DFB-Präsident Reinhard Grindel hat sich bei Mesut Özil entschuldigt und eingeräumt, dass er sich bezüglich rassistischer Anfeindungen mehr vor den ehemaligen Nationalspieler hätte stellen müssen.
"Ich hätte mich angesichts der rassistischen Angriffe an der einen oder anderen Stelle deutlicher positionieren und vor Mesut Özil stellen müssen. Da hätte ich klare Worte finden sollen. Solche Angriffe sind völlig inakzeptabel. Dass er sich da vom DFB im Stich gelassen fühlte, tut mir leid", sagte Grindel im Interview mit der Bild.
Dagegen wehrte er sich gegen den Vorwurf, er habe die politischen Dimensionen der Özil-Thematik mit der sportlichen Situation vermengt: "Wichtig ist mir aber zu betonen, dass ich mich nach der WM zu keinem Zeitpunkt zu seiner sportlichen Leistung geäußert habe. Für mich war immer klar, dass wir zusammen gewinnen und zusammen verlieren. Einen einzelnen Spieler für das Ausscheiden verantwortlich zu machen wäre ja absurd."
Grindel: Özil-Statement wäre auch bei WM-Titel wünschenswert gewesen
Özil war mit einem dreiteiligen Statement, das er über seine Social-Media-Kanäle veröffentlichte, aus der deutschen Nationalmannschaft zurückgetreten und hatte dabei schwere Vorwürfe gegen Grindel erhoben. Unter anderem warf er dem DFB-Präsidenten vor, er habe Özil für das Ausscheiden des DFB-Teams bei der WM in Russland verantwortlich gemacht.
Davon distanzierte sich Grindel nun: "Mir ging es um einen völlig anderen Punkt. Der DFB steht für Werte wie Respekt, Toleranz, Fairplay, wir treten für Presse- und Meinungsfreiheit ein. Das erwarten wir auch von all unseren Spielern, ob mit oder ohne Migrationshintergrund. Nach den Fotos mit Staatspräsident Erdogan hat sich Ilkay Gündogan klar und nachvollziehbar geäußert. Ich hätte mir das auch von Özil gewünscht, weil ich aus Gesprächen mit Fans weiß, dass auch sie Fragen dazu hatten. Das darf aber keinesfalls als Kritik an seiner sportlichen Leistung missverstanden werden. Ich hätte mir eine solche Erklärung auch gewünscht, wenn wir Weltmeister geworden wären."
Grindel sagte zudem, er glaube nicht, dass Özils Vorwurf des Rassismus seinem Ruf schade: "Meine Kollegen im DFB und in der Uefa kennen mich so gut, dass sie das einordnen können. Darauf vertraue ich."
Mesut Özils Leistungsdaten mit der deutschen Nationalmannschaft
Wettbewerb | Spiele | Tore | Assists |
Freundschaftsspiele | 30 | 5 | 10 |
WM-Qualifikation | 20 | 9 | 10 |
WM | 16 | 2 | 4 |
EM-Qualifikation | 15 | 5 | 12 |
EM | 11 | 2 | 4 |
Gesamt | 92 | 23 | 40 |
Grindel will "Die Mannschaft" auf den Prüfstein stellen
In seiner Analyse der letzten Monate beim DFB erkannte Grindel darüber hinaus eine Entfremdung der Fans von der Nationalmannschaft. Er bezeichnete eine größere Nähe zu den Fans als Ziel für die Zukunft: "Ich denke da an mehr öffentliche Trainingseinheiten, niedrigere Ticketpreise - bei den Anstoßzeiten sind wir leider durch unsere Verträge weniger flexibel."
Darüber hinaus nehme er auch wahr, "dass an der Basis der Begriff "Die Mannschaft" als sehr künstlich empfunden wird. Auch das sollten wir auf den Prüfstand stellen."
DFB: Grindel fordert mehr Transparenz von Oliver Bierhoff
Auf den Prüfstand will Grindel auch die Arbeit von DFB-Manager Oliver Bierhoff stellen: "Ich bin während der WM nicht nah genug an der Mannschaft gewesen, um sagen zu können, ob das Teamquartier nicht ausreichend war, ob es in den Abläufen Dinge gab, die nicht gut waren. Da erwarte ich auch von Teammanager Bierhoff, dass das Präsidium Einblicke in die Abläufe erhält. Wir als DFB-Delegation haben manches, was jetzt im Nachhinein aus Watutinki berichtet worden ist, während des Turniers nicht vermittelt bekommen."
Künftig soll Bierhoff in der Fülle seiner Aufgaben unterstützt werden, sagte Grindel: "Es wird eine Entlastung geben, weil wir einen Leiter der neuen DFB-Akademie bekommen. Es wird auch einen Nachfolger von Horst Hrubesch als Sportdirektor geben, der Bierhoff ebenfalls entlasten wird. Ansonsten muss er in den nächsten Monaten selbst überprüfen, ob er das alles leisten kann, das haben wir so auch verabredet."
DFB-Präsident Grindel hat nie über einen Rücktritt nachgedacht
Einen neuen Sportdirektor und somit Nachfolger von Horst Hrubesch solle es zeitnah ebenfalls geben, bestätigte Grindel. Bierhoff sei in der Findung eines passenden Kandidaten "federführend".
Trotz der heftigen Kritik an seiner Person sagte Grindel darüber hinaus, er habe nie an einen Rücktritt vom Amt des DFB-Präsidenten gedacht: "Ich habe sehr großen Rückhalt bei den Landesverbänden und in der Bundesliga."