezeigt, dass ich so schlecht nicht bin. Es gibt eine Chance, mich auch in der Nationalmannschaft durchzusetzen.
SPOX: In Italien wurde und wird das Verteidigen ja sehr kultiviert, obwohl da mittlerweile auch sehr viel Klischee mitschwingt. Welche Eigenschaft würde Ihnen denn zu einem Verteidiger italienischer Prägung fehlen?
Hummels: So groß sind die Unterscheide gar nicht. Als wir mit Dortmund gegen Udinese gespielt hatten, haben die italienischen Verteidiger eine härtere Gangart angeschlagen. Das war es aber auch schon.
SPOX: Wie sehen Sie die Entwicklung der Italiener seit 2006?
Hummels: Ihr Grundniveau ist sehr hoch. Die WM 2010 war ein Ausrutscher, der so nicht mehr vorkommen wird. Italien ist immer noch eine der besten Fußball-Nationen der Welt.
SPOX: Glauben Sie, dass Leverkusen 2012 seinen Titel verteidigen wird?
Hummels: Welchen jetzt? Den in der Europa League?
SPOX: Die deutsche Meisterschaft.
Hummels: Keine Ahnung. Vielleicht werden die Bayern dann ja wieder groß rauskommen.
Konkurrenzkampf in der Innenverteidigung: Wettstreit in der Kuschelecke