Das Kandidaten-Casting auf dem Löw-Laufsteg geht in die entscheidende Runde. Mit dem Test-Länderspiel gegen Frankreich bekommen die deutschen Nationalspieler die letzte Gelegenheit, sich für die EM-Nominierung zu empfehlen.
Wer in der Partie im Weserstadion gegen den Weltmeister von 1998 und Europameister von 2000 am Mittwoch patzt, wird seine Chance auf eine Berufung in den 23 Spieler umfassenden Kader für die Fußball-Europameisterschaft (8. Juni bis 1. Juli) deutlich verschlechtern.
Denn Bundestrainer Joachim Löw hat die Qual der Wahl, wenn er nach dem Bundesliga-Schluss am 5. Mai sein Team präsentieren wird. "25 bis 30 Spieler haben wir im Fokus", sagte sein Assistent Hansi Flick am Tag vor dem Duell gegen die Franzosen, gegen die endlich nach 25 Jahren mit fünf sieglosen Spielen wieder ein Erfolg gelingen soll.
Abschiedsspiel für Wiese?
Das Tor hüten wird über 90 Minuten Lokalmatador Tim Wiese, in dessen bisherigen fünf Einsätzen die deutsche Nationalmannschaft noch nie ein Spiel gewinnen konnte. Der 30-Jährige steht unter besonderem Druck, da er sich als Nummer zwei und drei seit seinem Debüt vor dreieinhalb Jahren gegen England (1:2) bisher nicht wirklich empfehlen konnte.
Löws Erklärung am Montag, der gebürtige Kölner pflege eine weniger moderne Spielweise als die neue Torwart-Generation wie Ron-Robert Zieler (Hannover), Marc-Andre ter Stegen (Gladbach) und Bernd Leno (Leverkusen), erlaubt die Interpretation, dass Wiese gegen Frankreich sein "Abschiedsspiel" bestreiten wird.
Denn bei den letzten Testspielen am 26. Mai gegen die Schweiz in Basel und am 1. Juni gegen Israel in Leipzig in der heißen Phase der EM-Vorbereitung müsste wieder der unumstrittene Stammtorwart Manuel Neuer (FC Bayern) das Zusammenspiel mit der Abwehr einüben.
Özil kehrt nach Bremen zurück
Und unabhängig davon, ob Wiese überhaupt zu den 23 EM-Fahrern gehören wird, wird Löw nach der Europameisterschaft die jungen Torhütern in Hinblick auf die WM 2014 in Brasilien in seinen Kader einbauen.
Wiese ist nach den einst großen Werder-Zeiten mit vielen Nationalspielern inzwischen der einzige Bremer im 20 Spieler umfassenden Team. "Die Konkurrenz ist sehr groß bei uns. Es sind sehr viele gute und junge Spieler nachgekommen", beschrieb Mesut Özil den internen Konkurrenzkampf.
Für den Star von Real Madrid ist das Länderspiel in der Hansestadt eine Rückkehr, nachdem er den SV Werder Bremen im Sommer 2010 verlassen hat. "Es war ein komisches Gefühl, wieder zurückzukommen. Aber ich freue mich ganz besonders, dass ich wieder einmal hier bin", sagte Özil.
Aufschlüsse auf den Außenpositionen erhofft
Löw beabsichtigt, einige taktische und personelle Varianten auszuprobieren im Duell gegen die Franzosen. Mit Bastian Schweinsteiger, Per Mertesacker, Lukas Podolski, Mario Götze und Philipp Lahm fehlen wichtige Kräfte nach erlittenen Verletzungen.
In der Innenverteidigung setzt der Bundestrainer auf das Bayern/Dortmund-Gespann Holger Badstuber/Mats Hummels, im Sturm erhält "Oldie" Miroslav Klose (Lazio Rom) den Vorzug Mario Gomez (FC Bayern) und das Kapitänsamt von Lahm. Gerade auf den Außenpositionen der Abwehr erwartet Löw neue Aufschlüsse.
Auf der linken Seite dürfte wieder einmal Marcel Schmelzer (Dortmund) eine Chance vor der Alternative Dennis Aogo (Hamburg) erhalten. Wesentlich spannender ist die rechte Abwehrseite, denn diese Position ist auch bei voller Personalbesetzung noch vakant.
Höwedes wieder gegen Ribery?
Gegen Franck Ribery, der am Sonntag beim 2:0 der Bayern gegen Schalke in Weltklasse-Form auftrumpfte, könnte erneut Benedikt Höwedes antreten. Der Schalker würde dafür sorgen, dass erstmals ein Nationalspieler mit einem schwarzen Gesichtsschutz in einem Länderspiel aufläuft - und das an seinem 24. Geburtstag.
Aber am Sonntag hatte der Gelsenkirchener, der eigentlich Innenverteidiger ist, größte Probleme mit Ribery. Entscheidet sich Löw für Jerome Boateng auf der rechten Seite, käme es zu dem Kampf zweier Münchner. Möglicherweise kennt Boateng die Finten und Tricks des genialen französischen Dribblers Ribery aus dem Bayern-Training besser als Höwedes.
Von Interesse ist auch die Besetzung der "Sechser"-Postionen, jenen Schaltstellen zwischen Abwehr und Angriff, wo Löw mehrfach die Forderung nach einer offensiven Interpretation der Rolle aufgestellt hat. Sami Khedira (Real Madrid) und Toni Kroos (FC Bayern), der in München am Sonntag nicht zum Einsatz kam, dürften erste Wahl sein.
Jeder Einsatz kann entscheidende Eindrücke für eine EM-Nominierung vermitteln. Marco Reus (Gladbach) könnte nach drei Einwechslungen zum ersten Mal von Beginn an spielen dürfen - eventuell auf Kosten anderer wie Andre Schürrle (Leverkusen), die um ihre EM-Berufung kämpfen.
Die EM im Überblick