Schon gegen Schweden steht das DFB-Team nun unter Zugzwang (Sa., 20 Uhr im LIVETICKER). Deutschland könne laut Müller jedoch auf der zweiten Halbzeit aufbauen. Das Interview wurde in der Mixed Zone des Luschniki-Stadions in Moskau aufgezeichnet.
Frage: Herr Müller, warum hat es in der Balance von Angriff und Verteidigung schon wieder nicht gestimmt?
Thomas Müller: Es ist ein zweischneidiges Schwert: Wenn sich zu wenige Spieler an der Offensive beteiligen, kann man sich gegen ein Bollwerk aus acht Mann in der Verteidigung nur schwer durchsetzen. Dann ist es so, dass uns nichts eingefallen ist, wenn wir nur zu wenigen Torchancen kommen. Aber wenn man im falschen Moment den falschen Ball spielt, kann es auch nach hinten losgehen. Dann geben wir gegen Mannschaften, die sich auf ihr Konterspiel verlassen, Räume her, die wehtun können.
Frage: Wie kann man dieses Problem angehen?
Müller: Wir müssen mit unserem Ballbesitz sorgfältiger umgehen. In der zweiten Halbzeit hat man gesehen, wie es funktionieren kann. Es sah deutlich besser aus, auch wenn wir vermeintlich offensiver aufgestellt waren. Man hat gesehen, dass wir unbedingt ein Tor erzielen wollten und auch hätten erzielen können.
Thomas Müller erklärt taktische Besonderheiten der Mexikaner
Frage: Waren Sie von der Taktik der Mexikaner überrascht?
Müller: Überrascht klingt ein bisschen komisch. Normalerweise haben sie schon eine andere Art, Fußball zu spielen. Natürlich lassen sie bei Standards auch gern zwei oder drei Spieler vorn, um dann schnell umzuschalten. Aber grundsätzlich pflegen sie den Gegner ohne Ball unter Druck zu setzen und das Pressing bis nach vorn durchzuführen.
Frage: Was war diesmal anders?
Müller: Heute haben sie auf der halbrechten Seite Jerome [Boateng] und Sami [Khedira] oft frei gelassen, sich weiter zurückgezogen und nur auf den Ballverlust geschielt. Und irgendwann kommt halt immer mal ein Ballverlust. Dann haben sie brutal schnell umgeschaltet. Sie haben ihre Spielweise umgestellt, das hat uns vor allem in der ersten Halbzeit mit ein, zwei Nadelstichen deutlich wehgetan. Erst in der zweiten Hälfte wurde es besser, weil wir mit Ball produktiver waren und die Angriffe abgeschlossen haben.
Frage: War es unmöglich, das schon in der ersten Halbzeit zu korrigieren? Sie sind den Mexikanern immer wieder ins offene Messer gelaufen.
Müller: Ja, ein bisschen schon. (überlegt) Schwer zu sagen, so direkt nach dem Spiel.
Frage: Warum kam der letzte Pass nicht an? War es einer dieser Tage, an denen es einfach nicht klappt?
Müller: Wir hatten schon ein paar gute Abschlussmöglichkeiten. Da lag es nicht am letzten Pass, es war eher so, dass ein Gegenspieler noch das Bein in die Schussbahn bekommen hat. Julian Draxler hatte zwei oder drei Szenen nah am Elfmeterpunkt: Situationen, bei denen man den Gegner eben nicht tunnelt, der Ball ins Eck geht und das Stadion jubelt. Sondern bei denen der Ball abgefälscht wird und es Eckball oder Einwurf gibt, oder den Gegenangriff einleitet. Der Freistoß [von Toni Kroos] hätte uns natürlich auch gut getan. Dazu noch der Schuss von Julian Brandt, der haarscharf vorbeigeht. Das Glück für die Aufholjagd war nicht auf unserer Seite.
Deutschlands zweite Halbzeit macht Thomas Müller Mut
Frage: Wie sieht die Vorbereitung auf das Spiel gegen Schweden aus?
Müller: Wir müssen das Ganze aufarbeiten und das Spiel analysieren. Es ist auch für uns eine harte Nummer - es ist ja nicht so, dass wir faul rumliegen. Das Trainerteam und die Mannschaft arbeiten hart daran, dass diese Fehler nicht mehr passieren. Wir müssen uns von der zweiten Halbzeit ermutigen lassen. Wenn wir so spielen, werden wir die nächsten beiden Spiele gewinnen - was wir natürlich auch müssen.
Frage: Sie persönlich hatten gegen Mexiko einen schweren Stand. Sehen wir gegen Schweden wieder den Thomas Müller mit zehn WM-Toren?
Müller: Natürlich versuche ich zum Abschluss zu kommen. Heute hatte ich bis auf eine Situation, bei der ich im Abseits stand, eigentlich keinen wirklichen Torabschluss. Ich versuche mich in Position zu bringen, den Abschluss zu suchen oder Tore vorzubereiten. Aber ein Spiel ist eben kein Wunschkonzert.
Frage: Haben Sie das Gefühl, dass die WM bisher insgesamt unter keinem guten Stern steht?
Müller: Wenn wir so denken würden, könnten wir gleich nach Hause fahren. Wir sind Profis, wir wollen erfolgreich sein und Dinge verbessern. Dafür werden wir in uns gehen. Aber negativ dürfen wir an die Sache nicht herangehen.