Klischee und Wahrheit

Die deutschen Torhüter beim Abschlusstraining im Wembley-Stadion
© getty

Sieben Monate vor der WM in Brasilien stellt sich in Deutschland und England die Frage, mit welchen Torhütern die Nationalmannschaften ins Turnier gehen sollen. Allerdings sind die Umstände in beiden Lagern völlig unterschiedlich.

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Manuel Neuer grinste schelmisch. Er wolle immer spielen, antwortete er nach dem 1:1 in Italien auf die Frage, ob er denn jetzt auch im zweiten Testspiel in Wembley gegen England zum Einsatz kommen werde. Es war sein bestes Manuel-Neuer-Lächeln, das zwar vermuten ließ, dass er selbst schon über alles Bescheid weiß, aber es noch keinem mitteilen dürfe.

Es ist schließlich Aufgabe der sportlichen Führung, Personalentscheidung bekanntzugeben. Und so kam die Meldung, dass Manuel Neuer in London sicher nicht im Tor stehen werde nicht überraschend. Der Keeper des FC Bayern hat wie sein Mannschaftskollege Philipp Lahm und Mesut Özil, die Reise nach London nicht angetreten.

Vorzug gegenüber Adler

Gegen England wird Roman Weidenfeller sein Debüt im DFB-Trikot feiern, das bestätigte Löw am Montag auf der Pressekonferenz im Londoner Hotel The Royal Horseguards. Bereits am Sonntagabend hatte Löw seine Entscheidung, Weidenfeller und Rene Adler mitgeteilt und seine Beweggründe erklärt.

Es hätte ja durchaus auch Gründe für eine Nominierung Adlers gegeben. Schließlich hat die deutsche Nummer zwei in diesem Jahr erst zwei Länderspiele in Frankreich (Februar) und in den USA gegen Ecuador (Mai) absolvieren dürfen.

Aber Löw hat sich dann doch dafür entschieden, Weidenfeller einen Einsatz zu schenken, nachdem er ihn in erst nach einer langen Phase des Wartens berufen hatte.

Löw schwärmt von Weidenfeller?

Es soll nicht nach Almosen aussehen und es hörte sich in weiten Teilen von Löws Einlassungen über Weidenfeller auch nicht danach an, aber die Frage, wie genau der Bundestrainer jetzt mit dem BVB-Torhüter plane, blieb offen.

Es ist klar, dass sich Löw sieben Monate vor WM-Beginn keine Türen zuschlagen will und so testete er in den zurückliegenden Tagen Weidenfeller auf seine Qualitäten im Torwartspiel und seine Teamkompatibilität.

"Er hat in allen Bereichen einen sehr guten Eindruck gemacht", sagte Löw. "Es war wichtig, mit ihm Gespräche zu führen und seine Denkweise kennenzulernen."

Auch von Weidenfellers "torwartspezifischen Eigenschaften", wie Löw es nannte, gab es nichts Schlechtes zu berichten. Das habe ihm auch Torwarttrainer Andreas Köpke bestätigt. Löw hat Weidenfellers Ausstrahlung gelobt, seine Führungsrolle in Dortmund und seinen positiven Einfluss auf die Spieler herausgestellt. "Er ist eine gereifte Persönlichkeit", war das Fazit.

Wie plant Löw mit Weidenfeller?

Bleibt die Frage: Darf Weidenfeller wiederkommen? Das hängt natürlich auch zum Teil von seinem Auftreten in Wembley ab. Vielmehr aber noch von personellen Konstellationen und Grundsatzentscheidungen des Trainerteams.

"Wir waren nicht auf der Suche nach einem Torhüter", erklärte Löw. "Manuel Neuer ist die klare Nummer eins und Rene Adler hat gegen Russland und Frankreich bewiesen, dass er Spiele für uns gewinnen kann." Es besteht also kein Grund, an der aktuellen Rangfolge zu rütteln.

2010 ging Deutschland mit Neuer, Tim Wiese und dem 36-jährigen Jörg Butt ins Turnier, weil Adler verletzt absagen musste. Auch dieses Mal "müssen wir vorbereitet sein, wenn etwas passiert", sagte Löw.

Es spricht vieles dafür, dass Löw ohne Verletzungssorgen auf Neuer, Adler und einen jungen Torhüter wie Rob-Robert Zieler oder Marc-Andre ter Stegen vertraut. Weidenfeller wäre dann eher ein Thema, wenn sich einer der erfahrenen Neuer oder Adler verletzten sollte.

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Deutschlands Luxusproblem, Englands Sorgen

Klar ist aber, das Löw kommendes Jahr die Qual der Wahl hat, während sein Kollege auf englischer Seite Roy Hodgson, den Löw als echten Gentleman pries, mal wieder vor einem großen Fragezeichen auf der Torhüterposition steht.

Mit Joe Hart schien sich Englands chronisches Torhüterproblem in den letzten Jahren entspannt zu haben. Allerdings haben ihn eine Reihe von Patzern seinen Posten im Tor von Manchester City gekostet. Trainer Manuel Pellegrini hat ihn mit dem zuvor relativ unbekannten Rumänen Costel Pantilimon ersetzt. Gegen Deutschland wird Hart beginnen, darauf hat sich Hodgson festgelegt.

Seine Zukunft im Tor der Three Lions ist aber alles andere als gesichert. "Alles, was ich tun kann, ist Joe das Trikot zu geben und spielen zu lassen", sagte Hodgson. "Hinterher wird er mit all dem umgehen müssen, was kommt." Lob nach einer guten Leistung oder weitere Kritik nach Fehlern.

Forster macht Hart Druck

Gegen Chile musste Hart von der Bank aus mitansehen, wie Fraser Forster von Celtic Glasgow ein erfolgloses, aber fehlerfreies Debüt hinlegte. Der 25-Jährige hat sich vor allem mit einer grandiosen Leistung gegen den FC Barcelona in der vergangenen Saison international in den Vordergrund gespielt und wird, welch Wunder in Englands Medienlandschaft, schon als Harts Nachfolger bei City gehandelt.

Als dritten Torhüter hat Hodgson John Ruddy von Norwich City dabei, der jahrelang durch die unteren Profiliegen Englands tingelte, bis er 2010 nach Norwich wechselte und mit den Canarians schließlich 2011 in die Premier League aufstieg.

Ein weiterer Kandidat für die Nummer eins ist Ben Foster von West Bromwich Albion, der sich gerade von einem Fußbruch erholt, aber auch schon einige unglaubliche Patzer produziert hat.

Die Situation passt also mal wieder wunderbar ins Klischee. Aber das Schöne an Klischees ist, dass sie immer auch ein Stückchen Wahrheit transportieren. Und in diesem Fall besagt das Vorurteil, dass englische Torhüter ständig Fehler machen und deutsche nie. Die Wahrheit ist, dass auch deutsche Torhüter Fehler machen, aber im Vergleich zu englischen eine Bank sind.

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