Bundestrainer Joachim Löw muss aufgrund von Verletzungen im Halbfinale gegen Frankreich personell umbauen. Auch Mario Gomez steht ihm als Stürmer nicht zur Verfügung. Kehrt Mario Götze also wieder ins Angriffszentrum zurück? Zwei Redakteure diskutieren Pro und Contra im SPOX-Kopfballpendel.
spoxVon Benedikt Treuer
Götze ist ein begnadeter Kicker, keine Frage. Für mich hat er das aber zu lange nicht mehr unter Beweis gestellt und ich bin nicht davon überzeugt, dass er das bei der EM noch wird.
Vor zwei Jahren beim WM-Triumph hat vermutlich jeder Götze 2016 in einer anderen Rolle erwartet. Doch die Erwartungen waren riesig. Und Götze ist kein Mentalitätsmonster. Er schaffte es nicht, sich auf dem Feld so zu entwickeln, wie prophezeit. Entsprechend ist er bei dieser EM noch weit davon entfernt, unumstritten zu sein.
Trotz des Gomez-Ausfalls würde ich in der Startelf weiter auf Götze verzichten. Seine Effizienz war bislang gleich null, seine Aktionen sind zu durchschaubar und es mangelt ihnen an Tempo. Die Spritzigkeit, die Draxler, Schürrle oder Sane im Eins-gegen-eins zeigen können, sind Götze abhandengekommen.
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Seine Laufwege in den ersten Spielen waren ordentlich. Er besetzte die Räume zwischen den gegnerischen Ketten und war dort auch einige Male anspielbar. Doch daraus schuf er keinen Vorteil. Es gelang ihm nicht, den Ball in die gefährlichen Räume durchzustecken oder die nachrückenden Sechser in bessere Positionen zu bringen. Es wirkt seit einiger Zeit so, als fehle ihm die Frische - auch geistig.
Von Götze geht kein kollektiver Effekt aus. Er ist (aktuell) kein Spieler, der das Team mal durch Einzelaktionen mitreißt - so, wie es Müller schon durch seine Art, Draxler mit seinem Zug oder auch Özil durch Genialität können. In der Startelf gegen Frankreich sehe ich Müller in der Spitze und Özil dahinter. Gegen die langsamen Außenverteidiger Evra und Sagna würde ich Draxler bringen - und warum nicht jetzt auch mal den schnellen Sane?
Götze kann sich auch nicht in ein Spiel reinbeißen. Es ist immer schwierig, zu beurteilen, wie viel Götze gegeben hat, da man es in Relation zu seinem Wesen und seiner Anatomie setzen muss. Dort unterscheidet er sich deutlich von vielen anderen. Bewertet man nur das, was man sieht, hat man oft das Gefühl, dass bei ihm mehr ginge. Das sprichwörtliche "Sich-den-Arsch-Aufreißen" - ich denke mir bei Götze jedes Mal: Mensch, zeig doch mal, dass Du das kannst.
Ich würde es mir für Götze wirklich wünschen, dass er mal wieder ein riesiges Erfolgserlebnis hat. Das würde ihm massiv gut tun. Es geht aber nur von der Bank.
spoxVon Andreas Lehner
Zeig der Welt, dass ... Nein, dieser Satz verfolgt Mario Götze seit zwei Jahren und soll an dieser Stelle mal nicht zu Ende geschrieben werden. Bundestrainer Joachim Löw hat Götze mit dem Ausplaudern seines Motivationsspruchs nicht unbedingt einen Gefallen getan.
Er hat ihm aber einen Gefallen damit getan, ihn über Wochen und Monate öffentlich zu stützen. Der Bundestrainer hat Götze immer wieder gelobt und seine herausragenden Fähigkeiten betont. Nach zweieinhalb Spielen hat aber auch er feststellen müssen, dass es bei Götze im Moment an Leichtigkeit fehlt. Trotzdem muss er ihn gegen Frankreich bringen und auch ein bisschen hoffen, dass Götze das in ihn gesetzte Vertrauen rechtfertigt.
Seit seiner Auswechslung gegen Nordirland hat Götze keine Minute mehr gespielt. Es war schon überraschend, dass Löw gegen Italien überhaupt nur zweimal gewechselt hat und auf Götzes gepriesene Qualitäten in engen Räumen auch in der Schlussphase verzichtete.
Götzes Turnierverlauf gleicht dem bei der WM vor zwei Jahren in Brasilien. Auch damals rückte er von Spiel zu Spiel immer an den Rand der Aufmerksamkeit, bis sein Moment gekommen war. Dass es dieses Mal schon im Halbfinale soweit ist, liegt allein an der Verletzung von Mario Gomez. Da muss man gar nicht drumherum reden. Aber so ist Götzes Einsatz alternativlos.
Löw wird gegen Frankreich mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder auf 4-2-3-1 umstellen. Mit Gomez wäre die eine vakante Position neben Thomas Müller und Mesut Özil wohl Julian Draxler zugefallen. Jetzt muss Löw improvisieren. Müller in der Spitze, Özil dahinter und Draxler sowie Götze auf den Außen.
Die Vorrunde hat gezeigt, dass sich Götze in der Reihe dahinter wohler fühlt, als im Sturmzentrum. Dass er sich steigern muss, steht außer Frage, aber er kann der Mannschaften in gewissen Momenten helfen - aber dazu muss er auch seine Ballverluste in den Griff kriegen.
Die sind für mich auch ein Grund, warum Leroy Sane in diesem Fall keine Alternative für die Startelf ist. Der Schalker ist ein Dribbler vor dem Herrn, aber sein risikoreiches Spiel wäre gegen Frankreichs Konter gefährlich. Zumal Löw den Zeitpunkt verpasst hat, Sane in den Spielen gegen Nordirland oder die Slowakei mal ein paar EM-Minuten zu geben.
Aber vielleicht braucht Löw Sane während des Spiels noch für Eins-gegen-eins-Situationen. Vielleicht hat er sich für seine Einwechslung auch schon einen Spruch überlegt.
Mario Götze im Steckbrief