Bevor Hansi Flick seine Nationalspieler am Montag in Wolfsburg im noblen Fünf-Sterne-Hotel Ritz-Carlton zum Jahresabschluss in Empfang nimmt, schwelgte der Bundestrainer noch einmal in Erinnerungen. "Joachim Löw", betonte Flick im Interview mit dem Sport-Informationsdienst SID, "ist der beste Bundestrainer, den wir hatten." In seiner Zeit als Assistent von Löw habe ihm der Chef "immer meine Freiheit" gelassen. Und in den erfolgreichen Zeiten mit dem WM-Triumph 2014 als Höhepunkt habe "Architekt" Löw "dem deutschen Fußball eine Idee gegeben, die über Jahre hinweg weltweit viel Anerkennung erfahren hat."
Jetzt ist Flick der Architekt einer sich im Aufbau befindenden Mannschaft. Mit einem Sieg im sportlich bedeutungslosen WM-Qualifikationsspiel am Donnerstag gegen Liechtenstein würde er den Startrekord seines Vorgängers (fünf Siege) übertrumpfen - vor den Augen Löws. Der 61-Jährige wird vor dem Anpfiff vom Deutschen Fußball-Bund offiziell verabschiedet - "gebührend mit einem Fußball-Fest", wie Flick hofft, "das hat er verdient".
Doch viel mehr will er nicht in die Vergangenheit blicken. Für den 56-Jährigen, der auch die leidige Impfdebatte um Joshua Kimmich moderieren muss, zählt nach seinem makellosen Einstand nur die Zukunft. Bis zur WM 2022 ist nur noch ein Jahr Zeit.
Flick: "Wollen uns positiv verabschieden"
Daher überlässt Flick nichts dem Zufall und wollte schon am Sonntagabend nach seinem Besuch des Spiels zwischen Hertha BSC und Bayer Leverkusen im Berliner Olympiastadion in der Luxusherberge in Wolfsburg mit Blick auf den Mittellandkanal einchecken.
"Wir wollen uns positiv aus dem Jahr verabschieden. Ich erwarte von der Mannschaft, dass sie genauso leidenschaftlich und aktiv auftritt wie in den Spielen davor", sagte Flick mit Blick auf die Begegnungen gegen Liechtenstein und drei Tage später in Armenien: "Man soll unsere Idee vom Fußball erkennen. Wir haben unsere Hausaufgaben erledigt. Jetzt wollen wir einen weiteren Schritt nach vorne machen."
Für sein Katar-Casting hat Flick 27 Spieler nominiert, darunter Neuling Lukas Nmecha sowie die Rückkehrer Julian Draxler und Julian Brandt. Bevor der Bundestrainer seine Nationalspieler vier Monate lang nicht mehr beisammen hat, will er noch einmal alle auf Herz und Niere prüfen.
"Julian Brandt hat in den letzten Wochen eine gute Entwicklung genommen. Wir wollten ihn und Julian Draxler zum Jahresabschluss und vor dem Start in das WM-Jahr noch einmal im Kreis der Mannschaft sehen", sagte Flick. Seine Reisegruppe wird er nach Armenien wohl verkleinern, auch wenn er das "erst nach dem Spiel gegen Liechtenstein entscheiden" könne.
Rückendeckung für Kimmich in der Impfdebatte
Aber auch abseits des Platzes hat Flick ein großes Thema zu bearbeiten. Die Impfdebatte um Kimmich hallt noch nach. Er selber sei "geimpft und ein Befürworter der Impfung", stellte Flick noch einmal klar. Dennoch gehöre Kimmich "nicht an den Pranger".
Das Thema werde er in der Autostadt "noch mal aufgreifen", sagte Flick im FAZ-Interview. Das werde "nicht nur vor der versammelten Mannschaft, sondern auch im Einzelgespräch, ganz persönlich" geschehen. Es sei schließlich "optimal und wünschenswert, wenn jeder Spieler bei uns geimpft wäre".