"Ich habe immer blind unterschrieben"

SID
Franz Beckenbauer wehrt sich weiterhin gegen die Vorwürfe
© getty

Franz Beckenbauer hat einen Stimmenkauf für die Ausrichtung der WM 2006 erneut vehement bestritten, sich in seiner ersten großen Stellungnahme im Zuge der WM-Affäre aber weitgehend ahnungslos gegeben.

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Der Vorwurf der Bestechung sei "falsch, wir haben doch gar kein Geld gehabt", sagte der 70-Jährige der Süddeutschen Zeitung: "Klar, wenn wir vor der Vergabe irgendwo hingefahren sind, nach Trinidad oder sonstwohin, dann war ja klar, dass wir dort nicht zum Kaffeetrinken sind, sondern weil wir die Stimme haben wollten. Wir haben auf den Wert unserer Bewerbung hingewiesen."

Im SZ-Gespräch nahm Beckenbauer ausgiebig Stellung, verlor sich aber zumeist in Allgemeinplätzen, "franzelte" über die heiklen Themen hinweg. So habe er den dubiosen Vertragsentwurf mit dem früheren FIFA-Vize Jack Warner vom 2. Juli 2000 ungeprüft unterzeichnet.

"Ich habe immer blind unterschrieben, wenn sie meine Unterschrift gebraucht haben", sagte der damalige OK-Chef Beckenbauer: "Sie glauben es nicht, aber das ist so! Wenn ich jemandem vertraue, unterschreibe ich alles. Blanko."

Warner übte Druck auf OK aus

Das Vertragspapier mit Warner kenne Beckenbauer "erst seit ein paar Stunden und musste es erst einmal übersetzen lassen. Dieses Vertragsenglisch verstehe ich auch heute noch nicht. Von mir ist das Papier jedenfalls nicht aufgesetzt worden." Warner habe aber durchaus Druck auf das OK ausgeübt: "Auch zu uns hat er gesagt: Wenn ihr Freunde seid, macht was für meine Konföderation. Aber das taten die anderen Mitglieder des FIFA-Exekutivkomitees in den anderen Ländern auch."

Angesichts des Vorwurfs mangelnder Bereitschaft zur Aufklärung warf Beckenbauer den DFB-Interimspräsidenten Reinhard Rauball und Rainer Koch seinerseits vor, sie hätten via Fernsehen ein von ihm angebotenes persönliches Gespräch über die Vorwürfe in Zusammenhang mit der WM-Vergabe abgelehnt. "Was ist denn das für ein Niveau?", klagte Beckenbauer.

Rauball und Koch reagierten zurückhaltend. "Ich habe den Brief beantwortet und an die Stelle geschickt, von der ich den Brief bekommen habe", sagte Rauball am Freitagnachmittag nach der DFB-Präsidiumssitzung in Frankfurt: Ich habe geschrieben, dass wir uns freuen und mit einem Terminvorschlag auf ihn zukommen werden. Das war am 11. November."

Niersbach bat persönlich um Hilfe

Der mittlerweile zurückgetretene DFB-Präsident Wolfgang Niersbach habe derweil, so Beckenbauer in der SZ, angesichts immer bohrenderer Nachfragen wegen der Zahlung der ominösen zehn Millionen Schweizer Franken bzw. 6,7 Millionen Euro an die FIFA die Hilfe des "Kaisers" gesucht und sei zu ihm nach Salzburg gekommen. Bei diesem Gespräch habe Niersbach um eine schriftliche Erklärung gebeten, aber nur mündliche Informationen erhalten. Anschließend kam es zur denkwürdigen Pressekonferenz vom 22. Oktober, in der sich Niersbach um Kopf und Kragen redete.

"Ich soll aber angeblich alles allein gemacht haben. Da habe ich mir gedacht, was ist denn das? Das war deutlich anders, als am Tag zuvor in Salzburg besprochen. Und Fehler waren auch noch drin", sagte Beckenbauer: "Wolfgang wirkte völlig überfordert. Und er hatte vielleicht auch keine guten Berater. Das passte vorn und hinten nicht. Wenn jetzt von mir keine Erklärung kommt, hat er mir gesagt, dann muss er zurücktreten."

Die Millionen-Zahlung an die FIFA bestätigte Beckenbauer derweil, gab sich aber bezüglich der genauen Hintergründe unwissend. Sein Berater und OK-Vize Fedor Radmann habe den Vertrag mit dem mittlerweile lebenslang gesperrten Katarer Mohamed bin Hammam, Mitglied der FIFA-Finanzkommission, eingefädelt.

"Ich hab' nur die 250 Millionen gesehen"

"Mit dem hatten wir auch die besten Kontakte. Fedor kam auf mich zurück und sagte, alles okay, ich habe mit bin Hammam gesprochen. Wir bekommen 250 Millionen Schweizer Franken. Aber wir müssen der Finanzkommission vorher zehn Millionen Franken zahlen", sagte Beckenbauer, der den Deal nicht hinterfragt haben will: "Ich hab' nur die 250 Millionen gesehen. Mir als minderem Kaufmann stellte sich damals nicht einmal die Frage."

Bei der Beschaffung des Geldes sei Beckenbauer beim DFB auf taube Ohren gestoßen: "Ich habe wegen der zehn Millionen mit MV geredet, Gerhard Mayer-Vorfelder, Brauns Nachfolger als Präsident. Der hat gleich abgewinkt: Das geht nicht, das machen wir nicht. Wir kennen ja den DFB." Über Beckenbauers Manager Robert Schwan sei dann der frühere Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus zum Geldgeber geworden, was Beckenbauer aber erst viel später erfahren haben will: "Das hat sich dann später so herausgestellt, etwa Ende 2004. Da wollte der Dreyfus sein Geld zurück."

"Weiß nicht, dass es Schuldschein war"

Woher zuvor die fragliche Summe gekommen sein soll, habe Beckenbauer zunächst nicht hinterfragt. Auch im Hinblick auf den von ihm unterzeichneten Schuldschein gab er sich ahnungslos: "Ich weiß bis heute nicht, dass ich einen Schuldschein unterschrieben habe. Aber wenn die behaupten, dass ein Schuldschein da war, dann wird es schon so gewesen sein. Ich weiß es wirklich nicht."

Ebenso wenig kümmerte Beckenbauer demnach, ob die 6,7 Millionen Euro wirklich an die Finanzkommission geflossen sind. "Wir haben nie danach gefragt. Das war vielleicht ein Fehler. Aber was hätte das gebracht? Dann hätten die gesagt: Entwicklungsprojekte. Da gibt's ja genug", sagte Beckenbauer: "Wir wollten die WM organisieren, alles andere war mir wurscht. Ich habe nur die 250 Millionen gesehen. Damit war die WM gerettet."

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