Fehler, die gut tun

Von Für SPOX in Danzig: Stefan Rommel
Bundestrainer Joachim Löw sah beim 2:2 in Polen zahlreiche Fehler des DFB-Teams
© Getty

Nach Deutschlands Last-Minute-Remis in Polen sind Mannschaft und Trainer sogar froh über eine Vielzahl der Fehler. Der Bundestrainer findet tröstende Worte für den Gastgeber und erklärt das ganz große Casting im Hinblick auf die EM für beendet.

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So schnell ist ein Stadion selten verstummt, und schon gar nicht die nagelneue Arena in Danzig. Bisher hatten hier erst zwei eher unwichtige Spieler von nationalem Belang stattgefunden, am Dienstag aber residierte Deutschland hier - und stand zum ersten Mal im 18. Vergleich überhaupt quasi schon als Verlierer fest.

Die Arena bebte, weil ein paar Minuten zuvor Jakub Blaszczykowski einen Foulelfmeter zum 2:1 verwandelt hatte. Die Polen waren so sehr damit beschäftigt, sich über den ersten Sieg gegen den großen Nachbarn zu freuen, dass sie den Ausrutscher von Jakub Wawrzyniak gar nicht mitbekamen.

Thomas Müller war der Weg zur Grundlinie plötzlich geöffnet, er legte auf Cacau quer und der lupfte die Kugel zum Ausgleich in letzter Sekunde unters Dach - und plötzlich war es still.

Es war der Schlusspunkt eines turbulenten Spiels, das dem Bundestrainer als Kontrastprogramm zu den zuletzt starken Leistungen ein paar Erkenntnisse gebracht haben dürfte.

Sieben neue Spieler

Zunächst wurde so viel rotiert, dass selbst Ottmar Hitzfeld neidisch geworden wäre. Sieben Spieler tauschte Löw im Vergleich zum Österreich-Spiel aus und hatte deshalb schon im Vorfeld angekündigt, dass es mitunter daran liegen könnte, sollte die Mannschaft nicht nahtlos an die Vorstellungen zuletzt anknüpfen. "Das liegt dann in meiner Verantwortung", sagte er.

Dazu hatte Löw die überbordende Euphorie auch verbal einzudämmen versucht und sah sich nach dem Spiel seiner B-Elf bestätigt. Aber der Bundestrainer schimpfte nicht, er war im Gegenteil fast froh, mit seiner Prophezeiung Recht behalten zu haben.

Die Jungen sollen daraus lernen

"Wir können dankbar sein, dass wir nicht jedes Spiel gewinnen". Und außerdem, fand Löw, könne es gerade den jungen Spielern nur gut tun, "wenn sie auch mal Schwierigkeiten annehmen müssen und daraus lernen".

Er stellte seine Mannschaft wieder sehr offensiv auf, mit nur einer echten Absicherung vor der Viererkette.

Es war aber zu großen Teilen nicht die Defensive, die schluderte und den Polen vor allem bei Kontersituationen einige sehr gute Chancen gewährte.

Zu viele Fehler im Spielaufbau

Der Ballvortrag von Simon Rolfes, Andre Schürrle oder Mario Götze, um nur die Neuen zu nennen, war nicht akkurat genug. "Wir haben uns zu viele Fehler im Spielaufbau geleistet, die dann zu den Problemen in der Viererkette geführt haben", sagte Kapitän Philipp Lahm.

"Wir wurden durch unser vertikales Spiel oftmals überrumpelt, weil der Gegner nur auf bestimmte Pässe gelauert und dann schnell umgeschaltet hat", meinte Per Mertesacker.

"Wir hatten ein, zwei taktische Defizite im Spiel. Die können wir aber verbessern. Es ist gut, dass uns Fehler aufgezeigt werden. Das wird uns in der intensiven Vorbereitungsphase noch gut tun."

"Überwältigende Stimmung"

Als Euphoriebremse war das letztlich glückliche, weil sehr spät erzielte Remis schon mal gut. Beim Trip nach Danzig ging es für die DFB-Delegation ja auch nicht nur um ein schnödes Testspiel.

Hier wird der Tross in gut zehn Monaten auch logieren und bei etwas Losglück auch in der wirklich schönen Arena spielen dürfen.

Die polnischen Fans jedenfalls gaben schon mal einen kleinen Vorgeschmack, was da im kommenden Jahr zu erwarten ist. "Die Stimmung war nach der Führung der Polen überwältigend", sagte Mario Götze, der daheim in Dortmund mit der größten Stehtribüne der Welt im Rücken wahrlich auch einiges gewöhnt ist.

Keine Pluspunkte für Träsch und Schmelzer

Mit den zufriedensten Eindruck der deutschen Spieler erweckte danach aber Toni Kroos. Erneut war er etwas offensiver ins Rennen geschickt worden, spielte nur selten auf einer Höhe mit Rolfes. Dafür beanspruchte er in Abwesenheit von Bastian Schweinsteiger aber die Chefrolle im Mittelfeld für sich.

Kroos ist sicherlich einer, wenn nicht der Gewinner der Länderspielwoche. "Es ist für mich jetzt zweimal ganz gut gelaufen. Ich konnte da anknüpfen, wo ich beim Brasilien-Spiel aufgehört habe", sagte er recht bescheiden, ohne dabei auf das auffällig häufig formulierte Lob des Bundestrainers in den letzten Tagen einzugehen.

In der Verfassung hat Kroos beste Aussichten auf einen Platz in der Startelf, andere kämpfen dagegen um ihre Chance auf Berufung in den Kader. Neben Rolfes konnten auch Christian Träsch und Marcel Schmelzer in der Disziplin keine Pluspunkte sammeln.

Das Casting ist beendet

Immerhin hörte sich Bundestrainer Löw auf der Pressekonferenz so an, als sei die ganz große Casting-Phase für die Europameisterschaft beendet.

Namentlich erwähnte er nur noch Ilkay Gündogan und Lewis Holtby, die für die Europameisterschaft in Frage kämen. Den ewigen Pechvogel Marco Reus zählte er wohl stillschweigend dazu.

Ansonsten gebe es in der Bundesliga aber keinen Spieler mehr, den der Trainerstab nicht schon auf dem Zettel hätte. Also dürfte die EURO 2012 für Spieler wie Philipp Wollscheid vom Club oder Schalkes Hoffnung Julian Draxler zu früh kommen.

Trost für die Polen

Am Ende hatte Löw noch eine persönliche Einschätzung für die polnischen Gastgeber parat. Eigentlich sei es für die Polen gar nicht so schlecht gewesen, das Spiel nicht zu gewinnen.

Die Erwartungshaltung und die immense Euphorie wären dann im Hinblick auf die EM womöglich zu groß geworden, sagte er und hatte damit gefühlt sogar Recht. Denn mehr als ein Mutmacher konnte die Partie kaum sein.

Und trotzdem musste man sich zweimal fragen, ob es sich immer noch um jenen Joachim Löw handelte, der zusammen mit Jürgen Klinsmann die Weltmeisterschaft im eigenen Land vor fünf Jahren genau über jene Euphorie- und Emotionsschiene befeuert hatte. Aber so ändern sich eben die Zeiten.

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