Als Teamchef Jürgen Klinsmann 2006 David Odonkor für das Sommermärchen aus dem Hut zauberte, war die Verblüffung groß. Für eine ähnliche Überraschung dürfte Joachim Löw für seine Mission Titelverteidigung bei der WM in Russland 2018 nicht sorgen. Der Kandidatenkreis für einen der begehrten Plätze im 23er-Kader ist schon jetzt riesig, nach dem souveränen Durchmarsch in der Qualifikation beginnt ein harter Verdrängungswettbewerb.
Löw ist angesichts des Überangebots auf einigen Positionen erfreut, auch wenn es bei seiner Nominierung im nächsten Jahr zu Härtefällen kommen wird. Er sei "heilfroh", wenn er bei der Kader-Zusammenstellung "eine Riesenauswahl" habe "und die Entscheidung schwer" falle, sagte Löw schon vor dem Spiel gegen Aserbaidschan am Sonntagabend in Kaiserslautern.
Der Bundestrainer setzte in der WM-Qualifikation 37 Profis ein, der immer wieder verletzte Marco Reus war noch nicht einmal dabei. Gut 15 Spieler sollten ihren Platz für das laut Löw "schwerste Turnier überhaupt" sicher haben, beim Rest schaut der 57-Jährige ganz genau hin: "Wenn die Quali zu Ende ist, fängt die richtige Arbeit erst an."
Außenverteidiger-Position bereitet kleinere Sorgen
Löws langes WM-Casting beginnt mit dem Klassiker am 10. November im Wembley-Stadion gegen England, vier Tage später ist voraussichtlich Frankreich in Köln der Gegner.
"In den kommenden Länderspielen müssen wir schauen, dass wir den einen oder anderen Spieler auf dieses Niveau heben, das wir im nächsten Jahr brauchen, um unsere Ziele zu erreichen", sagte Löw, der trotz seines qualitativ und quantitativ breiten Kaders "einige Baustellen" ausgemacht hat.
Kleinere Sorgen bereitet dem Weltmeistercoach die Außenverteidiger-Position. Hinter Joshua Kimmich und Jonas Hector klafft eine Lücke. Es gebe in der Bundesliga schon den einen oder anderen Spieler, Jeremy Toljan und so weiter, aber die seien noch nicht ganz auf dem erforderlichen Niveau, sagte Löw.
Überangebot auf anderen Positionen
Sollte die Auswahl des DFB auf ihrem Weg zum fünften Stern vom Verletzungspech verschont bleiben, hat Löw auf anderen Positionen ein Überangebot. Im defensiven Mittelfeld ist Toni Kroos gesetzt. Daneben gibt es in Sami Khedira, Sebastian Rudy, Ilkay Gündogan, Leon Goretzka, Emre Can und Julian Weigl gleich sechs Anwärter auf eine Position.
Ähnlich sieht es in der Innenverteidigung aus. Mats Hummels und Jerome Boateng sind die Platzhirsche, doch auch Antonio Rüdiger, Shkodran Mustafi, Benedikt Höwedes und Niklas Süle hoffen.
Und selbst im Sturm, wo es in der Vergangenheit nicht immer große Auswahlmöglichkeiten gab, ist die Konkurrenzsituation mit Timo Werner, Mario Gomez, Sandro Wagner, Lars Stindl und Mario Götze groß.
Löw appelliert an seine Spieler
Löw ist über diese Entwicklung erfreut, denn die angepeilte Titelverteidigung wird alles andere als ein Selbstläufer. "Alle 23 müssen auf den Punkt genau auf dem höchsten Niveau sein, um zu jeder Minute, zu jeder Sekunde des Turniers Topleistung abzurufen.
Nur dann ist der Titel möglich", sagte er: "Der Kampf, an der Spitze zu bleiben, wird brutal hart." Jeder Einzelne müsse "immensen Hunger haben, dieses Turnier unbedingt zu gewinnen."