Timo Werner und der Fluch der guten Taten

Timo Werner hat einen schweren Stand im DFB-Team.
© getty

Nach seinem Länderspieldebüt im März 2017 legte Timo Werner einen steilen Aufstieg in der deutschen Nationalelf hin und reifte mit starken Leistungen zu einem der begehrtesten Stürmer Europas. Eine enttäuschende WM und eine von Leistungsschwankungen geprägte Folgesaison bei RB Leipzig später ist er seinen Stammplatz unter Joachim Löw los und droht keinen Verein zu finden, bei dem er den erhofften Quantensprung in die Weltklasse machen kann.

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Auch beim EM-Qualifikationsspiel gegen Estland in Mainz (heute ab 20.45 Uhr im LIVETICKER) wird Werner wohl mit der Ersatzbank vorlieb nehmen müssen.

Heute ist man ein in den Himmel gehobener Held, morgen ein mit Füßen getretener Versager. Im Fußball geht eben alles schnell. Oft viel zu schnell. Wenn das ein deutscher Spieler gerade besonders am eigenen Leib erfährt, dann ist das Timo Werner.

Im Juli 2017, als die deutsche Mannschaft noch den Confed Cup in Russland gewann und den vermeintlichen Grundstein für die Verteidigung des WM-Titels im kommenden Jahr legte, da war Werner noch ein Held. Schnell brachten so manche bekannte Sportzeitungen den schnellen Stürmer von RB Leipzig mit internationalen Spitzenklubs wie Real Madrid oder dem FC Barcelona in Verbindung. Auch der FC Bayern wurde hellhörig. Der nur so vor Selbstvertrauen strotzende Werner, so schien es, konnte zu jenem Zeitpunkt auswürfeln, wo er seine vielversprechende Zukunft verbringt.

Timo Werner: Ein Tor in den vergangenen zehn Länderspielen

Knapp zwei Jahre später sind die Vorzeichen komplett anders: Werner kommt weder selbstbewusst daher noch wie ein Spieler, der das Zeug hat, bei einem Eliteverein wie Real oder Barca anzuheuern. In den letzten zehn Länderspielen erzielte er nur ein Tor, der internationale Hype um ihn ist verflogen. Selbst die nach dem "FC Bayern Deutschland" strebenden Granden des Rekordmeisters nehmen nach Angaben der Bild Abstand von dem wechselwilligen Rechtsfuß und würden ihn wenn überhaupt erst dann verpflichten, wenn er für kleines Geld oder im Idealfall ablösefrei zu haben wäre. Stand jetzt also im kommenden Sommer, wenn Werners Vertrag in Leipzig ausläuft.

Woran das liegt? Zum einen an einer schwachen Weltmeisterschaft, bei der der 24-malige Nationalspieler dem Fluch der guten Taten erlag und die in ihn gesteckten Erwartungen als legitimer Nachfolger des legendären Miroslav Klose nicht ansatzweise erfüllen konnte. Zum anderen an einem schleichenden sportlichen, durch den öffentlich ausgetragenen Poker um seine mittlerweile ausgeschlagene Vertragsverlängerung zusätzlich beeinträchtigten Abwärtstrend im Verein. Der gebürtige Stuttgarter beendete die Saison 2018/19 zwar mit 19 Toren und zehn Vorlagen, tauchte in entscheidenden Partien wie dem DFB-Pokalfinale aber ab.

Timo Werner überzeugt nicht als Mittelstürmer

Im Jahr zuvor hatte er bei der gleichen Anzahl an Assists noch zwei Treffer mehr erzielt, aber vor allem aktiver am Spiel seiner Mannschaft teilgenommen. Der traditionell von Kontern und schnellem Umschaltspiel lebende Stürmer kam in den vergangenen Monaten kaum an seine Leistungsgrenze, wirkte mit dem Ball am Fuß lethargisch und in aussichtsreichen Positionen vor dem Tor schlampig.

Gerade in der Nationalelf wurde immer wieder deutlich, dass die Position des Neuners nicht die geeignetste für ihn ist, sondern dass er eher einen Partner wie Yussuf Poulsen an seiner Seite braucht, der im Sturmzentrum den Ball gut behaupten und durchstecken kann. Einen solchen Spielertypen gibt es im Team von Joachim Löw aktuell nur mit Marco Reus. Und wenn Reus vorne spielt, ist Werner automatisch nur zweite Wahl, weil Leroy Sane und Serge Gnabry hervorragend miteinander harmonieren und dem RB-Profi speziell im technischen Bereich einen Schritt voraus sind und so mehr Variabilität garantieren.

Timo Werner nur noch Reservist: "Ist halt mal so"

"Durch den Sieg gegen Holland im März haben wir an einer gewissen Formation festgehalten. Man hat Marco, der in einer fantastischen Verfassung ist, den Vorrang gegeben. Wir haben jetzt wieder gewonnen, und dann ist es halt mal so, dass Timo auf der Bank sitzt", erklärte Marcus Sorg, der Co-Trainer des wegen eines Sportunfalls außer Gefecht gesetzten Joachim Löw, am Pfingstmontag auf der Pressekonferenz vor dem EM-Qualifikationsspiel gegen Estland.

In anderen Worten: Werner muss sich hinten anstellen, weil die Konkurrenz im DFB-Team nun einmal weitaus größer ist als in Leipzig. Und das, findet Sorg, ist kein Beinbruch, erst recht nicht für jemanden, der 23 ist. Tiefen würden genauso dazugehören wie Höhen, zumal man an negativen Erfahrungen wachse.

"Ganz ehrlich, ich würde mir wünschen, dass die Medien mit ihm umgehen wie mit jedem anderen", echauffierte sich der Löw-Vertreter am Montag über die öffentliche Debatte um seinen Schützling. Was auch passiere: Der Angreifer sei und bleibe "ein fester Bestandteil dieser Mannschaft" und werde den Umbruch des DFB-Teams "weiter aktiv mitgestalten". Sorg: "Wir werden alle noch sehr, sehr froh sein, dass wir Timo haben."

Aktuell ist kein Außenstehender traurig, wenn Werner nicht spielt. Allerdings geht im Fußball eben alles schnell. Oft viel zu schnell. Vielleicht wird Werner ja am Dienstagabend wieder zu einem Helden, wenn er ein Jokertor gegen Estland erzielt.

EM-Qualifikation 2019: Gruppe C mit dem DFB-Team

  • Aktuelle Tabelle in Gruppe C vor Beginn der Partie Deutschland - Estland:
Pl.MannschaftSp.TorePkt.
1Nordirland36:29
2Deutschland25:26
3Niederlande26:33
4Estland21:40
5Belarus31:80
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