"Glückwunsch, das ist überragend!" Lukas Podolski geriet in den Katakomben des Grundig Stadions fast ein bisschen ins Schwärmen. Dabei ging es jedoch weniger um das, was gerade auf dem Rasen passiert war. 4:0 hieß es in der EM-Quali am Ende gegen die Amateur- und Halbprofiauswahl aus Gibraltar.
Sogar seine zwei Assists zum 2:0 und 4:0 kommentierte Prinz Poldi nicht so enthusiastisch wie das DFB-Debüt von Jonas Hector. Der 1. FC Köln hat mit dem 24-jährigen Verteidiger wieder einen Nationalspieler - für Podolski auch zweieinhalb Jahre nach seinem zweiten Abschied aus der Domstadt allem Anschein nach noch eine Herzensangelegenheit.
"Er ist ein super Junge, er passt hier gut rein", lobte Podolski. "Er wird bestimmt weitere Chancen bekommen", sagte Podolski. Und: "Dann wird's an dem Jungen liegen, was er zeigen kann."
"Es überwiegt eigentlich beides"
Zeigen, was man kann. Eine Situation, in deren Genuss Podolski schon länger nicht mehr gekommen ist. Beim Prinzen kriselt es an allen Ecken und Enden. In London fristet er ein Bankdrücker-Dasein, in der Nationalmannschaft hat ihm die Generation um die Götzes und Schürrles dieser Welt den Rang abgelaufen. Die Lage ist ernst. Ernster, als je zuvor.
Das hat auch Podolski erkannt, der die Reise zur Nationalmannschaft als Sprachrohr für ungewohnt deutliche Ansagen nutzte. Arsene Wenger nannte er dabei nicht mal beim Namen. Der "Trainer in England" würde ihm den Wettkampf nehmen, den er "so geil findet". Podolski spricht von nötigen Veränderungen und Chancen, die er nicht bekommt. "Aus welchen Gründen auch immer..."
Der unbekümmerte Poldi hat sich - zumindest aktuell - rar gemacht. Lockere Sprüche wie "Doppelpass alleine? Vergiss es!", hat man schon länger nicht mehr gehört. "Rein das Ding, fertig und ab nach Hause", hat Podolski mal gesagt, aber schon länger nicht mehr gemacht. Nach einem Treffer in der WM-Quali 2010 beim 1:1 gegen Finnland wurde Podolski gefragt, ob die Freude über das Tor oder der Frust über das Ergebnis präsenter wäre. "Es überwiegt eigentlich beides."
Relikt aus Sommermärchen-Tagen
Mittlerweile ist es sicher der Frust, der überwiegt. 79 Minuten sind es, in denen Wenger dem Kölner in Premier und Champions League in der laufenden Spielzeit das "Vertrauen" schenkte. Mit dem Adler auf der Brust durfte Podolski gegen Gibraltar starten - weil Marco Reus, Andre Schürrle und Julian Draxler verletzungsbedingt passen mussten. Es war der erste Einsatz von Beginn an seit dem Vorrundenspiel bei der WM gegen die USA.
Auf der Pressekonferenz vor dem Testspiel gegen Spanien (20.45 im LIVE-TICKER) kündigte Bundestrainer Löw an, dass Sami Khedira in Abwesenheit von Bastian Schweinsteiger die Kapitänsbinde tragen werde. Podolski hat 121 Länderspiele auf dem Buckel, liegt damit auf Platz drei der ewigen Rangliste. Im Kader gegen die Iberer ist Thomas Müller der zweiterfahrenste, mit 61 Einsätzen. Eine Führungsrolle hat Prinz Poldi aber selbst in diesem ausgedünnten Kader nicht.
Podolski ist neben Schweinsteiger das letzte Relikt aus der Zeit des Sommermärchens, gefühlt schon eine Ewigkeit dabei und dann doch immer noch der freche Poldi. In Wahrheit ist Podolski 29 und Gefangener seiner Situation - oder vielleicht nur seiner Position?
Gefangen auf dem linken Flügel
Der Bundestrainer machte in er Unterredung mit seinem Liebling keinen Hehl daraus, wie schwierig auch er die Lage einschätzt. Es sei "zwingend notwendig, irgendwo regelmäßig zu spielen" mahnte Löw. Zu wenig Spielpraxis habe der Lukas. "Das ist bei ihm ein kleines Problem." Was der Coach meint: Es ist ein riesiges Problem.
