Die Richtung vor den beiden WM-Qualifikationsspiel gegen Tschechien und Nordirland ist klar. Deutschland will Gruppenerster werden und damit ohne Playoffs nach Russland fahren. Das ist aber keinen Artikel wert. In einer Gruppe, in der Tschechien als härteste Konkurrenz gesehen werden darf, muss das für das DFB-Team selbstverständlich sein.
"WM-Qualifikation", sagen Joachim Löw und Oliver Bierhoff, nicht "WM-Quali". Eigentlich kein Unterschied, aber so lapidar dahingesagt werden sollen die Aufgaben nicht, die vor der Mannschaft liegen. "Es geht nicht einfach nur darum, drei Punkte zu holen", hatte Bierhoff verdeutlicht.
Mehr als drei Punkte sollen es also sein gegen Tschechien. Ein Signal will der Teammanger sehen. Eines, das klar macht, dass die Deutschen die Nummer eins im Weltfußball sein wollen. Eine interne Analyse hat ergeben, so der kicker, dass man nach dem Triumph in Brasilien "Stärke, Gier und Entschlossenheit" habe vermissen lassen.
Tschechien erfordert keine 100 Prozent
Bleibt die Frage nach dem Wie. Wie sende ich am 2. Spieltag der WM-Qualifikation gegen ein Tschechien, das seine besten Tage hinter sich hat, ein Signal? Und dann auch noch von jener Größe? Ein Schützenfest? Ein dominanter Sieg? In welcher Relation steht man dann zum Duell zwischen Spanien und Italien vom Donnerstag?
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Löw machte bei der Nominierung seines Kaders deutlich, worum es ihm geht. Um Ernsthaftigkeit, Seriosität und um Konstanz. Keine Debütanten in der Mannschaft, keine Experimente in der Zusammenstellung. Das erste Training in Hamburg begann mit einem Kraftzirkel, es folgten Spielformen mit viel Abschlüssen und Fokus auf dem Umschaltspiel.
Er hat sein Zeichen gesetzt. Höchste Intensität und Konzentration sind gefordert. Das Team kann sich nur auf allerhöchstem Niveau weiterentwickeln, das will Löw erzeugen. Sein Problem liegt somit eigentlich auf der Seite des Gegners. Tschechien ist nicht die Herausforderung, die dieses allerhöchste Niveau erfordert.
Interner Druck zur Leistungssteigerung
Den Gegner stark reden, das ist Trainer-Einmaleins, wenn der Gegner tatsächlich gar nicht so stark ist. Der eigenen Mannschaft das Gefühl geben, dass auf der anderen Seite elf Ausnahmekönner warten. Wirklich funktionieren tut das nur selten. Die eigenen Spieler sind nicht so naiv, sie wissen, was beabsichtigt ist.
Somit setzt der Bundestrainer auf ein anderes Mittel. Interner Druck, der jeden Spieler zu Höchstleistungen antreiben soll. "Sie wissen, was wir von ihnen erwarten", sagt Löw über das Stammpersonal seiner Mannschaft. Erwartungen wollen erfüllt werden, sonst drängt der Rest des Kaders nach.
Im Interview mit RND sprach er vor dem Spiel aus eigener Erfahrung plötzlich über das Besteigen des Kilimandscharo. "Diese Grenzerfahrung hat mir gezeigt, dass es immer weiter geht, selbst wenn man glaubt, dass es nicht mehr geht", ließ er sonst so rar gesäte Details aus seinem Privatleben an die Öffentlichkeit.
"Heimspiele sehr wichtig für uns"
Eine "Gier, gezeigte Leistung bestätigen zu wollen" sieht Löw bei sich selbst und fordert diese ein. Dabei geht er nicht nur eigenen Wünschen nach, sondern trifft damit einen Nerv. "Diese beiden Heimspiele sind sehr wichtig für uns", sagte er und dürfte sich damit auch durchaus auf das abklingende Interesse für das DFB-Team bezogen haben.