Wenger schob einem möglichen Wechsel aber den Riegel vor. "Er steht nicht zum Verkauf", polterte der Elsässer als Reaktion auf Medienberichte, Podolski dürfe den Verein für läppische fünf Millionen verlassen. "Ich bin hier derjenige, der die Preise macht." Wie viel Vertrauen in den Spieler und wie viel Poker um höhere Einnahmen bei einem Transfer in den Aussagen steckt, sei dahingestellt.Der 65-Jährige erklärt die wenigen Einsätze mit den körperlichen WM-Nachwehen bei Podolski. Und dem breiten Kader der Gunners: "Er spielt auf der Position, auf der ich die meisten Spieler habe." Namentlich wären da Santi Cazorla, Alex Oxlade-Chamberlain und Alexis Sanchez, die den linken Flügel der Londoner blockieren.
Ein ganz einfacher Fakt, den beide Coaches im Umgang mit dem Sorgenkind aber übersehen - und der vor allem Löw angesichts der Angreifer-Problematik weiterhelfen könnte: Podolski ist ein gelernter Stürmer. In sieben Bundesliga-Spielzeiten für den FC und die Münchner Bayern traf der 29-Jährige 73 Mal, bei einer überwältigenden Mehrheit der Spiele war Podolski als Mittelstürmer oder hängende Spitze aufgestellt.
Klose weg, Gomez schwächelt - Chance für Poldi?
"Seit 2008 spiele ich fast nur links", zweifelte Podolski seine Position an. Miroslav Klose und Mario Gomez verdrängten ihn einst auf den Flügel, mit dem er sich über die Jahre arrangierte - und der ihm gewisser Weise zum Verhängnis wurde. Für eben jenen holte ihn Wenger vor zweieinhalb Jahren auf die Insel. Jetzt könnte er nicht nur sich selbst, sondern auch dem unter Stürmermangel leidendem DFB-Team helfen, würde er an die vorderste Front zurückkehren."Manchmal denke ich, ich müsste wie Robben spielen", zitiert die "Süddeutsche Zeitung" Podolski, der als Linksfuß immer nur auf links aufgeboten wurde. "Vielleicht hätte ich da zehn Tore pro Jahr mehr gemacht. Aber ich habe diese Position nie gelernt." Die Sturmspitze dagegen kann Podolski ausfüllen. Als Abschlussspieler, der sich im Zentrum schon immer am wohlsten gefühlt hat. Mit einem Haufen technisch herausragender Spieler wie Mario Götze, Mesut Özil und Thomas Müller im Rücken, die ihn perfekt beliefern könnten.
Und mag Podolski auch technisch nicht die Klasse vieler seiner Nebenmänner haben, so wäre er als Wandspieler und Kombinationspartner mehr als geeignet. Dass er im Strafraum eiskalt ist, braucht Prinz Poldi nicht mehr zu beweisen, Abschlüsse aus dem Rückraum beim Fallenlassen wären eine neue Waffe, die weder Mario Gomez noch Miroslav Klose bieten.
"Die Situation muss sich ändern"
Allzu viel müsste Poldi spielerisch also gar nicht ändern, um sich auf seine "alten Tage" noch einmal neu zu erfinden. Es wäre bestimmt auch in Löws Interesse, der seinen Schützling noch nicht aufgeben will, ihn aber in aller Deutlichkeit angezählt hat. "Letztendlich müssen wir überlegen und er sich auch, was das nächste Jahr für ihn bringt", waren die klaren Worte des Bundestrainers.
Klare Worte, die auch von Podolski kamen. "Die Situation muss sich ändern. Ich bin Straßenfußballer, will spielen", stellte er in Nürnberg klar. Vielleicht wären auch klare Worte in Richtung eines Positionswechsels angebracht. Schließlich habe er noch "weiter Spaß und Bock" am Fußball. "Ich bin ein Bestandteil der Mannschaft und möchte das auch noch lange bleiben."
Maskottchen und Sympathieträger war Poldi sowieso immer, den Status als absoluter Leistungsträger muss er sich jetzt wieder zurückkämpfen. Ob bei Arsenal oder einem der vielen Interessenten. Vielleicht sogar zu seinem FC? "Wir können weder die Ablöse noch das Gehalt eines Spielers wie Podolski bezahlen", sagte Manager Jörg Schmadtke jetzt der "Bild". Podolski dazu: "Ich kann mich ja verkleiden und nach Köln gehen. Dann merkt es keiner."
Lukas Podolski im Steckbrief