Gellende Pfeifkonzerte gab es schon oft in Hamburg, das ist aber nicht unbedingt die größte Angst des DFB. Vielmehr fürchtet man erneut leere Ränge wie beim Abschied von Bastian Schweinsteiger in Mönchengladbach. Die Fans sind nach der großen EM vielleicht etwas übersättigt, obendrein kam die riskante Ortswahl.
Dazu ist die erneute Länderspielpause nicht gern gesehen. Weder bei Spielern, noch bei Fans. Letztere sind nicht begeistert von einer Unterbrechung der langsam aufgebauten Storylines der Bundesliga. Kriselt Schalke weiter? Was können Nouri und Gisdol? Ah nein, es ist ja Länderspielpause.
Belastungsbedingte Absagen vermeiden
Die Spieler leiden derweil unter dem Rhythmuswechsel und der steigenden Belastung. Diese brachte Nationalspieler, wie etwa Kevin Kampl bei Slowenien, zu selbst gewollten Absagen. "Der Klub geht immer vor", sagte der Mittelfeldspieler Leverkusens. Das ist beim DFB keine Option und soll gar nicht erst aufkommen.
Auch aus diesen Perspektiven heraus kann dem deutschen Nationalteam also jede Spannung nur entgegen kommen. Da ist es also recht, wenn Löw die volle Leistungsfähigkeit einfordert, für weniger will man schließlich auch nicht ins Stadion kommen. "Es liegt an uns, die Zuschauer von Anfang an mitzunehmen", merkte Bierhoff an.
Dafür wird es nicht nur Einstellung, sondern auch Tore brauchen. Gerade hier zwickt es noch zu oft. "Wir waren nicht effizient genug", sagt der Teammanger und fordert konsequenteren Fußball im letzten Drittel. Vor dem Tor wird der vielleicht Konsequenteste allerdings fehlen - Mario Gomez ist verletzt.
Variabilität erfordert Automatismen
Mario Götze übernahm schon gegen Norwegen seine Position und fand nur schwer Anbindung ans Spiel. Ein direkter Ersatz für den Stürmer aus Wolfsburg ist er ohnehin nicht, Löw wird wieder etwas umstellen müssen. Doch gerade hier ist von Deutschland Weiterentwicklung gefordert.
Das Nationalteam soll in Sachen Formation adaptiver werden und darf sich dabei durchaus an Pep Guardiola und Thomas Tuchel orientieren. Dreier- oder Viererkette, eine oder keine Spitze, drei oder zwei zentrale Mittelfeldspieler. Das Denken in Nummern ist veraltet und auch nicht mehr Bestandteil der Überlegungen von Löw.
Doch Variabilität ist schwierig aufzubauen. Sie erfordert ein hohes Maß an Kommunikation, Chemie und Automatismen. Nicht anders ist es beim Überpunkt Umschaltspiel. Drei bis vier Trainingseinheiten wird das DFB-Team vor dem Spiel gegen Tschechien absolviert haben. Womit klar wäre, warum Löw vor Tschechien spricht wie vor einem Finale.
Tschechien nur ein Baustein
Es geht ihm nicht um das eine Spiel. Auch nicht um das nächste gegen Nordirland. Es geht darum, die Mannschaft zu entwickeln, alte Stärken wiederaufleben zu lassen und gleichzeitig neue zu entdecken.
Ein Wettlauf ist es eher als ein Fußballspiel. Denn viel Zeit hat Löw bis zur WM nicht, um mit der Mannschaft zu arbeiten. Da finden sich nur wenig Möglichkeiten, einen formstarken Gonzalo Castro einzubauen oder andere personelle Experimente zu starten.
Diese werden, wenn überhaupt, erst später in der Qualifikation stattfinden. Vielleicht gegen San Marion - bei einem Gegner, gegen den Löw selbst mit allergrößter Mühe keine 100 Prozent aus seinen Spielern kitzeln wird. Aber das ist noch nicht Thema, wie er nun mahnen würde. Jetzt zählt Tschechien.
Das DFB-Team im Überblick